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Bohrung am mexikanischen Chicxulub
Wie entstehen große Krater?

Mindestens drei Mal ist die Erde in den vergangenen 2,5 Milliarden Jahren von großen Asteroiden getroffen worden - und vermutlich waren das jedes Mal schwarze Tage für den Planeten und die Lebewesen auf ihm. Wissenschaftler haben am Beispiel des Chicxulub-Kraters vor Mexiko nun rekonstruiert, wie ein solcher Einschlag abläuft.

Von Dagmar Röhrlich | 18.11.2016
    Dem Einschlag des Asteroiden wird nicht nur die Verantwortung für das Ende der Dinosaurier zugeschrieben, er formte auch den 180 Kilometer weiten Chicxulub-Krater
    Dem Einschlag des Asteroiden wird nicht nur die Verantwortung für das Ende der Dinosaurier zugeschrieben, er formte auch den 180 Kilometer weiten Chicxulub-Krater (imago / Leemage)
    Vor 66 Millionen Jahren traf ein etwa 15 Kilometer großer Asteroid die Erde. Er ist der wohl berühmteste seiner Art, denn er soll die Dinosaurier hinweggefegt haben. Ein Zeuge seines Einschlags ist der Chicxulub: ein 180 Kilometer weiter Krater mit einem 500 bis 600 Meter hohen Ringgebirge im Zentrum, einem sogenannten Peak-Ring.
    Solche Krater sind auf Mars oder Mond häufig. Auf der Erde jedoch blieben nur drei erhalten. Die beiden anderen bringen es jedoch auf rund zwei Milliarden Jahre. Sie sind zu alt und zu erodiert, um noch viel über den Mechanismus zu erfahren, durch den ein Peak-Ring entsteht. Bleibt für die Klärung der Frage nur der Chicxulub:
    "Wir haben herausgefunden, dass die Gesteine, die diese Ringstruktur im Zentrum aufbauen, acht, zehn oder 15 Kilometer tief aus der Erdkruste stammen. Sie sind stark zerrüttet und waren ungeheuer hohen Drücken ausgesetzt. Um diesen Peak-Ring zu formen, sind also Gesteine aus der tiefen Erdkruste insgesamt 20, 30 Kilometer bewegt worden - zuerst hinab, dann hinauf und auch noch zur Seite", beschreibt Joanna Morgan vom Imperial College London.
    Gesteinsfontäne zehn Kilometer in den Himmel
    Die Geschichte, die die Bohrkerne aus dem Peak-Ring erzählen, klingt unglaublich: Als der Asteroid mit ungeheuer hoher Geschwindigkeit die Erde traf, verdampften oder schmolzen sofort tausende Kubikkilometer Gestein. Er zertrümmerte die Erdkruste und schlug einen 30 Kilometer tiefen und 100 Kilometer weiten Krater heraus. Die Wände waren steil, instabil, kollabierten sofort und ergossen sich wie Lawinen oder brechende Wellen ins Kraterzentrum:
    "Dies hat wiederum eine Gesteinsfontäne ausgelöst, die sich im Zentrum des Kraters konzentriert hat und nach oben über die ehemalige Planetenoberfläche hinausgeschossen und wiederum kollabiert ist", erklärt Ulrich Riller von der Universität Hamburg.
    Diese "Fontäne" erreichte wohl um die zehn Kilometer Höhe, ehe sie in sich zusammenfiel - und zwar auf die Lawinen, die immer weiter von den Rändern abbrachen, erklärt Ulrich Riller:
    "Und genau an dieser Stelle, wo sich diese beiden Wellen quasi getroffen haben, diese Gesteinswellen, haben wir also heute den Peak-Ring des Chicxulub-Impaktkraters."
    Das Team nutzt neben hochauflösenden Fotografien der Bohrkerne auch CT-Scans, um die Oberfläche und damit die Beschaffenheit des Gesteins zu beschreiben
    Das Team nutzt neben hochauflösenden Fotografien der Bohrkerne auch CT-Scans, um die Oberfläche und damit die Beschaffenheit des Gesteins zu beschreiben (eleber@ECORD_IODP)
    Im ganz Kleinen lässt sich das Geschehen von damals mit dem vergleichen, was passiert, wenn man Würfelzucker in eine Tasse Kaffee wirft. Der Kaffee wird zuerst nach unten und zu den Seiten hin verdrängt, schießt dann hoch, fällt wieder zurück und beruhigt sich allmählich. Als der Asteroid vor 66 Millionen Jahren die Erde rammte, ging es dem Gestein ganz ähnlich, erklärt Joanna Morgan:
    "In diesen ersten paar Minuten lief ein sehr dynamischer Prozess ab, alles wurde herumgewirbelt, verhielt sich wie eine Flüssigkeit."
    Gestein im Peak-Ring überdurchschnittlich porös
    Das Ganze lief rasend schnell ab: Schon nach zehn Minuten war es vorbei, hatte der Chicxulub mehr oder weniger seine heutige Form erreicht. Das Gestein des Peak-Rings ist schwer von der Gewalt des Einschlags gezeichnet, vom Zertrümmern und Zerscheren, dem Hinauf- und Hinab- und Zur-Seite-Geworfen-Werden. Joanna Morgan:
    "Normalerweise weisen Gesteine, die aus der tiefen Erdkruste stammen, eine Porosität von höchstens zwei oder drei Prozent auf. Die Porosität der Gesteine in unseren Bohrkernen liegt jedoch bei um die zehn Prozent."
    Ulrich Riller: "Dies ist ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die Schweremessungen in anderen Impaktstrukturen, sei es nun auf der Erde oder auf anderen Planeten."
    Denn damit ist auch die Dichte erstaunlich gering. Und so lassen sich mit den Ergebnissen des Chicxulub nicht nur Einschläge sehr viel besser simulieren. Es ist auch klar, dass gerade die Peak-Ring-Gesteine sehr gute Informationen über das Innere von Planeten liefern.