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Blogs aus dem Urwald

Technologie.- Die Ashanika-Indianer Brasiliens versuchen, die Natur durch traditionelles Wissen zu schützen – und durch modernste Technologie: Um sich selbst vor drohenden Rodungen zu warnen, haben die Ureinwohner im Regenwald Computer als Monitoringsysteme installiert.

Von Jutta Schwengsbier | 29.08.2009
    Mitten in ihrem Dorf im Regenwald haben die Ashaninka-Indianer eine Hütte als Computerraum gebaut. Betrieben mit Solarstrom von Sonnenkollektoren, können die Indianer nun direkt aus dem brasilianischen Urwald per Satellitentechnologie Telefongespräche führen oder Datendienste wie Fax, Email oder Internet benutzen. Früher mussten die Ashaninka aus ihrem Regenwalddorf Apiwtxa tagelang zu Fuß und per Kanu über den Amazonas in den nächsten größeren Ort reisen, um Nachrichten per Telefon übermitteln zu können. Die moderne Satellitenkommunikationstechnik hilft ihnen nun, weltweit schnell Unterstützung zu mobilisieren, sagt Benki Piyako. Der Indianerführer erhielt mehrfach Morddrohungen wegen seines Engagements für die Rechte der Ureinwohner.

    "Wir installieren Computer, um die Region zu überwachen. Es ist eigentlich ein Monitoringsystem. Wenn die Menschen noch nicht damit umgehen können, schicken wir Lehrer hin. Sie unterrichten vor Ort, wie die neue Technik funktioniert, wie man ein GPS-System bedient oder einen Computer."

    Noch vor wenigen Jahren standen die Ashaninka kurz davor, mit Pfeil und Bogen in den Krieg zu ziehen. Peruanische Holzfirmen waren illegal in den brasilianischen Regenwald vorgedrungen, hatten viele der dort lebenden Indianer ermordet und durch Holzeinschlag ganze Landstriche verwüstet. Auf telefonische Hilferufe hatten die brasilianischen Behörden zunächst nicht reagiert. Erst ein per Email über Satellit in die ganze Welt geschickter Hilferuf alarmierte Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen, die sofort eine Kampagne für die Indianer starteten. Kurz darauf sicherten brasilianische Soldaten die Grenze und schützten die Indianer vor weiteren Übergriffen. Nach dieser ersten Erfahrung über die Kraft moderner Kommunikationstechnologie bauen indigene Gemeinschaften in ganz Amazonien ein Computernetzwerk zum Schutz des Regenwaldes auf. Auch Yvonne Bangert von der Gesellschaft für bedrohte Völker bekommt so ständig die neuesten Informationen direkt aus dem Regenwald.

    "Dass auch die ganzen kleinen, weit von jeglicher Kommunikation entfernten Gemeinschaften über die Internetsysteme melden können, wenn bei Ihnen illegaler Holzeinschlag stattfindet. Wenn das System einmal steht, 150 Internetstationen sind insgesamt geplant in Amazonien, kann man dann natürlich auch internationale Unterstützung mobilisieren."

    Die in Hamburg lebende Kulturwissenschaftlerin Eliane Fernandes Ferreira hat in ihrem Buch, "Von Pfeil und Bogen zum Digitalen Bogen", untersucht, wie modernste Technologien das Leben von Indigenen Gemeinschaften verändern, die zuvor kaum Kontakt zur Außenwelt hatten. Während einige Gruppen Fernsehen als Kultur schädigend wieder abgeschafft haben, setzen die Indianer ganz gezielt modernste Internettechnologien ein, um die Welt über ihr eigenes Leben im Regenwald zu informieren. Vor allem aber nutzen die Indianer die Möglichkeiten der Satellitentechnik, um die ökologischen und politischen Veränderungen in ihrer Region zu überwachen, berichtet Eliane Fernandes Ferreira, die zurzeit selbst im Dorf Apiwtxa ist. Die Wissenschaftlerin zeichnete vor Ort ihre Antworten auf schriftliche Interviewfragen selbst auf und sendete für diesen Beitrag die Tondateien per Email nach Deutschland.

    "Die Ashaninka haben Zugang zu Satellitenfotos, die den Raubbau auf ihrem Gebiet und angrenzenden Regionen dokumentieren. Sie bekommen diese Fotos alle drei Monate von dem brasilianischen Forschungsinstitut für Umwelt Inpa. Und sie erhalten ebenfalls verschiedene Landkarten mit Informationen über den Holzabbau, aber auch Pläne der Regierungen Perus und Brasiliens Erdöl und Erdgas in der Region zu gewinnen. Auf diese Weise veröffentlichen sie diese Karten auf ihrem Webblog."

    Die technische Wartung der Computer ist bislang noch das größte Problem, weil die Indianer inzwischen zwar die modernen Anlagen bedienen, sie aber nicht reparieren können. Bei Defekten müssen die Computer in dicke Folien verpackt und mit dem Kanu zu einem Techniker gebracht werden. Als nächsten Schritt auf ihrem Weg zur Modernität wollen die Indianer deshalb eigene Computertechniker aus Ihren Gemeinschaften ausbilden lassen.