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Blog: Postkarten aus Cannes
Eröffnungsglamour

In Cannes geht es jetzt so richtig los: Aufmarsch der Promis und der Eröffnungsfilm von Woody Allen "Café Society" - die Galagäste schmunzeln, lachen und brüllen.

Von Maja Ellmenreich | 11.05.2016
    Der Himmel reißt auf! Dieses Mal "in echt". Die ersten Limousinen fahren am roten Teppich vor, und das Wetter zeigt sich gnädig. Die Unwichtigen unter den Wichtigen werden zuerst ausgeladen. Die Rufe der Fotografen und der Zaungäste, die einen Platz mit freiem Blick auf den "tapis rouge" ergattern konnten, halten sich noch in Grenzen. Was die Prominenz der ersten Ankömmlinge nicht richten kann, soll die Musik leisten: Wie im Fußballstadion wird der Ankunftsbereich lautstark mit Musik beschallt.
    Bruce Springsteen versucht sein Glück mit "I’m on fire"; dann greift George Gershwin – sicher nicht persönlich – in die Tasten und versucht, das Publikum mit seiner "Rhapsody in Blue" zu bezirzen; anschließend kommt Elvis Presley an die Reihe. "Love me tender"…? Irgendwie unpassend, um eine Menge zum Kochen zu bringen. Doch wie die Stimmung wirklich ist, das können Ungeladene nur ahnen.
    Vom Balkon des Pressebereichs, wo noch immer fleißig getippt und getextet wird, kann man keinen wirklich guten Blick erhaschen. Und zückt man auch nur das Handy, um ein Foto des Drumherum zu schießen, dann weist ein bulliger Wachmann freundlich aber bestimmt darauf hin, dies schnellstens zu unterlassen. Bleibt mal wieder nur der Bildschirm: Im gesamten Festivalpalast kann man den Aufmarsch der prominenten Gäste auf zahlreichen Fernsehern verfolgen. Eröffnungsglamour im Flachbildformat.
    Glamour auf dem Bildschirm in Cannes
    Glamour auf dem Bildschirm in Cannes (deutschlandradio.de / Maja Ellmenreich)
    Und weiter geht’s: Während die Galagäste über Woody Allens "Café Society" schmunzeln, lachen und brüllen dürfen, beginnt im benachbarten "Salle Debussy" die Pressevorführung des ersten richtigen Wettbewerbsfilms, der mit zwei Stunden und 53 Minuten zugleich der längste im Wettbewerb überhaupt ist. Der Rumäne Cristi Puiu tischt uns mit seinem Film "Sieranevada" eine blanke Zumutung auf.
    Denn die Familienzusammenkunft, die er fast in Echtzeit gefilmt hat – sie ist eine solche Zumutung im besten aller Sinne: Für die, die dabei sind, und für die, die zuschauen. In der kleinen Wohnung in Bukarest streiten Geschwister miteinander, die Tante trägt ihren Liebeskummer zur Schau, Speisen werden abgeschmeckt, Computerprobleme behoben, man gedenkt mit geistlicher Unterstützung des jüngst verstorbenen Familienoberhauptes. Und der Zuschauer ist wie ein anonymer Gast bei alledem dabei. Wie unterschiedlich doch gefeiert werden kann an ein- und demselben Abend in Cannes.