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Biotechnologie aus Thüringen

Klassische Analysemethoden, Messgeräte und Produkte zum exakten Erfassen von Stoffteilchen gehören zur Palette der Analytik Jena AG. Das Unternehmen orientierte sich in den letzten Jahren zunehmend im Life Science Markt und macht heute 70 Prozent des Umsatzes im Ausland.

Von Blanka Weber | 17.09.2010
    Es ist eine der Erfolgsgeschichten in Thüringen. Auf genau 20 Jahre kann das Unternehmen Analytik Jena zurückblicken. 1990 als GmbH von zwei ehemaligen Wissenschaftlern des Carl-Zeiss-Kombinates gegründet. Damals noch als Vertriebsgesellschaft, weil Zeiss die aufwendige Sparte der Analytik abgestoßen hatte.
    "Nun hat das begonnen in einer Phase, wo zunächst in ein Vakuum hinein Analysengeräte verkauft werden mussten, und das war die Strategie, die die Geschäftsführung sich gestellt hat, und dann kam ein Punkt: Wir wollen selbst entwickeln, produzieren und das war die Chance, als der neue Zeiss-Teil sich von den Analysegeräten getrennt hat. Der dort Tradition hatte aber wirtschaftlich gesehen offensichtlich nicht interessant genug war, das zu verfolgen. Und mit der Fähigkeit, Geräte zu bauen und zu entwickeln, ist natürlich ein ganz anderes Potenzial in die Firma gekommen."

    Gerhard Schlemmer ist seit neun Jahren im Unternehmen. Er leitet den Bereich Forschung und Entwicklung. Zum Unternehmen kam er, als alles schon in guten Strukturen war, sagt der bescheidene Manager. Der enorme Nachholbedarf der neuen Länder durch geänderte Richtlinien in der Analytik war der Grund für den Erfolg des Unternehmens Anfang der 1990er-Jahre. Es ging kontinuierlich bergauf: Von Carl Zeiss wurde Laboranalysetechnik übernommen, es wurden erste Unternehmen gekauft und die Geschäftsfelder erweitert. Nur zehn Jahre später wurde aus der GmbH eine Aktiengesellschaft – und im Jahr 2000 der Gang zur Börse. Gerhard Schlemmer betont die Dynamik des Marktes und die hohe Innovation:

    "Es sind Produkte geschaffen worden, die sich sehr, sehr viel größere Firmen nicht zu entwickeln getraut haben und wo wir jetzt Marktführerschaft haben."

    70 Prozent des Umsatzes macht die Analytik Jena AG heute im Ausland. Vor allem China und Japan sind Märkte, die für das Unternehmen wichtig sind. Klassischen Analysemethoden für biochemische Prozesse, Messgeräte, Produkte zum exakten Erfassen von Stoffteilchen – das gehört zur Produktpalette. Wasser, Boden, Luft, Müllentsorgung – das sind Themen, die bis ins kleinste Detail von den Fachleuten ausgeleuchtet werden, zum Beispiel, wenn es um geringste Mengen Quecksilber geht:

    "Da reden wir über Nanogramm pro Liter, und was ein Nanogramm ist, kann man begrifflich kaum ermessen. Wir haben dafür Geräte geschaffen, und diese Geräte sind nicht nur so gebaut, dass sie das erfüllen, was der Gesetzgeber erfordert, international, sondern das erfüllen, ohne dabei viele Reagenzien oder toxische Stoffe zu brauchen. Denn Chemie muss erst einmal Chemie einsetzen, um etwas zu messen. Und wir gehen auch in diese Richtung: Wie mache ich das möglichst, ohne der Umwelt zu schaden?"

    Weltweit ist das Unternehmen an Problemlösungen beteiligt. Ein Markt – neben der klassischen Analyse – wird immer wichtiger, sagt Gerhard Schlemmer:

    "Man kann allerdings diese Entwicklungen im Life Science -Bereich nicht übersehen, darf sie nicht übersehen. Man muss also dort investieren. Da muss man viel Geld in die Hand nehmen und weiß nicht so genau, wie in dem anderen Bereich der klassischen Analytik, was dabei herauskommt. Die Zahlen geben der Richtung der Geschäftsleitung recht, dort bewegt sich der Markt viel dynamischer. Dort sind die Wachstumschancen der Zukunft."

    Life Science – ein Markt der sich mit dem Wissen und der Wissenschaft um das Leben beschäftigt: Proteine, Gene, biochemische Eigenschaften - all das steht im Mittelpunkt der Forscher. In Jena existiert der Interessenverband medways e. V. – der Wissenschaftler, Forscher, Techniker und Produzenten zusammenführt. Erfolgreich, denn das Cluster arbeitet seit Jahren an neuen Produkten, sagt Volker Wiechmann, der Geschäftsführer:

    "Die Forscher, die Kliniker, die Industrie sind alle gleichermaßen an diesen Herausforderungen beteiligt, Lösungen zu finden."

    Die Demografie gibt der Branche recht. Es geht um Verlängerung des Lebens, mehr Lebensqualität und mehr Gesundheit und mehr Leistung für den Einzelnen – dank perfekter Medizinprodukte:

    "Das geht von der Optik, über die Feinmechanik, die Elektronik, über die Kunststoffkomponenten, all diese Dinge münden in Medizinprodukte. Es ist immer ein Mix aus vielen Hochtechnologien, die dann in einem Diagnostik- oder Therapiegerät einmünden."

    Sieben Jahre vergehen, ehe eine Idee zum Produkt geworden und auf dem Markt ist, so Volker Wiechmann von der Interessenvereinigung medways in Jena. Die Branche sei unglaublich dynamisch, den meisten Umsatz machen die Hersteller in den ersten drei bis vier Jahren eines Produktes. Analytik habe da einen hohen Stellenwert. Denn nur, was messbar ist, kann auch korrigieret oder verbessert werden. Auch Gerhard Schlemmer sieht deutlich die Chancen des Marktes:

    "Wir sind erstmal ja nur am Rande dieses riesigen Wachstumsmarktes, aber auch dieser Teil ist bereits sehr, sehr aktiv. Die Analysegeräte weltweit machen ungefähr 40 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr. Da gehört viel Life Science dazu, aber auch die klassische Analytik. Das wird manchmal ein bisschen vergessen, dass da ein großer Markt ist, an dem wir nicht so sehr viel partizipieren als deutsche Firmen."

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