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Böse Buben vom American Football

Am kommenden Mittwoch berät der Sportausschuss die Anti-Dopingberichte der deutschen Spitzenverbände aus dem Jahr 2009. Eine Alibiveranstaltung? Denn die Sachverhalte wurden längst am Sportausschuss vorbei verhandelt.

Von Jens Weinreich | 07.11.2010
    Über die sogenannten Antidopingberichte der Spitzenverbände hatte es in den vergangenen Jahren relativ scharfe Debatten gegeben. Für 2009 stellt die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) den Verbänden nun ein geradezu zauberhaftes Zeugnis aus. Daraufhin wird der Bund, der den Spitzensport mit rund einer Viertelmilliarde Euro alimentiert, nur von einem Verband Fördermittel zurückfordern: vom nichtolympischen American Football Verband Deutschland (AFVD). Die Rückforderungssumme: 700 Euro.

    Ein kurzer Rückblick:

    Im Jahr 2007 sorgte der Bericht einer "Projektgruppe Sonderprüfung Doping” der Sportabteilung des Bundesinnenministeriums (BMI) für Schlagzeilen. Am Ende blieb das für die Verbände, denen Versäumnisse nachgewiesen wurden, weitgehend folgenlos. Der Doppelpass von Verbänden, Funktionären, der BMI-Sportabteilung und angeblichen Kontrolleuren in NADA und Sportausschuss wurde einmal mehr virtuos gespielt. Immerhin hielt der Bericht fest, dass der Bund bis dahin "nie untersucht hat”, ob die in den Bewilligungsbescheiden für Steuermittel erhobenen Forderungen in der Dopingbekämpfung eingehalten werden.

    Seitdem gibt es sogenannte Antidopingberichte: Jeweils bis 31. März eines Jahres reichen die Verbände Selbstauskünfte zum abgelaufenen Jahr ein. Der Dachverband DOSB mischt mit. Die NADA fasst die behaupteten Angaben zusammen, vergleicht ansatzweise mit ihren Zahlen und gibt dann Empfehlungen an den Zuwendungsgeber BMI. Das BMI lässt die Sachverhalte vom Bundesverwaltungsamt (BVA) prüfen.

    Wichtig ist: Es sind stets freiwillige Angaben. Eine Tiefenprüfung aller Verbände gab es nie – es finden nur stichprobenartige Prüfungen statt.

    Trotz überwältigender Sachlage deckte die NADA im Herbst 2008, als der Bericht für 2007 ausgewertet wurde, etwa den Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Nur die Bündnisgrünen stimmten im Bundestag für Fördermittelstopp und Rückzahlungen des BDR. Alle anderen Fraktionen fanden die Vorgänge in Ordnung, trotz vorheriger gelegentlicher großmäuliger Ankündigungen, endlich durchgreifen zu wollen.

    Das war der Antidopingbericht 2007. Die Bearbeitung des Berichtes 2008 zog sich bis Mitte 2010 hin. Bei 19 von 60 Spitzenverbänden wurden Verstöße festgestellt und Rückforderungen zwischen ein und 16 Prozent der Fördermittel erhoben. Dazu zählten auch die olympischen Medaillensammel-Verbände Rudern, Eisschnelllaufen sowie Bob- und Schlittensport. Das BMI hatte das Thema bewusst verschleppt, um während der Winterspiele in Vancouver keinen Schatten auf die Medaillen der Rodler, Bobfahrer und Eisschnellläufer fallen zu lassen.

    Sämtliche Antidopingberichte sind nicht-öffentlich. Wie etwaige Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ausgegangen sind, darüber wird ebenfalls nicht informiert. Der sportpolitische Komplex besticht auch hier durch seine konsequente Intransparenz.

    Nun geht es also um die Antidopingberichte 2009: Das Bundesverwaltungsamt hat seine Arbeit daran vor einem Monat abgeschlossen. In dem Bericht, der dem Deutschlandfunk vorliegt, heißt es, sechs Verbände haben sich einer "vertieften Prüfung” unterziehen müssen: Turnen, Volleyball, Schwimmen, Triathlon, Gewichtheben und Karate – aber nicht die Skandalnudeln Radsport, Eisschnelllaufen oder Reiten, um nur einige zu nennen.

    Das BVA erklärt:

    - 11 Verbände, davon sechs olympische seien "ohne Hinweise” entlastet wurden – Kanu, Handball sowie der Bob- und Schlittensportverband zählen dazu.

    - 37 Verbänden, davon 19 olympische, sei eine Entlastung "mit Hinweisen” erteilt worden. Dabei ging es um die Implementierung des NADA-Codes ins Verbandsregelwerk und um die Frage von Schiedsgerichten. Zu diesen Verbänden zählen etwa Eishockey und Eisschnelllaufen.

    - 9 weitere Verbände, darunter 5 olympischen, gingen ins Anhörungsverfahren – auch Boxer, Eiskunstläufer, Gewichtheber, Judoka und der Skandalverband BDR, dessen vielfältig verstrickter Sportdirektor Burckhard Bremer am kommenden Mittwoch gesondertes Thema im Bundestags-Sportausschuss ist. Im Amtsdeutsch heißt der Tagesordnungspunkt: "Sachstandsbericht zur zuwendungsrechtlichen Prüfung des BDR durch das BMI”. Es geht auch um rund 800.000 Euro Bundesmittel, mit denen Bremers Gehalt in den vergangenen Jahren gezahlt worden ist.

    Von diesen 9 Verbänden soll nur ein Verband belangt werden: die American Footballer, weil sie ihre neue Antidopingordnung erst am 31. Oktober 2009 rückwirkend zum 1. Januar 2009 beschlossen haben. Das BVA schreibt: "Das wird als unzulässig angesehen.” Es sei ein "mittlerer Verstoß”, weshalb eine Rückforderung von "vier Prozent für die Hälfte der bewilligten Jahresplanungsmittel” von 35.000 Euro vorgeschlagen wird.

    Summa summarum: 700 Euro.

    700 Euro von 229 Millionen Euro Gesamt-Bundesförderung im Jahr 2009.

    Leisten deutsche Verbände also Vorbildliches an der Doping-Front?

    Ein vorschnelles Urteil verbietet sich. Denn im Prinzip weiß man – fast nichts, weil kaum etwas öffentlich ist. Man weiß nur, dass das die Behauptungen von Sports und Politik nicht mit den Erfahrungen von aufgeklärten Dopingfahndern korrespondieren.