Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Blatt-Gold in den Kessel
Laub und Pferdemist werden in Ibbenbüren zu Briketts gepresst

Energietechnik. - Fallendes Laub ist vor allem Ärgernis und Kostenfaktor. In Ibbenbüren macht man daraus einen Brennstoff. Hier presst man Laub und andere Stoffe, wie etwa Pferdemist zu Briketts, die im Biomassekessel verfeuert werden.

Von Ines Rutschmann | 04.07.2014
    Ein Zierahornbaum mit feuerrotem Herbstlaub und ein Ginkobaum mit gelben Herbstlaub stehen in Düsseldorf im Japanischen Garten des EKO-Hauses - Haus der Japanischen Kultur
    Nach der herbstlichen Pracht könnte Laub auch in die Brikettmaschine wandern. (picture alliance / Horst Ossinger)
    In einer Maschinenhalle im westfälischen Ibbenbüren wird Brennstoff produziert. Briketts in Form von flachen Zylindern purzeln aus der Presse. Sie sind handtellergroß und braunscheckig, sehr leicht und lassen sich mit den bloßen Händen zerbröseln. Grashalme und Holzspäne fallen zu Boden. Es riecht nach Heu und ein bisschen nach Stall. Die Nase trügt nicht: Das, was die Maschinen verarbeiten, ist Pferdemist. Die gewonnenen Briketts haben einen Heizwert knapp unter dem von trockenem Holz und können in jedem größeren Biomassekessel verfeuert werden. Den Produktionsprozess entwickelt hat Tobias Peselmann. Sein Ingenieurbüro Netz GmbH betreibt die Versuchsanlage in Ibbenbüren.
    "Wir haben gearbeitet mit Stroh, mit Torf, mit Pferdemist, mit Grünschnitt und aktuell haben wir gerade ein gefördertes Projekt, da geht es um Wiesenmahd."
    Angefangen hat aber alles mit Laub. Rund 500 Tonnen werfen die Bäume in Ibbenbüren im Herbst ab. Das Kompostieren macht viel Arbeit und so suchte die Stadt vor knapp drei Jahren nach einer Verwendung für all die Blätter. Tobias Peselmann schlug vor, das Laub zu trocknen und damit zu heizen. "Blatt-Gold" tauften die Beteiligten das Projekt. Aus 500 Tonnen Laub entstanden so in zwei Saisons 250 Tonnen Briketts. Bei deren Verfeuerung erzeugte die Stadt rund eine Million Kilowattstunden Wärme – diese Energie steckt auch in 100.000 Litern Heizöl. Einfach war die Herstellung des Brennstoffs für Tobias Peselmann nicht. Das Laub muss trocken sein, damit es nicht fault. Es braucht aber eine gewisse Feuchte, damit es sich ohne Kleber oder Bindemittel pressen lässt.
    "In der Regel muss ich die Biomasse unter 20 Prozent Feuchtegehalt bringen. Und dann, nach der Trocknung ist es wichtig, das Material abzusieben, weil wenn ich Sand drin habe, hole ich mir Schlacke in den Kessel."
    Bei der Trocknung hat sich Tobias Peselmann für einen Schubwendetrockner entschieden: Warme Luft strömt von unten in einen tonnenartigen Behälter. Auf dem starren Boden liegt das Laub und wird regelmäßig von Schaufeln gewendet. Ein Hackschnitzelkessel liefert etwa 80 Grad warme Luft. Trotz der Feuerung ist die Energiebilanz positiv:
    "Wenn man mal betrachtet den thermischen und elektrischen Aufwand zum Betrieb der gesamten Peripherie, um so ein Brikett zu erzeugen, mit Fördertechnik, mit Absiebung, mit Trocknung, mit Presse, haben wir ungefähr 20 bis 25 Prozent Eigenbedarf des Materials, was hinten herauskommt. Die anderen 80/75 Prozent gehen dann in die Kesselanlage."
    Es geht aber noch effizienter: Indem die Abwärme einer Müllverbrennungsanlage beim Trocknen genutzt wird. Die heiße Luft wurde per Lkw ins 100 Kilometer entfernte Ibbenbüren geschafft und zwar mittels eines Sorptionsspeichers. Dieser bindet Wärme chemisch. Für Blatt-Gold eignete sich die Speichertechnologie aus zwei Gründen, erklärt Kooperationspartner Andreas Hauer vom Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung:
    "Vorteile des Sorptionsspeichers sind zum einen die hohe Energiespeicherdichte, also viel Wärme im Container. Und der andere Vorteil ist, dass ich für einen Trocknungsprozess warme und trockene Luft bereitstelle."
    Der Heizkessel in der Brikettanlage wurde damit überflüssig. Auf der anderen Seite fiel beim Transport des Speichers natürlich Kraftstoff an. Energetisch rechnete sich der Einsatz trotzdem:
    "Und der Aufwand dafür liegt dann so im Bereich von unter zehn Prozent. Also zehn Prozent brauche ich, um die Energie zu transportieren oder weniger und kann damit wirklich nicht nutzbare Energie wieder nutzbar machen."
    Die Netz GmbH von Tobias Peselmann hat gerade die ersten Aufträge für eine Brikettanlage erhalten. Zwei Städte in Süddeutschland wollen ganzjährig Laub und Grünschnitt zu Brennstoff pressen. Die Trocknung unterstützen dann herkömmliche Heizkessel. Der Stadtrat von Ibbenbüren hat dagegen noch keinen Entschluss zum Kauf einer Anlage gefällt. Dies wird nach dem Sommer erwartet.