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Biologische Synthese-Maschine
Licht veredelt nachwachsende Rohstoffe

Enzyme sind quasi die molekularen Feinwerkzeuge der Zellen. Biotechnologen aus Bochum arbeiten daran, mithilfe dieser natürlichen Katalysatoren nachwachsende Rohstoffe zu veredeln. Dabei nutzen sie zwei ganz besondere Zutaten: Luft und Licht.

Von Arndt Reuning | 16.07.2015
    Pflanzenöl als Ausgangsmaterial für Biodiesel und andere Chemikalien ist mittlerweile in Verruf geraten, denn nicht immer stammt es aus einem nachhaltigen Anbau der Pflanzen, meint der Biochemiker Robert Kourist. Aber Öl- und Fettmoleküle, sogenannte Lipide, können auch aus Algen oder Mikroorganismen im Labor gewonnen werden.
    "Und diese Herstellung ist nachhaltig, und ich kann auch über den Organismus die Zusammensetzung beeinflussen. Und damit haben Lipide eine sehr aussichtsreiche nachhaltige Perspektive."
    Diese Lipide möchte der Forscher an der Ruhr-Universität Bochum umwandeln zu Substanzen, die eine wichtige Rolle spielen für die Rohstoffbasis der chemischen Industrie: zu sogenannten Olefinen. Das sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe. Im Moment werden sie noch vorwiegend aus Erdöl gewonnen. Der wohl prominenteste Vertreter dieser Substanzklasse dürfte das Ethylen sein.
    "Ein Großteil aller Chemikalien wird aus Ethylen hergestellt, was dann zu komplexeren Olefinen zusammengefügt wird. Und damit kann man sagen: Olefine sind eine der Säulen der chemischen Industrie."
    Damit diese Umwandlung von Fettverbindungen zu Olefinen umweltfreundlich abläuft, hat sich Robert Kourist einen besonderen Kniff einfallen lassen: Angetrieben wird die Reaktion zu einem großen Teil von Licht. Im Moment kommt das noch von einer Lampe aus dem Supermarkt, aber prinzipiell funktioniert die Methode auch mit gebündelten Sonnenstrahlen. Ein Farbstoff sammelt das Licht ein und aktiviert damit Sauerstoff aus der Luft. Der wiederum überträgt seine Energie nach einer chemischen Umwandlung auf einen Biokatalysator, ein Enzym.
    "Enzyme sind im Grunde genommen die Nanomaschinen in unseren Zellen, die Bakterien haben die, wir haben auch welche."
    Und wie jede andere Maschine auch, benötigen diese Enzyme einen Treibstoff. Das ist in diesem Fall der aktivierte Sauerstoff aus der Luft. Mit dessen Hilfe wandelt das Enzym die Fettsäurereste aus den Lipiden zu den begehrten Olefinen um. Eine Kettenreaktion, gespeist von Luft und Licht.
    "Wir kombinieren also einen chemischen Schritt und einen enzymatischen Schritt. Und diese sogenannten chemo-enzymatischen Reaktionen haben ein unglaubliches synthetisches Potenzial, weil wir im Grunde die Stärken von Biokatalyse, also der Katalyse der Natur, und der organischen Synthese kombinieren können – und im idealen Fall in einem Reaktionsgefäß."
    Enzyme sind Präzisionswerkzeuge. Ihre Produkte stellen sie in hoher Reinheit her, und nicht als Gemisch, das anschließend umständlich aufgetrennt werden müsste.
    "Darüber hinaus arbeiten sie in Wasser, das ist ein sehr umweltfreundliches Lösemittel. Wenn man mal vergleicht, wenn man mit großen Mengen an Toluol oder Methanol arbeitet, das ist flammengefährlich oder explosiv. Enzyme arbeiten in Wasser und – ganz wichtig – sie arbeiten bei Raumtemperatur."
    Der Bioreaktor, in dem die Produktion der Olefine abläuft, muss also nicht beheizt werden. Ein weiteres Argument für diese umweltfreundliche Methode, die dabei helfen kann, eine der tragenden Säulen der Chemieindustrie auf eine Basis aus nachwachsenden Rohstoffen zu stellen.