Donnerstag, 25. April 2024

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Biologischer Spannungssensor

Physiologie. - Forscher der Universität Tübingen haben einen wichtigen Mechanismus enträtselt, der dem Gehör auf die Sprünge hilft. Sie haben entdeckt, wie sich bestimmte Sinneszellen im Innenohr stauchen und strecken, um die Empfangsqualität der Cochlea, der Innenohrschnecke, zu verbessern.

31.08.2001
    Unter dem Mikroskop bewegt sich die Haarsinneszelle mit beeindruckender Genauigkeit im Rhythmus eines Musikstücks. Dieser Rhythmus wird der Zelle als Änderung einer elektrischen Spannung nahegebracht. "Die Zelle kann sich aktiv in Abhängigkeit von der Spannungsänderung bewegen, und das bis zu sehr hohen Frequenzen", erklärt Professor Bernd Fakler vom Institut für Physiologie. Die Zelle verbessert den Gehörsinn, indem sie mit Hilfe einer raffinierten Rückkopplung die Schwingungseigenschaften der Basilarmembran verbessert, deren Impulse von Nervenzellen der Gehörschnecke in neuronale Impulse umgesetzt werden. Dieser Klangverbesserer wirkt insbesondere in dem Frequenzbereich von 350 bis 3500 Schwingungen pro Sekunde, der für das Sprachverständnis besonders wichtig ist.

    Die Zellen verändern sich mit Hilfe eines Proteins in der Zellmembran, des so genannten Prestins. Diese Eiweiße können sich strecken und stauchen, doch wer sagt ihnen, was sie wann machen sollen? Diese Steuerung haben die Tübinger Physiologen entschlüsselt. Es sind einfache Chlorid-Ionen. Wenn die Zelle erregt wird, werden Chlorid-Ionen, die am Prestin angedockt sind von außen nach innen transportiert. Beim gegenteiligen Vorgang läuft der Chlorid-Transport in die andere Richtung. Durch diesen Mechanismus wird auch erklärbar, war hohe Dosen von Salicylsäure eine Innenohr-Schwerhörigkeit auslösen können. "Das Salicylsäure-Molekül hat eine viel höhere Affinität zum Prestin als das Chlor und kann dieses einfach verdrängen", erklärt Fakler. Die Salicylsäure blockiert ganz einfach den Spannungssensor, den die Zelle für ihre Arbeit braucht. Doch diese Art der Schwerhörigkeit lässt sich glücklicherweise umkehren.

    [Quelle: Mathias Schulenburg]