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Börsen-Parkett auf dem Campus

Nach der TU München verfügt Ulm als zweite deutsche Hochschule über einen so genannten "Trading Room." Das ist eine Art virtuelle Börse, wo wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtete Studenten unter realen Bedingungen Aktien und Optionsscheine handeln können. Einziger Unterschied: Alles funktioniert virtuell, es geht nicht um Geld.

Von Thomas Wagner | 21.09.2005
    Die Studenten in dem fensterlosen Kellerraum der Uni Ulm fiebern von Augenblick zu Augenblick. Uhren an der Wand zeigen die Ortszeit in New York, London, Tokio und eben Ulm. An einem der sechs Rechner sitzt Gregor Mummenhoff, der gerade sein Studium der Wirtschaftsmathematik abgeschlossen hat und nun promoviert. Doch in diesem Moment ist er Broker.

    "So, nebenbei sollten wir hier die News im Auge behalten. Aber da kommt auch schon der nächste Anruf. Der Frage nach den Quotes von Siemens. Unser Blick auf den Bildschirm sagt uns: Es geht abwärts mit Siemens. Also geben wir auch niedrigere Kurse an und schauen, was sie von uns wollen. Sie verkaufen uns 10.000 Stück."

    Kein gutes Geschäft, wie sich Augenblicke später herausstellt. Die Kurse purzeln weiter.

    ""Also im Moment machen wir noch ein Minus von 5000. Aber wir haben auch noch viel Zeit, nicht?"

    Ein Glück, dass im "Trading Room" der Uni Ulm alle Geschäfte nur virtuell ablaufen. Doch abgesehen davon, lässt sich an den Terminals so gut wie alles machen, was beispielsweise ein Börsenbroker an seinem Arbeitsplatz in Frankfurt tut. Jedes Terminal wird online mit allen nur möglichen Daten über die Finanzmärkte weltweit versorgt.

    Und nicht nur das: Auch historische Ereignisse mit gravierenden Auswirkungen auf die Finanzmärkte können simuliert werden. Matthias Scherer, Doktorand der Finanzmathematik, sitzt am Nachbar-Terminal:

    "Momentan lese ich, dass gerade in London ein Bombenanschlag passiert ist, und da kann man sich jetzt überlegen, wie der Markt darauf reagiert. Wir sehen auch schon, dass sich vor allem internationale Aktien abwärts bewegen. Das geht sprungartig. Das heißt: Es ist eklatant wichtig, auf solche Informationen sofort zu reagieren."

    Das aber lässt sich nicht in der Vorlesung lernen. Hier ist Übung in der Praxis gefragt - eben im neuen "Trading Room." Die Studenten, die hier an den Terminals sitzen, kommen aus den Studiengängen Wirtschaftsmathematik und Finanzmathematik sowie aus dem neuen englischsprachigen Masterstudiengang "Finance."

    Zukünftige Arbeitgeber der Absolventen fordern neben fundierter theoretischer Ausbildung vor allem Praxisbezug. Hans-Joachim Strüder, Vorstandsmitglied der Landesbank Baden-Württemberg:

    "Was man braucht ist eben, wenn man hier konkret auf den Handelsfloor eingehen, jemanden, der Marktgespür hat und der in dem Sinne auch im Markt entsprechend agieren kann und diese Erfahrung in irgendeiner Form gemacht hat. Wenn wir in die Handelsrichtung gehen, dann brauchen wir eben Leute, die ein Gespür dafür haben, wie sich Märkte bewegen.

    Das ist eben nicht die reine Lehre. Das kann man hier lernen, indem man eben als Student in diesen virtuellen Handelsräumen bewegt, dort auch alle Situationen durchspielen kann und von daher auch so ein bisschen spürt, wenn die Situation kritisch ist und auch die Anspannung spürt, also wirklich das ganze live erleben kann."

    Und so hat dann die Landesbank Baden-Württemberg nicht ganz uneigennützig einen sechsstelligen Betrag zur Einrichtung des "Trading Room" zur Verfügung gestellt. Sie erhofft sich den einen oder anderen Absolventen als zukünftigen Junior-Mitarbeiter.

    Diejenigen, die Wirtschaftsmathematik oder das eher praxisbezogenere Fach Finanzmathematik studieren, haben in der Regel onehin kein Problem, einen Job zu bekommen. Absolvent Stefan Kassberger über die Berufschancen:

    "Die sind konjunkturunabhängiger als die typischen BWL- oder VWL-Absolventen, weil unsere Absolventen sehr spezialisiert sind, vor allem auf Banken und Versicherungen, und die Absolventenzahlen auch deutlich geringer sind als beispielsweise in BWL-Fakultäten."

    Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Selbst wenn die Börsenblase mal platzt und Broker auf der Straße landen - diejenigen, die Wirtschaftsmathematik studiert haben, behalten in der Regel ihren Job. Mit dem neuen "Trading Room", den es in dieser Form bislang nur in München und in Ulm gibt, soll die Ausbildung weiter verbessert werden.

    Daneben will die Uni Ulm ihr kleines Börsenparkett auf dem Campus auch für Studenten anderer Hochschulen öffnen. Professor Rüdiger Kiesel leitet die Abteilung Finanzmathematik an der Uni Ulm:

    "Wir wollen Kurse anbieten, Intensivkurse, die andere Universitäten nutzen können. Dann können sozusagen Gruppen von anderen Universitäten von Studierenden hierher kommen und im Rahmen ihrer Ausbildung der Finanzmathematik spezifische Programme durchlaufen, zum Beispiel handeln mit Optionen und Futures oder Handeln mit Commodittes wie zum Beispiel Energie-Commodities wie Öl, Gas und solchen Dingen."