Donnerstag, 28. März 2024

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Biosprit
"US-Soja anzuerkennen ist ganz klar ein falsches Signal"

Bisher landete viel Palmöl in deutschen Tanks als Biokraftstoff, jetzt hat die EU amerikanisches Soja zur Produktion von Biosprit zugelassen. Nach Ansicht von Gesche Jürgens (Greenpeace) der falsche Weg. "Das ist jetzt wieder eine weitere industriefreundliche Scheinlösung", sagte Jürgens im Dlf.

Gesche Jürgens im Gespräch mit Jule Reimer | 04.02.2019
    Soja-Farmer bei der Ernte auf einem Anhänger in Parana/Brasilien
    Soja statt Palmöl für Kraftstoff - nicht die richtige Lösung, meint Gesche Jürgens (imago/Fotoarena)
    Jule Reimer: Es war als Friedensangebot gedacht und um Einfuhrzölle auf deutsche Autos zu vermeiden, als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vergangenen Sommer US-Präsident Donald Trump mehr Sojaimporte nach Europa zusagte. Natürlich kann die EU-Kommission in einer Marktwirtschaft ihren Unternehmen solche Importe nicht qua Gesetz verordnen, aber sie kann sie erleichtern und fördern, und das hat sie auch getan, indem die EU jetzt amerikanisches Soja zur Produktion von Biosprit zugelassen hat. Bisher landete viel Palmöl in deutschen Tanks als sogenannter grüner Kraftstoff, um Erdöl zu ersetzen. Dass dafür in Indonesien Regenwälder abgehackt wurden, das brachte das Palmöl in die Kritik. In Hamburg bin ich jetzt mit Gesche Jürgens von Greenpeace verbunden. Frau Jürgens, ist Soja im Tank besser als Palmöl?
    Gesche Jürgens: Nein. Auch diese Entscheidung, Soja jetzt anzuerkennen als Biokraftstoff ist einfach ganz klar ein falsches Signal, denn die landwirtschaftlichen Flächen sind ja weltweit einfach begrenzt, wenn sie nicht noch weiter die Wälder opfern wollen. Studien haben ganz klar gezeigt, dass diese künstlich geschaffene Nachfrage nach Palmöl und Soja für die Agrotreibstoffproduktion, ob das jetzt direkt oder indirekt ist, die Zerstörung von Wäldern, von Savannen, von Torfmooren befördert. Das ist einfach aus Klimasicht natürlich eine Katastrophe.
    "Mit nachhaltiger Produktion hat das nicht zu tun"
    Reimer: Na ja, aber im mittleren Westen der USA haben wir diese Felder bereits, und es mindert die Einmischung von Erdöl.
    Jürgens: Es lenkt meines Erachtens von wirklichen Lösungen ab. Auch das ist jetzt wieder eine weitere industriefreundliche Scheinlösung, und man muss auch noch mal ganz klar sagen, dass diese riesigen Monokulturen von Gensoja in den USA natürlich auch mit nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktion nichts zu tun haben. Wo wir wirklich hinkommen müssen, ist eine Wende im Mobilitätssektor, weg von den Verbrennungsmotoren und hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr, zu besseren Radwege- und Fußgängerinfrastruktur, insbesondere natürlich in den Städten. Ich finde, Beispiele wie Kopenhagen zeigen ganz deutlich, dass die Lösungen eigentlich alle da sind, dass nur sich die Industrie, vor allem die Autoindustrie und natürlich auch Teile der Landwirtschaft dagegen wehren.
    Reimer: Tatsache ist aber, deshalb habe ich eben auch geraschelt, weil nämlich heute Morgen wieder eine Meldung reingekommen ist, fast zwei Drittel der Deutschen wollen trotz Klimaschutz und Stickoxidausstoß nicht aufs Auto verzichten. Das ist eine Realität.
    Vorbildliches Kopenhagen
    Jürgens: Ich glaube, es liegt auch daran, dass natürlich momentan die Alternativen nicht so attraktiv sind. Ich selbst fahre jeden Tag mit dem Fahrrad, und das ist einfach echt anstrengend und nervig, und man atmet schlechte Luft ein, und da kann ich mir vorstellen, dass sich dann Menschen lieber noch weiter ins Auto setzen, aber ich finde auch gerade … Ich war vor Kurzem noch mal wieder in Kopenhagen. Man hat einfach das Gefühl, da sind einfach die Städte für die Menschen da und für eine Mobilität, in der man ganz entspannt mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß oder mit dem öffentlich Nahverkehr sich von A nach B bewegen kann und das Auto gar nicht so eine große Rolle spielt. Ich glaube, da müssen einfach die Angebote dann stimmen.
    Reimer: Ist es richtig, auf Strom zu setzen, auf Elektromobilität, solange der Strom aus Braunkohlekraftwerken kommt und aus Atomkraftwerken? Das ist ja nicht wirklich grün.
    Jürgens: Ganz klar ist das nicht grün. Ich glaube, das kann natürlich nicht funktionieren, wenn man jetzt sagt, man ersetzt die Autos eins zu eins, also die Verbrennungsmotoren, durch Elektromobilität. Das ist ganz klar, dass das aus vielerlei Gründen keine gute Idee wäre. Dennoch spielt Elektromobilität natürlich in dem Verkehrskonzept der Zukunft eine Rolle und kann das auch spielen. Wichtig ist natürlich, dass dann die Energie auch grün produziert ist.
    Reimer: Gesche Jürgens von Greenpeace zu Soja im Tank. Ich danke für dieses Gespräch!
    Jürgens: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.