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Blockade der Zeitung Clarín

Am vergangenen Sonntag blockierten in Buenos Aires Gewerkschafter die Auslieferung der auflagenstärksten Tageszeitung Clarín. Viele machen für die Blockade den der Regierung nahestehenden Gewerkschaftsboss Hugo Moyano verantwortlich.

Von Victoria Eglau | 02.04.2011
    Bis vor drei Jahren war Clarín, die meistgelesene Tageszeitung Argentiniens, ein regierungsfreundliches Blatt. 2008 focht Präsidentin Cristina Kirchner einen erbitterten Konflikt mit den Landwirten aus – und Clarín begann, regierungskritische Töne anzuschlagen. Dies war der Anfang des Kriegs zwischen dem Massenblatt und der Regierung. Die Präsidentin und ihr 2010 verstorbener Ehemann, Ex-Präsident Nestor Kirchner, erklärten Clarín zu ihrem Intimfeind. Ihre Attacken waren nicht nur verbaler Natur, sondern die Regierung versuchte auch – bisher erfolglos – den mächtigen Medienkonzern, der hinter Clarín steht, zu schwächen, unter anderem durch ein neues Mediengesetz. Soweit die Vorgeschichte.
    Es ist offensichtlich, dass es eine Verbindung zwischen der Regierung und der Aktion gibt, mit der am vergangenen Sonntag die Auslieferung von Clarin verhindert wurde, meinte vor wenigen Tagen in einer Talkshow der angesehene Journalist Jorge Lanata. In Argentinien glauben viele an diese Verbindung. Auch deshalb, weil der Chef des mächtigen Gewerkschaftsbundes, Hugo Moyano, der mit der peronistischen Regierung Kirchner verbündet ist, kürzlich die Blockade der Auslieferung von Zeitungen angedroht hatte.

    Die ausführliche Berichterstattung der Oppositionspresse über Korruptionsvorwürfe gegen ihn ist Moyano nicht genehm. Wie dem auch sei, die Regierung wies jegliche Verantwortung für die Aktion gegen Clarín zurück, und der Arbeitervertreter Luis Siri, der an der Blockade beteiligt war, bestritt politische Hintergründe:

    "Es handelt sich um einen internen Konflikt zwischen unserem Betriebsrat und der Unternehmensführung von Clarín. Der Konflikt existiert seit acht Jahren. Unsere einzige Möglichkeit, ihn sichtbar zu machen, war die Blockade der Zeitungsauslieferung."
    Für den Medienwissenschaftler Fernando Ruiz von der Universidad Austral in Buenos Aires steht fest: Diese Art des Protests ist ein klarer Verstoß gegen die Pressefreiheit.

    "In diesem Jahr finden hier in Argentinien Präsidentschaftswahlen statt, und ich befürchte, dass die Methode, die Auslieferung von Zeitungen zu verhindern, um sich greifen wird. Das ist sehr schädlich für die Pressefreiheit. Wenn solche Aktionen gegen Zeitungen systematisch werden, wird systematisch die Pressefreiheit verletzt."

    Eine Pressefreiheit, die in Argentinien grundsätzlich herrscht. In puncto Pressefreiheit stehe das Land weitaus besser dar als eine Reihe anderer Staaten Lateinamerikas, wie Mexiko, Venezuela und Kuba, betont Medienwissenschaftler Ruiz. Er sieht jedoch Rückschritte unter der amtierenden Präsidentin und ihrem Vorgänger, und nennt als Beispiel das öffentliche Fernsehen Canal Siete, das die Regierung mit Programmen zur besten abendlichen Sendezeit für Propaganda-Zwecke missbrauche.

    "Nach fast 30 Jahren Demokratie müsste Argentinien, was die Pressefreiheit angeht, eigentlich auf dem Niveau der Länder Europas sein. Aber uns fehlen öffentlich-rechtliche Medien, die diesen Namen verdienen. Uns fehlen klare und transparente Kriterien für die Verteilung der Werbeanzeigen und Spots der Regierung. Außerdem brauchen wir Medieneigentümer mit einer professionelleren Haltung, die sich weniger stark von politischen und wirtschaftlichen Interessen leiten lassen."