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"Bis zum Master durchhalten "

Der Bachelor als Hochschulabschluss soll berufsqualifizierend sein. In der Praxis sieht das anders aus. Die Industrie stellt gegenwärtig nur Physiker mit Diplom oder Masterabschluss ein. Das geht aus der Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft hervor.

Wolfgang Sandner im Gespräch mit Manfred Götzke | 14.03.2011
    Manfred Götzke: Vorgestellt wurde die Studie heute auf dem internationalen Physikerkongress in Dresden vom Präsidenten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Wolfgang Sandner. Herr Sandner, bevor wir auf den Bachelor kommen, lassen Sie uns kurz über die Situation in Japan sprechen: Welche Rolle spielt das Thema auf Ihrem Kongress?

    Wolfgang Sandner: Also ich habe einen guten Freund aus Japan, der hier als eingeladener Sprecher auf der Konferenz sein sollte, der auf dem Weg hierher in Bangkok umkehren musste und seitdem versucht mit seiner Familie in Sendai Kontakt aufzunehmen, was viel schwieriger ist, als sich hier mit uns zu unterhalten. Da gibt es also ganz dramatische Schicksale, und die Tatsache, dass wir eine so große, internationale Konferenz hier haben mit internationaler Beteiligung, heißt natürlich auch, dass wir viele japanische Kollegen hier haben. Zum anderen ist es natürlich so, dass die Physik wieder im Zentrum der Diskussion sieht, wenn es darum geht, fachlich fundierte Aussagen zur Kernkraft und zu dem aktuellen Störfall zu machen, um hier die Diskussion auf eine sachliche Ebene führen zu können, da in den Medien relativ viele auch echte Falschmeldungen existieren offenbar.

    Götzke: Herr Sandner, kommen wir auf unser eigentliches Thema zu sprechen, den Bachelor: Warum wollen die Firmen den Bachelor nicht?

    Sandner: Ja die Firmen sind wahrscheinlich verwöhnt von der Qualität der früheren Diplomphysiker, die sie eingestellt haben, und daher wollen sie momentan - und das ist einfach ein Faktum, was wir empirisch ermittelt haben - keine Bachelor einstellen. Aber das soll nicht heißen, dass sie keine Physiker wollen, sondern sie stellen, besonders gerne und auch mit einer hohen Nachfrage stellen sie Master-Absolventen ein, Master- und noch Diplomabsolventen. Das heißt, der Bachelor als ein Zwischenstadium in dem Studium bringt offenbar noch nicht die Qualifikationen mit sich, die die Firmen zurzeit noch nachfragen. Aber das kann sich in Zukunft auch ändern, also wir können da über die Zukunft nichts aussagen. Aber für die jetzige Zeit ist das offenbar so und wird auch durch viele Eindrücke, die wir unabhängig von der Studie bekommen, jeweils bestätigt.

    Götzke: Andere Branchen sind ja auch etwas unsicher, was die neuen Abschlüsse, den Bachelor angeht, aber eine so breite Ablehnung wie in Ihrer Studie, die ist schon ungewöhnlich. Wie erklären Sie sich das?

    Sandner: Die Ablehnung in der Industrie heißt ja nicht, dass sie keine Physiker will, sondern wenn sie die Wahl hat zwischen einem Bachelor und einem Master, dann nimmt sie einfach den Master. Und das ist momentan die Situation.

    Götzke: Dann ist ja die große Frage: Kann jeder Bachelor auch einen Master machen, einen Master-Abschluss, wie ist da die Situation?

    Sandner: Ja, das ist genau die Frage, und da ist unser Appell an die Politik: Wenn es hier Ressourcenengpässe geben sollte, müssen die sofort abgebaut werden. Wir sehen die noch nicht, aber wir sagen, das könnte ein Problem sein, wenn die Durchlässigkeit vom Bachelor zum Master zum Beispiel durch mangelnde Ressourcen an den Universitäten eingeschränkt würde. Wir sehen auch, um es gleich vorweg zu nehmen, keinen Anlass, und es wäre völlig falsch aus der Studie zu schließen, dass der Physikabschluss insgesamt für eine industrielle Laufbahn junger Menschen uninteressant wäre, ganz im Gegenteil. Die Berufsaussichten für Physikerinnen und Physiker sind ganz ausgezeichnet, nur eben man muss bis zum Master durchhalten und dann - das macht im Übrigen auch Spaß, das Physikstudium -, aber dann hat man ganz glänzende Berufsaussichten.

    Götzke: Die neun größten Technischen Hochschulen in Deutschland fordern ja seit Längerem die Rückkehr zum Diplom in den Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften. Schließen Sie sich jetzt an nach den Ergebnissen Ihrer Studie?

    Sandner: Die Rückkehr zum Diplom - wenn damit der Diplomstudiengang gemeint wird -, das wird von der DPG nicht verlangt, und die DPG legt auch großen Wert auf die Feststellung, dass sie diese Bolognareform für nicht umkehrbar hält. Und wir sehen insbesondere auch aus der Studie überhaupt keinen Anlass dafür, jetzt die Bolognareform insgesamt infrage zu stellen. Nein, das Einzige, was wir sehen, ist, dass der Physik-Bachelor momentan in der Industrie nicht nachgefragt wird. Das ist kein Grund zur Besorgnis, wenn man bereit ist, eben bis zum Master weiter zu studieren, und das heißt auch nicht, dass das für alle Zeiten so bleiben soll. Das kann sich aufgrund äußerer Einflüsse ändern, vielleicht muss sich die Industrie auch erst daran gewöhnen, das wissen wir alles nicht. Wir sehen uns aber in der Verantwortung, unseren Nachwuchswissenschaftlern und Studenten zu sagen: Wenn ihr Physik studieren wollt, was wir sehr unterstützen und was wir auch für sehr aussichtsreich für die persönliche Karriere halten, wenn ihr das wollt, dann bitte bis zum Master. Die Ingenieure, die die Diskussion um das Diplom angefangen haben, mögen das anders sehen, wir als Physiker könnten uns höchstens vorstellen, dass man ein erfolgreiches Master-Studium auch mit dem Titel eines Diplomphysikers versehen kann.

    Götzke: Der Physik-Bachelor ist in der Industrie überhaupt nicht gefragt, sagt Wolfgang Sandner, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.