Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

BKA-Gesetz
"Man hat den Eindruck, sie hätten das Gesetz gerne selbst geschrieben"

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster ist erleichtert über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz. Es habe Überwachungsmaßnahmen im Anti-Terrorkampf grundsätzlich für zulässig erklärt, sagte Schuster im DLF. Doch er übte auch Kritik an den vielen Vorgaben des Gerichts.

Armin Schuster im Gespräch mit Jochen Spengler | 20.04.2016
    Ausschussmitglied Armin Schuster (CDU) gibt am 05.02.2015 in Berlin in einer Pause der Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin ein Statement ab. Foto: Maurizio Gambarini/dpa
    Der CDU-Politiker Armin Schuster warnt vor mehr Bürokratie durch die Entscheidung der Richter. (picture alliance/dpa - Maurizio Gambarini)
    Die vielen Einwände des obersten deutschen Gerichts vermittelten den Eindruck, "sie hätten das Gesetz gerne selbst geschrieben", so Schuster. Grundsätzlich hält er die Einwände aber für in Ordnung. Es sei "kein Hexenwerk" diese konkreten Änderungen jetzt umzusetzen.
    Das Bundesverfassungsgericht hatte das BKA-Gesetz teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die Befugnisse der Behörde zur heimlichen Überwachung greifen in der Praxis unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger ein, weshalb das BKA-Gesetz bis Ende Juni 2018 stark nachgebessert werden muss. Grundsätzlich halten die Verfassungsrichter die Regelungen mit den Grundrechten für vereinbar.
    Weil das Gesetz weiter gültig bleibe, sei er über das Urteil erleichtert, sagte Armin Schuster. Eine Entscheidung in die andere Richtung wäre "unfassbar" gewesen - gerade mit Blick auf die Bedrohung durch Terroristen.
    Warnung vor mehr Bürokratie
    Doch der CDU-Innenpolitiker warnte auch vor mehr Bürokratie durch die Vorgaben der Richter, etwa beim Umgang mit den gewonnenen Überwachungsdaten, die künftig durch eine unabhängige Stelle geprüft werden sollen.
    Aus seiner Sicht hätte das Verfassungsgericht den Sicherheitsbehörden aber mehr Vertrauen entgegenbringen und weniger Vorgaben machen können. Daten im Rahmen der Anti-Terror-Überwachung würden nur in wenigen Fällen und behutsam erhoben.

    Das Interview in voller Länge:
    Jochen Spengler: Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesverfassungsgericht die Befugnisse von Ermittlungsbehörden einschränkt in der Abwägung zwischen dem Datenschutz für Bürger und dem Datenschatz für die Behörden. Deswegen war es keine Überraschung, dass die Karlsruher Richter heute das BKA-Gesetz in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt haben.
    Am Telefon begrüße ich nun Armin Schuster, den CDU-Obmann im Bundestags-Innenausschuss. Guten Tag, Herr Schuster.
    Armin Schuster: Guten Tag, Herr Spengler.
    Spengler: Um eine Formulierung aus dem Bericht aufzugreifen. Maßt sich das Gericht die Rolle des Gesetzgebers an?
    Schuster: Ich würde es jetzt nicht so hart formulieren. Ich sage mal, vielleicht etwas mit ein bisschen verschmitztem Lächeln: Man hat den Eindruck, sie hätten das Gesetz gern selbst geschrieben. Aber es erleichtert uns die Arbeit, das muss man ganz deutlich sagen.
    Spengler: Na ja. Erst mal macht es die Arbeit zunichte, die Sie ja schon hinter sich haben. Können Sie denn den Spruch aus Karlsruhe nachvollziehen? Das sind ja doch ziemliche Einschränkungen. Oder glauben Sie, dass die Verfassungsrichter die Terrorgefahr generell unterschätzen?
    Schuster: Nein. Ich habe erst mal großes Durchatmen und ein bisschen gemischte Gefühle.
    Spengler: Warum?
    Schuster: Großes Durchatmen, weil wir in Zeiten schwerer Terrorismusgefahren aus Karlsruhe ein klares Signal bekommen haben. Das ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, was wir mit dem BKA bei der Befugniserweiterung in Richtung Gefahrenabwehr gemacht haben. Das was jetzt an Beanstandungen festgestellt wurde, führt ja nicht dazu, dass das Gesetz nichtig ist, sondern wir dürfen bis 30. 6. 2018 ausbessern, und das wird kein Hexenwerk sein. Deswegen habe ich grundsätzlich erst mal gesagt, Durchatmen.
    Spengler: Durchatmen, um noch mal dabei zu bleiben. Ein Novum dieses Gesetzes war ja, dass das Bundeskriminalamt erstmals Befugnis bekam, auch zur Gefahrenabwehr tätig zu werden, und das ist eigentlich bestätigt worden jetzt.
    Schuster: Stellen Sie sich mal vor, in diesen Zeiten hätten wir jetzt ein anderes Urteil erhalten. Das heißt, das BKA darf nicht zur Gefahrenabwehr bei terroristischen Gefahren tätig werden. Das wäre ja unfassbar gewesen. Von daher bin ich schon mal sehr froh.
    Spengler: Aber Sie sind nicht nur froh, sondern Sie haben auch ein paar Einschränkungen?
    Schuster: Ja. Zweitens: Was mir auch gut gefällt, das war auch einer der Gründe der Beschwerdeführer. Die wollten ja eigentlich die Online-Durchsuchung und die Quellen-Telefonüberwachung als nicht verfassungsgemäß eingestuft bekommen, dass man es abschafft, ähnliches Vorgehen wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Auch hier sind die Beschwerdeführer gescheitert. Wir haben diese beiden wichtigen Mittel weiterhin, genau wie die Vorratsdatenspeicherung. Von daher dickes Plus erst mal hinter das Urteil.
    Warum gemischte Gefühle? Ich sage mal, Sie sehen schon: Es geht ja im Wesentlichen um den Paragraphen 20 des BKA-Gesetzes und der untergliedert sich in Paragraph 20a bis k.
    Spengler: Das müssen Sie uns jetzt ein bisschen näher erläutern. Das hat keiner im Kopf, was der Paragraph 20 bedeutet.
    Schuster: Ja. Das sind all diese Gefahrenbefugnisse, über die wir jetzt sprechen. Und jetzt können Sie sich schon vorstellen, wenn ein Paragraph von a bis k geht, wie bleiern das jetzt schon ist, weil wir unglaublich viele Anforderungen schon gestellt haben, die das BKA binden. Das sind alles Vorschriften, dass das ja grundrechtskonform ist, und das wurde jetzt noch mal verschärft.
    "Eine gewisse Bürokratiewüste ist es schon"
    Spengler: Heißt das in der Praxis, dass dieses Gesetz eigentlich gar nicht handhabbar ist, weil es zu viele Vorschriften gibt, die beachtet werden müssen?
    Schuster: Nein. Ich glaube, dafür sind sowohl Gesetzgeber wie auch die Sicherheitsbehörden dann doch zu geschickt, es jetzt so auszugestalten, dass es grundrechtskonform bleibt, verbessert wird und wir noch zurechtkommen. Aber ich mache keinen Hehl daraus: So ein bisschen eine Bürokratiewüste ist es natürlich schon. Wenn Sie sich vorstellen, dass wir jetzt künftig eine externe Stelle damit beauftragen müssen, außerhalb des BKA, zunächst einmal den Befund darüber zu fällen, ob gewonnene Daten verwendet oder übermittelt werden dürfen, das verkompliziert natürlich vieles. Ich sage mal, grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass das Gericht geurteilt hat, als würden wir hier Schleppnetz-Datenerhebung machen im großen Stil, und all unsere Evaluierungen, die wir ja ohnehin schon immer machen, ergeben aber, dass die Sicherheitsbehörden extrem sensibel und verfassungskonform mit diesen Dingen umgehen. Wir arbeiten nicht mit einem Schleppnetz, wir arbeiten eher mit der Harpune. Die Anzahl der Betroffenen ist extrem klein. Die Taten, um die es geht, sind besonders gefährlich, insbesondere Terrorismus. Von daher, glaube ich, hätte ich mir ein bisschen mehr Vertrauen in die Rechtsanwendung der Sicherheitsbehörden gewünscht.
    Spengler: Der Bundesinnenminister hat ja vor Gericht argumentiert, dass es seit 2009 erst ein einziges Mal überhaupt eine Online-Überwachung eines Computers gegeben hat aufgrund dieses Gesetzes und nur vier Fälle einer Kommunikation- und Internetüberwachung. Da stellt sich dann doch die Frage: Wieso braucht man denn überhaupt so ein Gesetz?
    Schuster: Weil einer dieser Fälle die Düsseldorfer Zelle war. Und wenn die Tat, die die begehen wollten - die wollten ja einen spektakulären Terroranschlag in Deutschland begehen und das war auch in einer konkreten Vorbereitungsphase -, hätte der stattgefunden, würde niemand mehr darüber sprechen, ob man das braucht. Zum Glück haben wir das, zum Glück hat das BKA es auf dem Schirm gehabt und konnte mit diesen Befugnissen den Anschlag verhindern.
    Wird dem BKA übergroßes Misstrauen entgegengebracht?
    Spengler: Aber nur bei vier Fällen, wieso ist man als Gesetzgeber dann nicht von vornherein auf Nummer sicher gegangen und hat gesagt, na gut, wenn wir überwachen, dann lassen wir das von vornherein von einem Richter genehmigen?
    Schuster: Ich deute es eben anders herum. Die Sicherheitsbehörden, oder nehmen wir hier mal das Bundeskriminalamt, leben die Gesetz so, wie sie heute festgelegt sind, verfassungskonform aus. Das heißt, wenn das Verfassungsgericht sagt, wie jetzt, wir wollen stärker beschrieben haben das individuelle Verhalten des Täters, die konkrete Wahrscheinlichkeit eines Anschlags in überschaubarer Zukunft, dann ist das etwas, was wir jetzt reinschreiben werden. Aber ich sage es mal ganz offen: Genau so gehen Polizeibeamte des BKA heute schon vor. Sie müssten ihnen das nicht vorschreiben. Für mich ist es eine Frage, diese Verhältnismäßigkeitsabwägung, wie stark vertraust Du denn in die Stellen, die Recht auslegen, und da habe ich irgendwie den Eindruck, dass es in Deutschland wirklich keinen Anlass gibt, jetzt mit übergroßem Misstrauen dem BKA zu begegnen. Die geringe Zahl der Fälle spricht dafür, wie sensibel die Beamten dort damit umgehen.
    Spengler: Herr Schuster, verstehe ich Sie richtig, dass Sie sich nun daran machen, das Gesetz so umzuformulieren, dass es 2018 dann das jetzige Gesetz ablösen kann, dass es dann verfassungskonform ist und dass es eigentlich nur das festschreibt, was jetzt schon Praxis ist?
    Schuster: Ich bin ziemlich sicher, dass es für uns jetzt im Bereich des Innenministeriums und Justizministeriums eine intensive handwerkliche Arbeit sein wird, das in die Gesetze so reinzubringen, dass wir nicht den Behörden zu sehr Fesseln anlegen und Korsetts, gleichzeitig vor Karlsruhe bestehen. Das werden wir schaffen wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Und letztendlich vermute ich ganz stark, dass wir in vielen Fällen etwas niederschreiben, was heute schon so Praxis ist. Das gilt aber ausdrücklich nicht für Sonderanforderungen, ich sage mal Richtervorbehalt bei Observationen unter einem Monat. Das hätte ich jetzt nicht ohne weiteres für notwendig erachtet, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz oder wen auch immer, ein Gericht noch mal mit Datenprüfungen zu beauftragen, bevor das BKA die benutzen darf. Das wird es verkomplizieren, das wird es auch verlangsamen.
    Spengler: Ist es denn realistisch, dass Sie das Gesetz, diese Änderung bis Mitte 2018 auf den Weg bringen?
    Schuster: Ja, da bin ich ganz sicher. Weil das ist der Vorteil dieser sehr, sehr detaillierten Arbeit des Verfassungsgerichts. Es ist wie gesagt kein Hexenwerk, das umzusetzen, so konkret, wie die Vorgaben sind.
    Spengler: … sagt Armin Schuster, Bundestagsabgeordneter der Union, Sicherheitspolitiker. Herzlichen Dank für Ihre Zeit, Herr Schuster.
    Schuster: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.