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Blockchain Stories
#5 Digital und dreckig

Der Hype um den Bitcoin hat zu einem digitalen Goldrausch geführt. Aber das Schürfen der Kryptowährung verschlingt enorme Mengen Energie. Mittlerweile dürfte ein Teil der Klimaerwärmung aufs Konto des Bitcoin gehen. Eine umweltfreundliche Nutzung der Technologie scheint dennoch möglich.

Von Julia Eikmann | 22.01.2019
    Rechner für das "Schürfen" von Bitcoins im Genesis-Datenzentrum in Keflavik. Ein etwa 100 meter langer Gang - links und rechts stehen schwarze Computer.
    Bitcoin-Minen sind da, wo Strom billig ist: Rechner für das Schürfen von Bitcoins im Genesis-Datenzentrum im isländischen Keflavik (Michael Frantzen)
    Überall auf der Welt schuften Maschinen in den Bitcoin-Minen. In riesigen Rechenzentren berechnen sie Zahlenketten für die Blockchain, um so Bitcoin zu schürfen. Dafür brauchen sie Energie. Viel Energie. Die Folge: Ende 2018 war der Energiebedarf der Währung so hoch wie der von ganz Rumänien. Jede einzelne Bitcoin-Überweisung verursacht derzeit eine Emission von gut 270kg klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids. Wie hoch genau, das hängt vom aktuellen Kurs der Währung ab: Die Konstruktion des Bitcoin sieht vor, dass mehr Energie aufgewendet werden muss, um neue Bitcoin zu generieren, je mehr die Währung wert ist. 2018 dürften für Validierung und Verschlüsselung der Transaktionen insgesamt gut 14 Terawattstunden verschlungen worden sein, schätzt die Website Digiconomist. Das ist ein Zehntel des Energieverbrauchs von ganz Deutschland.
    Anstieg der Klimaerwärmung
    Eine aktuelle Studie der Universität von Hawaii kommt zu dem Ergebnis: Ein erheblicher Teil der Klimaerwärmung geht auf das Konto des Bitcoin-Netzwerks. Zitat:
    "Bitcoin ist eine energiehungrige Kryptowährung, die immer häufiger als Investions- oder Zahl-System genutzt wird. Wenn sie sich wie andere Technologien weitgehend durchsetzt, kann das Bitcoin-Netzwerk alleine so viel CO2 freisetzen, dass die Klimaerwärmung innerhalb von drei Jahrzehnten über zwei Grad ansteigt."
    Zwei Grad in 30 Jahren. Die Analyse aus Hawaii klingt besorgniserregend. Und hat umgehend Kritiker auf den Plan gerufen. Auch der Mathematiker, Kryptograf und Informatik-Professor Rüdiger Weis relativiert die Studie - sie gehe von falschen Annahmen aus:
    "Also, wenn wir unsere ganze Wirtschaft genau auf diese Bitcoin-Sachen ohne Protokolländerung umstellen, also wenn wir nicht mehr mit Bargeld zahlen, da muss ich sagen, da bin ich wissenschaftlich immer etwas kritisch, wenn die Leute derart Annahmen mache, die in keiner Weise realistisch sind."
    Jede Transaktion verschlingt Energie
    Dass der Bitcoin unser bisheriges Zahlungssystem ablösen könnte, sieht Weis nicht. Für den täglichen Zahlungsverkehr sei die Kryptowährung auch gar nicht entwickelt worden. Aber auch ohne den Einsatz beim täglichen Einkauf: Derzeit werden Bitcoin im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro gehandelt. Und jede einzelne Transaktion verschlingt Energie. Im Mining-Prozess werden reine Zufallsfunktionen berechnet, die ansonsten nicht brauchbar sind. In Bitcoin-Minen steht hochspezialisierte Hardware, die nichts anderes kann, als eben diese Funktionen zu berechnen. Ist sie veraltet - was bei der aktuellen technologischen Entwicklung bereits nach wenigen Monaten der Fall sein kann - sind die Geräte nur noch Sondermüll.
    "Das ist natürlich eine Kombination von Sachen, die schon ärgerlich ist. Also dieser Mining-Prozess bedeutet Riesen-Energieverbrauch und wirklich nutzlose Berechnung und Wegwerf-Hardware", kritisiert Rüdiger Weis. Allerdings sieht er auch wenig Spielraum, an der Situation etwas zu ändern:
    "Es ist nicht so ohne weiteres möglich, Bitcoin zu verbieten, oder Mining zu verbieten. Da ist der Geist eigentlich relativ nachhaltig aus der Flasche. Ich fände es wichtig, nochmal über Alternativen nachzudenken. Wenn die Bitcoin-Entwickler an zwei, drei Stellen - sagen wir mal -Parameter etwas klüger gesetzt hätten, dann hätten wir die Probleme nicht gehabt. Insofern sehe ich da einen großen Bedarf, blockchainartige Währung nochmal 'in ordentlich' zu machen."
    Alternative Einsatzmöglichkeiten
    So ist es grundsätzlich denkbar, dass die eingesetzte Rechenleistung für relevante Berechnungen genutzt werden könnte - und nicht in sinnfreien Zahlenkombinationen verpufft.
    "Es gibt durchaus Bereiche der Medizinforschung, die hohe Anforderung an die Rechenkapazität haben, insofern wäre es eine Überlegung, dass man die Rechenfunktion für dieses sogenannte Proof-of-Work in einer Weise wählt, dass die Ergebnisse eine sozial nützliche Eigenschaft haben. Ein anderer Ansatz ist grundsätzlich diesen Proof-of-Work in Frage zu stellen. Da gibt es nämlich dann Möglichkeiten wirklich, Systeme zu bauen, die im Energieverbrauch deutlich bessere Eigenschaften haben."
    Noch aber verschlingt der Mining-Prozess enorme Energiemengen. Deshalb siedeln sich die Bitcoin-Minen vor allem dort an, wo Strom billig ist. Der größte Teil des Bitcoin-Mining findet in Rechenzentren in China statt, wo Energie überwiegend aus Kohleverstromung gewonnen wird. Nachdem die chinesische Regierung ernst macht im Kampf gegen die dezentrale Währung, siedeln viele Miner in die Mongolei über, wo Strom ebenfalls wenig kostet und ausschließlich durch das Verbrennen von Kohle gewonnen wird.
    Dabei bietet es sich an, für das Bitcoin-Mining erneuerbare Energien zu nutzen. Wind- und Sonnenkraft gibt es an vielen Orten auf der Welt im Überfluss. Und um Bitcoin zu schürfen, braucht es nicht mehr als ein Rechenzentrum vor Ort und ein Satellitentelefon, sagt Rüdiger Weis:
    "Es gibt eine Reihe von Herausforderungen, ich sag jetzt nicht: 'Wir schmeißen ein paar Solar-Miner in die Wüste, und dann ist die Welt auf einmal friedlich und besser.' Ich sag aber ganz deutlich: 'Wenn man sich diese paar Grundeigenschaften anguckt, dann ist da so viel Potenzial da, dass man durchaus über die Richtung nachdenken sollte."