Donnerstag, 25. April 2024

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Bodenständiger Urbayer
Vor 150 Jahren wurde der Schriftsteller Ludwig Thoma geboren

Gedrungene Gestalt, breites Gesicht, niedriger Haaransatz: "Quadratschädel" nennt man in Bayern Typen dieser Art. Der Schriftsteller Ludwig Thoma war ein solcher und spielte gerne mit diesem Klischee. In seinen Werken kommentierte der Satiriker die Lebensrealität und die politischen Zustände in seiner Heimat.

Von Carola Zinner | 21.01.2017
    Hirschgeweihe hängen in der Stube vom Ludwig Thoma Haus auf der Tufften am Tegernsee an der Wand.
    Hirschgeweihe in der Stube von Ludwig Thoma: Der Schriftseller gefiel sich in der Rolle des Urbayern. (imago )
    Zitat Ludwig Thoma: "Mein liber burgermoaster, enker schullrad hat mir geschriem, das er ein fräßpeklein schiggt fir mei wunderschönes gedicht. Jez is das gediecht geschprochen haber das fräspeklein ist nicht gekommen."
    Bodenständig, genussfreudig, gerade heraus: Ludwig Thoma gefiel sich in der Rolle des Ur-Bayern. Die Biographie gab ja auch einiges dafür her: Die Mutter aus Oberammergau, der Vater Förster in der dritten Generation. Ludwig, geboren am 21. Januar 1867 als fünftes von acht Kindern, verbrachte die ersten Lebensjahre im Forsthaus an der Tiroler Grenze.
    Früher Tod des Vaters beendet das Kindheitsidyll
    Tannenwald, Holzknechte und Isarrauschen; gelegentlich schaut sogar der Märchenkönig Ludwig der Zweite vorbei: Ein Kindheitsidyll, das durch den frühen Tod des Vaters ein abruptes Ende findet. Die Mutter schlägt sich fortan als Wirtin durch, die Kinder kommen zur Verwandtschaft. Ludwig allerdings macht Schwierigkeiten.
    Zitat Ludwig Thoma: "Dass er mir so viel Herzleid antun kann! In der Klasse geht es gerade so …"
    Und selten lange. Der intelligente, aufsässige Junge muss fünfmal die Schule wechseln; seine Streiche wird er später in den "Lausbubengeschichten" verewigen. Jetzt aber erst mal: Abitur, Studium, Promotion und erste Berufsjahre. Als Advokat in der Kleinstadt Dachau lernt Thoma die Händel und Nöte der Landbevölkerung aus nächster Nähe kennen. Sie werden 1897 Thema seines ersten Buches: "Agricola. Bauerngeschichten".
    "Moanan´s dass mir dös bei Gericht glabt wird, dös mit dem Maßkrug? Dass der vom selm z´brochen is?" (Auszug aus "Agricola.Bauerngeschichten)
    Die bayerische Mundart literarisch festhalten
    Schon hier zeichnet sich ab, was später zum Markenzeichen wird: Ludwig Thoma versteht es wie kein anderer, die bayerische Mundart literarisch festzuhalten. Dazu sein Realismus und der bissige Humor: Das kommt gut an. Die Münchner Satirezeitschrift "Simplicissimus" interessiert sich für ihn. Bald ist er Chefredakteur.
    "Was wissen Sie eigentlich von der Liebe
    Mit Ihrem Pastoren-Kaninchentriebe,
    Sie multiplizierter Kindererzeuger,
    Sie gottesseliger Bettbesteuger?"
    Mit der sechswöchigen Haftstrafe, die der kantige Bayer 1906 für das Spottgedicht gegen den Klerus kassiert, wird er in ganz Deutschland berühmt. Thoma habe überhaupt erst wieder eine richtige politische Satire geschaffen, schwärmt Kurt Tucholsky.
    Thoma steckte voller Komplexe
    Der Autor, der in Theaterstücken wie "Die Lokalbahn" und "Moral" den Spießern ihre Verlogenheit um die Ohren haut, zeigt allerdings privat durchaus selbst Neigung zum Eng-Behaglichen: ein Haus am Tegernsee im edelbayerischen Stil, Pfeife, Maßkrug, Lodenjoppe, selbst erbeutete Jagdtrophäen an den Wänden. Dazu sein Umgang mit Frauen, mal unterwürfig, mal verächtlich-herablassend: Thoma steckt voller Komplexe.
    "Er war ein hochsensibler, hochempfindsamer Mensch und wie oft bei so hochsensiblen Menschen, die legen sich eine sehr raue Schale zu, so nach dem Motto, bevor mich einer angreift und trifft, greife ich an. Dadurch war er ja auch, das darf man ja nicht vergessen, einer der größten Satiriker der damaligen Zeit."
    So der Schauspieler und Thoma-Experte Michael Lerchenberg. Doch Thoma hält den Widerstand gegen die Obrigkeit nicht durch. Im Ersten Weltkrieg stellt er sich ganz in den Dienst der nationalen Sache. Als dann alles in Scherben liegt, zieht er sich verbittert zurück an den Tegernsee. Michael Lerchenberg:
    "Und plötzlich ist dieser humorvolle Rabauke verschwunden. Er versteht die Zeit nicht mehr, und dann fängt er auch in dieser Zeit an, wieder politisch zu schreiben. "
    Anonyme Hetze gegen SPD, USPD, Juden und moderne Literatur
    Diesmal sind es die Vertreter der Weimarer Republik, die er ins Visier nimmt. Anonym hetzt er im Miesbacher Anzeiger gegen SPD und USPD, gegen Juden und moderne Literatur und schreit nach der guten alten Zeit. Wie es später, unter den Nationalsozialisten, weitergegangen wäre mit ihm, darüber kann man nur spekulieren: 1921 starb Ludwig Thoma, der zerrissene Neinsager, im Alter von 54 Jahren.
    Zitat Ludwig Thoma: "Jeden Taglöhner könnte ich beneiden, denn sein Leben hatte Bestimmung und Zweck, das meine war inhaltslos. Verdrossen und gequält kehrte ich in mein Haus zurück. Ein paar bellende Hunde, das war alles."