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Börsenrückzug Rocket Internet
Die Aktionäre als "Ballast"

Vor sechs Jahren ging das Unternehmen Rocket Internet an die Börse - nun braucht es seine Anleger nicht mehr. Denn der Berliner "Startup-Inkubator" hat mittlerweile mehr Geldreserven als Firmen, in die er investieren könnte. Die Aktionäre sind enttäuscht, haben dem Börsenrückzug aber zugestimmt.

Von Sandra Pfister | 24.09.2020
ARCHIV - 01.04.2020, Berlin: "Rocket" steht auf einer Glastüre im Eingangsbereiches eines Gebäudes, in dem das Internet-Unternehmen Rocket Internet seinen Sitz hat. Die Rocket Internet SE hält am 24.09.2020 ihre Außerordentliche Hauptversammlung ab. Foto: Paul Zinken/dpa-zb-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Nicht die feine englische Art: Die Aktie war beim Börsengang teuer - jetzt müssen die Aktionäre wohl ihre Anteile von Rocket Internet für die Hälfte des Wertes verkaufen (dpa-zb-Zentralbild)
Rocket Internet will nicht mehr an der Börse sein, die Anleger haben dem in der Aktionärsversammlung zugestimmt. Hinter dem Börsenrückzug steckt vermutlich ein Luxusproblem: Der Startup Inkubator, der Technologie-Startups weltweit aufbauen und dann an ihnen mitverdienen will, hat genug Geld und eher wenig, worin er investieren kann.
Deshalb kann er sich jetzt, nach sechs Jahren, leisten, seine Aktionäre loszuwerden. Doch selbst, wenn die Kleinaktionäre nicht zugestimmt hätten, wäre das für Rocket-Internet-Vorstandschef Oliver Samwer kein Problem gewesen. Er und die Gesellschaft, die hinter ihm steht, besitzen zusammen auch fast 50 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Ausreichend, um den Abschied von der Börse zu beschließen. Das formale so genannte "Delisting" peilt Rocket Internet für November an. Damit wird die Aktie dauerhaft vom Handel im regulierten Markt entfernt.

Warum braucht Rocket Internet die Börse nicht mehr?

Zum einen hat Rocket genug Geldreserven, um ohne das Geld von Aktionären auszukommen. Zum Zweiten hat Rocket Internet Konkurrenz bekommen: Es gibt für Start-ups viel mehr Quellen, an Startkapital heranzukommen. Und auch das ist ein Grund, warum Rocket Internet, wie Oliver Samwer vor einem Jahr gesagt hat, deutlich mehr Geld hat als vielversprechende Technologie-Startups, in die er investieren könnte.
Rocket Internet-Vorstand Oliver Samwer bei der Vorstellung der Börsen-Pläne in Frankfurt am Main.
Rocket Internet: Zalando-Erfinder wollen an die Börse
Das Berliner Start up-Imperium Rocket Internet will an die Börse gehen – mit großen Ambitionen. Die Erfinder von Zalando, eDarling und Glossybox wollen Internet-Marktplatz, Versandhändler und Bezahlplattform in einem werden.
Rocket Internet braucht die Börse nicht mehr, sie war ihm auch sehr lästig. Man muss regelmäßige Quartalsberichte vorlegen, eine Investor-Relation-Abteilung vorhalten. Das kostet alles viel Geld und bedeutet, dass man sich zu einem gewissen Umfang in die Karten schauen lassen muss.

Was bedeutet das für die Anleger?

Die Anlegen fühlen sich schlecht behandelt. Der Konzern plant, den Aktionären ihre Anteilsscheine zu je 18,57 Euro direkt abzukaufen. Rocket Internet darf das, gesetzlich ist das erlaubt, weil der Börsenwert in den vergangenen sechs Monaten sehr niedrig war. Aber der Verdacht liegt nahe, dass das Unternehmen jetzt bewusst einen Zeitpunkt zum Börsenausstieg wählt, wo es möglichst wenig für die Aktienrückkäufe bezahlen muss.
Das hat für viele Aktionäre auch deshalb einen negativen Beigeschmack, der weil Aktienpreis vor sechs Jahren, beim Börsengang, künstlich hochgejazzt wurde. Zudem hat Rocket Internet nie Dividenden gezahlt. Die Aktionäre haben das Gefühl, sie wurden erst gemolken und dann rausgedrängt.