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Bisex oder Unisex?

Männer und Frauen sind gleich, auch beim Abschluss einer Versicherung. So sieht es eigentlich ein neues Gesetz vor, das ab dem 21. Dezember gilt. Das tritt aber nun vorerst doch nicht in Kraft, Versicherungen können also Unisex-Tarife anbieten, müssen es aber nicht. Dementsprechend groß ist die Verwirrung bei den Verbrauchern.

Von Annette Eversberg | 21.12.2012
    Der Bundesratsbeschluss sorgt erst einmal für Rechtsunsicherheit. Denn er hat dazu geführt, dass die europäischen Vorschriften über die Unisex-Tarife bei Versicherungen in Deutschland zunächst nicht in Kraft treten können. Es gilt noch immer das nationale Recht. Danach werden Frauen und Männer bei den Versicherungstarifen nicht gleich behandelt.

    Trotzdem sollen die Unisex-Tarife pünktlich angewendet werden. Und zwar ab heute. Das sagen das Bundesfinanzministerium und der Branchenverband der Versicherer GDV. Das kann eine Kraftfahrzeugversicherung für Frauen teurer machen. Für Männer kann eine Risikolebensversicherung dagegen günstiger werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin – warnt durch ihre Sprecherin Kathi Schulten sogar die Versicherer davor, die alten Tarife weiter anzuwenden.

    "Die BaFin sieht große Rechtsrisiken für die Unternehmen, wenn sie auch weiterhin Tarife anbieten, die nach dem Geschlecht differenzieren. Darum setzen wir uns in Verbindung mit den Verbänden dafür ein, dass die Unisex-Tarife nach dem 21. Dezember europarechtskonform eingeführt werden."

    Dem Bund der Versicherten in Henstedt-Ulzburg reicht diese Absichtserklärung zugunsten der neuen Unisex-Tarife jedoch nicht. BdV-Vorstandsvorsitzender Axel Kleinlein.

    "Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit so sein, dass die meisten Versicherer hauptsächlich Unisextarife anbieten werden. Ob tatsächlich alle die Unisex-Tarife anbieten werden, steht noch im Zweifel. Außerdem ist nicht ganz klar, wie die aufsichtsrechtliche Lage ist bei den Unisextarifen, denn in Einzelfällen widersprechen die Unisex-Tarife dem, was nach gegenwärtiger Gesetzeslage Recht und Ordnung ist."
    Die Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass Aufsichtsbehörden und Branchenverbände derzeit nur Empfehlungen ausgesprochen haben. Dies sei kein Verbot, die alten Tarife nach nationalem Recht weiter anzuwenden. Das bedeute: Die Versicherer müssen sich daran nicht halten und können die alten Tarife für Männer und Frauen vorerst weiter anbieten. Und nach altem Recht sind die günstigeren Unisex-Tarife nach Ansicht des BdV sogar nicht unbedingt erlaubt. Axel Kleinlein:

    "Es ist ja so, dass die Aufsichtsbehörde darauf achten muss, dass die Versicherer auskömmlich kalkulieren. Das heißt, die Prämie muss grundsätzlich hoch genug sein, damit die Versicherungsleistung im Schnitt auch bezahlt werden können. Die Prämie darf ruhig überhöht sein aus der Sicht der Aufsichtsbehörde, aber eben nicht zu niedrig."

    Im Falle einer für Frauen günstigeren Rentenversicherung würde das bedeuten: Die Aufsichtsbehörde dürfte den günstigeren Tarif nach dem alten Gesetz eigentlich nicht genehmigen, meint der Bund der Versicherten. Wer jetzt unbedingt eine Versicherung abschließen muss, weil er ein neues Auto gekauft hat, dem rät Axel Kleinlein.

    "Er sollte auf jeden Fall sich vor allen Dingen schriftlich bestätigen lassen, ob es sich um einen Unisex- oder um einen Bisex-Tarif handelt, damit man später nachvollziehen kann, was denn hier tatsächlich vereinbart wurde."

    Sollte man noch einen geschlechtsspezifischen Tarif vereinbart haben, der nach dem neuen Gesetz ungünstiger ist, kann man später auf günstigere Konditionen klagen. Wenn der Bundesrat das neue Unisex-Tarif-Gesetz bestätigt hat. Dabei kommt es jedoch immer auf den Einzelfall an. In diesem Gesetzeswirrwarr raten Verbraucherschützer aber, sich auf jeden Fall genau zu überlegen, ob man jetzt überhaupt eine Versicherung abschließen muss.

    "Man sollte sich an erster Stelle danach richten, ob man den Vertrag überhaupt benötigt, ob der Vertrag zu einem selber passt, ob der Versicherungsschutz überhaupt notwendig ist. Der Unisex oder Bisex, je nachdem, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle und sollte nicht das entscheidende Kriterium für oder gegen einen Vertrag sein."