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Bischofskonferenz
Hohe Erwartungen an den neuen Chef

Die katholischen Bischöfe in Deutschland wählen einen neuen Vorsitzenden für den scheidenden Reinhard Marx. Auf den künftigen Chef warten eine Reihe großer Aufgaben. So steht immer noch ein angemessener Umgang mit den Opfern sexueller Gewalt in der Kirche aus. Zudem fordern Frauenorganisationen mehr Rechte.

Von Anke Petermann | 03.03.2020
02.03.2020, Rheinland-Pfalz, Mainz: Ulrike Göken-Huismann (l), geistliche Begleiterin Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, steht neben Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz
Ulrike Göken-Huismann und Peter Kohlgraf: Kirchliche Frauenverbände wollen Unterschriften für die Forderung einer geschlechtergerechten Kirche an das Präsidium des synodalen Weges übergeben (dpa / Andreas Arnold)
Die Aktion "Lila Stola" und andere Reformorganisationen fordern, dass Frauen alle kirchlichen Ämter und Führungspositionen offenstehen.
"Ich würde mir wünschen dass der neue Bischof weitere reformwillige Bischöfe um sich versammelt." – "Und seine erste Bewährungsprobe wird, glaube ich sein: Wie positioniert sich die Kirche in Deutschland gegenüber den Opfern", so Maria Fromm, die selbst eine lila Stola trägt, und Matthias Katsch vom "Eckigen Tisch". Wie die Frauen, so verlässt auch die Missbrauchsopfer spürbar die Geduld. Die Bischöfe ruderten zurück, wird am Rande der Frühjahrsvollversammlung kolportiert: Sie wollten statt von Entschädigung doch lieber weiter von "Anerkennung des Leides" sprechen. Das wäre Betrug, kommentiert der Sprecher der Betroffenenorganisation.
"Anerkennung ist ja eine symbolische Geste, die sagt, 'Wir sind ja nicht schuld, aber wir wissen, dass dir was Schlimmes passiert ist'. Und deswegen zahlte man in der Vergangenheit Beträge bis 5000 Euro und dagegen müssen wir uns wehren", notfalls, indem man Gottesdienste stört, findet Katsch. Für angemessen halten Opferinitiativen für jahrzehntelanges Leiden nach jahrelangem Missbrauch Entschädigungen in sechsstelliger Höhe.
Priesterweihe trotz fachärztlichem Gutachten
Es gehe um strukturelles Versagen und systematisches Vertuschen – um 'ein Verbrechen vor dem Verbrechen', so formuliert es für sich Sylvia Witte vom Verein 'Missbrauchsopfer Josephinum-Redemptoristen', "dass nämlich der Ordensobere in den 70er Jahren meinen Täter zum Priester geweiht hat, obwohl es ein fachärztliches Gutachten gab, wo dringend davor gewarnt wurde."
Kardinal Marx: "Wir bleiben dran", verspricht Kardinal Marx dem Sprecher des Eckigen Tisches am Rande einer Protestdemo auf dem Mainzer Domplatz. Katsch hakt nach: "Es wäre schade, wenn wir einen Rückschritt erleben würden gegenüber Fulda", der Herbstvollversammlung, bei der sich die Opfer vom Missbrauchsbeauftragten, dem Trierer Bischof Stephan Ackermann, ernst genommen fühlten. Kardinal Marx relativiert.
"Ja gut, da haben wir keine Ergebnisse gehabt" – "Aber von der Stimmung her…"
Stimmung - nicht einklagbar. Vielleicht aber ist das Schlimmste für den neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz gar nicht, dass Betroffene von sexueller Gewalt zu hohe Erwartungen an ihn herantragen. Sondern dass viele von ihm und den anderen Würdenträgern noch nicht mal mehr enttäuscht werden können.
"Ich hoffe natürlich auf eine Entscheidung, aber ich glaube nicht daran. Sondern sie werden aufschieben. Es ist das, was immer gelaufen ist. Und es wird weiter so laufen", prognostiziert Antonius Kock, der seiner Kirche trotz des erlittenen Missbrauchs treu bleiben will. Anders als Martin Schmitz, der austrat. Und wütend ist, weil Missbrauchsopfer versterben, ohne dass die katholische Kirche etwas für sie getan hat.
"Wir wollen auch Verantwortung übernehmen"
Hoffnungen wecken die katholischen Bischöfe und ihr neuer Vorsitzender immerhin noch bei Frauenorganisationen.
"Wir wären auch gern mal die 'ersten Dienerinnen'. Aber wir wollen nicht nur dienen, wir wollen auch Verantwortung übernehmen in unserer Kirche", betont Mechthild Heil, Bundesvorsitzende der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Auf dem Mainzer Domplatz bestärkt ein Mann die protestierenden Frauen: Thomas Sternberg vom Zentralkomitee der deutsche Katholiken, dem Dach der Laienverbände. Er zitiert die Osnabrücker These eines wissenschaftlichen Kongresses zu 'Frauen in kirchlichen Ämtern' 2017:
"Nicht die Weihe von Frauen ist begründungspflichtig, sondern der Ausschluss – und das stellt die Sache auf die Füße. Auch dann, wenn wir wissen, wir sind nur zwei Prozent der Katholiken weltweit - die Fragen müssen diskutiert werden. Auch dazu dient der Synodale Weg."
Wie energisch oder zögerlich die deutschen Bischöfe den Weg der Reformen mit einem neuen Vorsitzenden beschreiten, das entscheidet sich jetzt in Mainz.