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Black Marble und Whitney
Die Kunst des Coverns

Dank Formaten wie "Sing meinen Song", der BBC "Live Lounge" oder den "Spotify Sessions" sind Coversongs gerade so beliebt wie nie. Kein Wunder also, dass die beiden Bands Whitney und Black Marble jetzt zwei Cover-Platten veröffentlicht haben. Sie zeigen: Covern hat seine Tücken - und es bildet.

Von Mike Herbstreuth | 22.08.2020
Der Musiker Chris Stewart alias Black Marble steht vor einer Wand und schaut seitlich an der Kamera vorbei.
Für Chris Stewart alias Black Marble ist Covern eine Art Songwriting-Schule (Ashley Leahy)
Gecovert wurde im Pop schon immer gerne – und es kam schon öfter vor, dass ein Cover erfolgreicher wurde als das Original. Zum Bespiel Johnny Cashs Version von "Hurt" von den Nine Inch Nails oder auch Jeff Buckleys Cover von "Hallelujah" von Leonard Cohen.
So einen Legenden-Status werden die Cover-Version auf dem neuen Album "Candid" von Whitney wahrscheinlich nicht bekommen - aber das war auch gar nicht Ziel des Projekts, sagt Max Kakacek, eine Hälfte des Duos Whitney in der Sendung Tonart im Deutschlandfunk Kultur.
"Das Album war einfach eine schöne Möglichkeit für uns, Musik zu machen und das innerhalb der Band zu genießen. Es gab keinen Stress, und das war das Erfrischende daran. Wenn man sonst als Künstler ein Album aufnimmt, steht man unter einem gewissen Druck. Bei "Candid" konnten wir(?) mit der Musik spielen. Es war eine Woche von Gelöstheit und Spaß, die wir in den Songs dokumentierten."
Aus pulsierendem R'n'B wird sanfter Folk
Whitney haben eingespielt, was immer ihnen am jeweiligen Tag in den Sinn gekommen ist. Morgens wurde der Song ausgesucht, abends war die Produktion schon fertig. Zum Beispiel haben sich Whitney den pulsierenden R'n'B-Song "Bank Head" von Kelela vorgenommen und daraus einen sanft schwebenden Folk-Song gemacht.
Auch die 90er Jahre R'n'B-Gruppe SWV wurde gecovert, genauso wie David Byrne, Brian Eno oder John Denver.
"Ich denke, das Album half uns als Band näher zusammenzuwachsen. Wir waren vorher nicht so eng miteinander befreundet. Songs aufzunehmen, die nicht unsere eigenen waren, gab uns eine gewisse Freiheit - einen Schritt zurückzutreten und uns darauf zu konzentrieren, wie wir im Studio zusammenarbeiten und performen. Deshalb haben wir vielleicht auch nur eineinhalb Wochen für die Aufnahmen zum Album gebraucht. Wir haben einfach Musik zusammengemacht und geschaut, was wir dabei voneinander lernen können."
Und das Cover-Album hatte für Whitney noch einen anderen Sinn – die Band wollte wieder in den Rhythmus kommen für die Studioarbeit, so Kakacek im Dlf Kultur.
Covern als Training
"Wir hatten damals mehrere Monate Tour-Alltag hinter uns und waren lange nicht im Studio. Und ehrlich gesagt, hatten wir einfach Spaß dabei, Songs aufzunehmen."
Einen ganz anderen Ansatz für seine EP mit Covern hatte Chris Stewart, der unter dem Namen Black Marble Musik macht. Stewart hat sich direkt nach der Produktion des aktuellen Black-Marble-Albums "Bigger Than Life" an die Produktion der Cover-EP "I Must Be Living Twice" gesetzt.
"Es war ideal das direkt nach der Fertigstellung des letzten Album quasi noch hinten dran zu packen. Man ist dann noch total im Flow und es läuft wie geschmiert. Ich bin nach einer Albumproduktion nicht ausgebrannt oder so, ich könnte ewig weitermachen. Und dieses Momentum habe ich genutzt. Und ich konnten dann auch all die Tricks und neuen Werkzeuge benutzen, die ich beim Herumexperimentieren für das letzte Album noch auf die harte Tour lernen musste, mit viel Trial And Error."
"Einblick in den Schreibprozess anderer Musikerinnen"
Stewart hat für "I Must Be Living Twice" Cover aufgenommen, die er in den letzten Jahren immer wieder in Live-Sets eingebaut hat. Songs, die ihm viel bedeuten - darunter Musik von der britischen 80er-Jahre-Indie-Band wie The Field Mice, der Postpunk-Band Wire oder der Songwriterin Grouper. Oft seien nach Konzerten Fans auf ihn zugekommen und hätten gefragt, ob das neue Songs von ihm seien oder ob es die bald irgendwo zu kaufen gäbe. Das Album ist also zum einen Fan-Service, zum anderen Hommage - aber die Produktion dieser Coversong hatte für Black Marble noch eine andere, praktische Seite. Sie helfen laut Stewart beim Nachdenken über Musik.
"Es macht Spaß, Songs zu covern, weil man als Songwriter einen Einblick in den Schreibprozess von anderen MusikerInnen bekommt. Und es fällt einem auf, wie komplett unterschiedlich andere KüntlerInnen Songs schreiben. Man lernt dabei eine Menge über das Handwerk. Denn die Songs anderer MusikerInnen entwickeln sich manchmal in Richtungen, die man selbst niemals eingeschlagen hätte."
Einer dieser Songs, die Stewart eine neue Perspektive aufs Songschreiben gegeben haben, ist ein Song des britischen Musikers Robert Palmer, bekannt durch den Hit "Addicted To Love". Stewart hat sich von den britischen Rockstar allerdings den unbekannteren Song "Johnny And Mary" vorgenommen - und das nicht als einziger. Auch Musiker wie Placebo, The Notwist oder Bryan Ferry haben sich schon an Covern von "Johnny And Mary" versucht.
Warum es gerade dieser Song so vielen unterschiedlichen Musikern so angetan hat, hat laut Stewart mit dem Mythos Robert Palmer zu tun.
Der Akt des Sich-zu-eigen-Machens
"Beim Namen Robert Palmer hat man diesen großen 80er-Jahre-Rockstar im Kopf. Aber 'Johnny And Mary' klingt komplett anders als die Songs, die man sonst von Palmer kennt. Fast schon wie eine obskure Synthie-Pop-Platten, die irgendwer in seinem Schlafzimmer aufgenommen hat und die auf einem Mini-Label veröffentlicht wurde, das nach einer Handvoll Releases Anfang der 80er in der Versenkung verschwunden ist. Und ich finde einfach sehr interessant, wie Palmer mal geklungen hat, bevor er dieser Superstar wurde. Der Song hat nämlich eine gewisse Reinheit. Und es untermauert diese Theorie, dass berühmte MusikerInnen die beste Musik gemacht haben, bevor sie Superstars wurden und komplett von sich selbst überzeugt waren. Mich spricht dieser Kontrast zwischen dem Sound damals und dem Bild des späteren Stars Robert Palmer an, und vielleicht geht es anderen MusikerInnen ja genauso."
Dabei orientiert sich Stewart bei den Covern auf "I Must Be Living Twice" relativ nahe an den Originalversionen der Songs. Es gäbe zwar auch Cover-Versionen, die sich sehr weit vom Original entfernen und die er gut findet, aber:
"Ich mag diese Songs, die ich gecovert habe, und habe mich einfach gefragt, wie es wohl klingen würde, wenn ich sie spiele. Alleine dadurch mache ich mir sie schon zu eigen. Und so richtig erschließt sich mir auch nicht der Sinn darin, komplett andersklingende Songs daraus zu machen. Mein Ziel ist nicht, irgendjemanden damit zu beeindrucken, wie ich irgendwas auseinandernehmen oder neu arrangieren kann. Ich habe das Gefühl, wenn andere MusikerInnen sich bei Covern zu sehr vom Original entfernen, hat das auch oft etwas mit Unsicherheit zu tun. Ich habe mich weitestgehend an die ursprüngliche Notation gehalten, aber meine eigene musikalische Persönlichkeit kommt trotzdem durch."
"Gute Lektion, die ich beim Covern gelernt habe"
So unterschiedlich die Herangehensweise von Black Marble und Whitney an ihre Cover-Platten auch sein mag, so unterschiedlich die Gründe für die Auswahl der Songs – einig sind sie sie sich, dass die Produktion dieser Cover-Alben ihren zukünftigen Arbeitsprozess beeinflussen wird. Max Kakacek:
"Wie immer lernt man von jedem neuen Aufnahmeprozess. Gerade Songs wie das Kelela-Cover führen vielleicht dazu, dass wir zukünftig als Whitney stärker in Richtung RnB arbeiten als zum Beispiel in Richtung Country."
Und Chris Stewart findet: "Ich denke beim Schreiben meiner Songs zum Beispiel oft: Oh, die Stelle hier könnte zu langweilig sein, das ist nicht komplex genug. Aber mittlerweile weiß ich: Es kommt nicht darauf an, wie viele Noten man schreibt, sondern darauf, welches Gefühl der Song vermittelt. Und das kann auch ein sehr einfaches Stück Musik. Das ist zum Beispiel eine sehr gute Lektion, die ich bei den Aufnahmen der Cover gelernt habe."