Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Bischofssynode
Graben zwischen Reformern und Traditionalisten

Geschiedene und Homosexuelle haben in der katholischen Kirche einen schweren Stand. Ob sich das ändern lässt, sollten die Bischöfe nun auf einer von Papst Franziskus einberufenen Synode klären. Trotz des Grabens zwischen progressiven und konservativen Katholiken – die Synode zeigte, dass öffentliche und offene Diskussionen möglich sind.

Von Thomas Migge | 21.10.2014
    Die Bischöfe Walter Kasper und Gianfranco Ravasi unterhalten sich am Ende einer Besprechung im Rahmen der Synode.
    Walter Kasper und Gianfranco Ravasi - der Reformkurs der beiden Bischöfe wurde bei der Synode mehr als kritisch beäugt. (picture alliance / dpa / Fabio Frustaci / Eidon)
    "Zweifelsfrei muss die Kirche, was diese heiklen Punkte angeht, wie Homosexualität und die Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion, für alle Menschen offen sein, ein Haus mit offenen Türen sein. Sie muss offen sein, zuzuhören. Sie muss bereit sein, die Veränderungen der Gesellschaft wahrzunehmen."
    Gianfranco Ravasi, Kardinal, vatikanischer Kulturminister, Papstvertrauter und Mitglied der außerordentlichen Familiensynode, scheint sich Mut machen zu wollen. Der von Ravasi mitgetragene Reformkurs ging nicht siegreich aus der Synode hervor.
    Die 191 Synodalväter haben, Paragraf für Paragraf, über jeden einzelnen Punkt des Abschlussdokuments per Knopfdruck abgestimmt. Als von der Synode angenommen galt ein Paragraf, wenn er eine Zweidrittelmehrheit erhielt. Und diese Mehrheit erhielten die beiden wichtigsten Streitpunkte der Synode nicht; und zwar die Forderung nach einer vorsichtigen Öffnung gegenüber homosexuellen Menschen und Lebensgemeinschaften sowie die Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion. Zwei Punkte, die gerade den Reformern unter den Synodalvätern, vor allem dem deutschen Kurienkardinal Walter Kasper, ein enger Vertrauter von Papst Franziskus, besonders am Herzen liegen.
    "Eine Veränderung des Blickes"
    Auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn gehört zu den Reformern: "Die Lehre ist unveränderlich. Aber es gibt eine Veränderung des Blickes. Eine Veränderung nicht nur darüber zu reden, sondern damit umzugehen."
    In diesem Sinn fielen auch die Synodalbotschaft und der Abschlussbericht der außerordentlichen Familiensynode aus. "Christus hat gewollt", heißt es in der Synodalbotschaft, "dass seine Kirche ein Haus ist, das immer eine offene Tür hat, ohne jemanden auszuschließen". Die katholische Kirche, so das offizielle Fazit des Abschlussberichts, heißt jeden willkommen. Heikle Themen spricht der Bericht allerdings nicht an.
    Die Botschaft wie auch der Abschlussbericht enthielten keine Hinweise auf die zum Teil scharfen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fraktionen, die sich während der Synode gegenüberstanden – zwischen den Befürwortern einer Reform und den Traditionalisten, zu denen unter anderem Gerhard Ludwig Müller gehört, oberster Glaubenswächter der katholischen Kirche. Er hatte immer wieder betonte, dass "weder die Kardinäle noch die Bischöfe und auch nicht der Papst die Doktrinen der Kirche verändern können".
    Aussagen des Zwischenberichtes fehlen
    Der mit großer Spannung erwartete Abschlussbericht der Synode enthielt nicht mehr die erstaunlich offenen Aussagen des synodalen Zwischenberichts von vergangenem Montag. Darin war zum Beispiel die Rede von den "Gaben und Eigenschaften" Homosexueller, die die "Kirche bereichern können".
    Aussagen dieser Art sorgten bei den traditionell orientierten Synodalvätern nicht nur für scharfe Reaktionen. Wie die italienische Tageszeitung "Corriere della sera" am Sonntag enthüllte, scheinen sich einige der Traditionalisten während der Synode an den emeritierten Papst Benedikt XVI. gewandt zu haben. Mit der Bitte, Position gegen die Reformwilligen zu beziehen. Benedikt XVI. soll sie aber ohne viele Worte an seinen Nachfolger verwiesen haben, denn, so wird Ratzinger zitiert, der Papst sei Franziskus.
    Auch wenn der Abschlussbericht gemäßigter ausfiel als der eher reformorientierte Zwischenbericht, bezeichnete Kardinal Kasper die außerordentliche Synode als "gewaltigen Schritt nach vorn". Vor allem weil zum ersten Mal überhaupt bei einer Synode ganz offen auch heikle Themen diskutiert wurden.
    Christian Weisner von der Laienorganisation "Wir sind Kirche" ist, jedenfalls auf den ersten Blick, mit dem Abschlussbericht zufrieden: "Es kommt jetzt darauf an, dass wir auch in den einzelnen Ländern, wie in Deutschland, dass wir diese Debatte weiter führen, dass wir konkrete Lösungen anbieten, wie soll es mit geschiedenen Wiederverheirateten weitergehen, wie sollen Homosexuelle in der Kirche nicht nur anerkannt, sondern auch integriert werden."
    Traditionalisten gegen Reformer
    Die Synode machte deutlich, dass zwischen Traditionalisten und Reformen ein tiefer Graben besteht. Es liege jetzt, so der römische Vatikanexperte Sandro Magister vom Wochenmagazin "L'Espresso", "beim Papst, die beiden Seiten zusammenzubringen, um den zukünftigen Kurs der Kirche zu bestimmen."
    Der Abschlussbericht dient als Arbeitsgrundlage der ordentlichen Synode im kommenden Jahr. Nach diesem Treffen wird der Papst Entscheidungen treffen. Ob er diese gegen die, wie bei dieser Synode klar wurde, Mehrheit der Synodalväter treffen wird, die die traditionellen Werte der Kirche verteidigen, ist noch unklar.
    Verschiedene italienische Tageszeitungen gingen am gestrigen Montag der Frage nach, wer denn nun die Verlierer und Gewinner der Synode sind. Eine nicht unberechtigte Frage, so Vatikanexperte Marco Politi, "denn die von Franziskus eingeforderte offene Diskussion zeigt ganz offensichtlich, dass die Kirche zwei Seelen in ihrer Brust trägt". Traditionalisten und Reformer stehen sich, auch das wurde auf der Synode deutlich, nicht gerade freundlich gegenüber.
    Immer wieder, so Politi, dessen neuestes Buch mit dem Titel "Franziskus unter Wölfen" in Italien für Aufsehen sorgt – mit den "Wölfen" meint der Vatikanexperte die kircheninternen Papstkritiker – greifen diese besonders hart den Kardinal Kasper an. Marco Politi erklärt auch warum das so ist:
    "Offiziell ist das Ziel der Attacken Kardinal Kasper, aber, wie Kardinal Kasper selbst gesagt hat, das ist nur ein Vorwand; wer unter Beschuss ist, das ist Papst Franziskus. Dass eben fünf Kardinäle gegen die päpstliche Linie so eklatant auftreten, ist etwas, was man seit den Zeiten des Konzils nicht mehr gesehen hat."