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Bologna-Check

Knapp dreieinhalb Monate ist es her, dass die Studenten und Studentinnen in ganz Deutschland auf die Straße gegangen sind. Beim Bildungsstreik im vergangenen November forderten sie massive Änderungen bei Bachelor und Master. In Nordrhein-Westfalen versprach der Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart schnelle Hilfe. Doch was ist draus geworden?

Von Christoph Ullrich | 02.03.2010
    "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut."

    Lautstark hatten zehntausende Studierende protestiert. Im Sommer und im Herbst des letzten Jahres machten die Bildungsstreiks deutlich: Es stimmt einiges nicht an den Hochschulen - die Wut über die Studienbedingungen ist groß. Der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart wollte dies erst gar nicht wahrhaben, er sah sich längst auf einem guten Weg:

    "Ich werde mich auch nicht von ein paar Krawallmachern davon abbringen lassen, den Dialog mit den Studenten fortsetzen zu lassen."

    Doch bei diesem Austausch musste der FDP-Politiker Pinkwart dann eingestehen:

    "Das Ziel muss sein, bereits zum Ende des Semester zu spürbaren Verbesserungen zu kommen."

    Bologna-Check hieß die aus den Streiks entstandene Initiative des Ministeriums. Alles sollte auf den Prüfstein. Mit den Rektoren der 13 Universitäten in NRW vereinbarte Pinkwart, Missstände rasch zu beheben. Die Fachhochschulen wurden allerdings nicht mit ins Boot geholt, auch wenn dort ähnliche Probleme wie an den Unis existieren. Trotzdem hat sich zum Ende des Semesters an den Hochschulen schon einiges getan:

    "Es verdient Anerkennung, dass die Hochschulen ihrer Selbstverpflichtung schnell nachgekommen sind und innerhalb von drei Monaten die Studiengänge einer eingehenden Prüfung unterzogen haben. Einige der Neurungen können schneller umgesetzt werden, zum Beispiel der Verzicht auf Anwesenheitslisten."
    So verzichtet die Universität Münster nach Angaben des Ministeriums inzwischen weitgehend auf Anwesenheitspflicht für ihre Bachelor und Master. Und die Uni Bielefeld streicht in der Spitze die Hälfte der Prüfungen. Es scheint also voran zu gehen. Aber das sieht Carlos Cota Castro anders. Der Düsseldorfer Informatik-Student hatte die Bildungsstreiks mitorganisiert. An seiner Hochschule gab es nach den Protesten lediglich eine Umfrage:

    "Also bislang hat sich eigentlich nicht viel getan - bis auf, dass mal ein paar Fragen gestellt worden und die halt zurück ans Ministerium gegangen sind. Und da gilt es jetzt irgendwie in einen ordentlichen Dialog zu treten, der jetzt tatsächlich eine Reform der Studiengänge bringen wird."

    Schaut man sich die Änderungen genauer an - mag man die Meinung des Studenten teilen. Von den 13 Unis haben acht die Anwesenheitspflicht geändert und nur sechs entschlacken Bachelor und Master von überflüssigen Prüfungen - weniger als die Hälfte. Das Problem, dass die Abschlüsse nicht vergleichbar sind, ist allerdings immer noch akut. Hier hat sich nichts geändert. Von einem breiteren Angebot, ohne Probleme auch mal im Ausland zu studieren erst gar nicht zu sprechen. Für den Hochschul-Experten der Düsseldorfer Landtags-SPD Karl Schultheis sind die Erfolgsmeldungen aus dem Wissenschaftsministerium bisher nur Flickwerk:

    "Das war auch zu erwarten - also die großspurige Ankündigung, bis zum Ende des Wintersemesters spürbare Verbesserungen herbei zu führen die brauchen Zeit. Auch in den Hochschulen."

    Aber auch in dem Ministerium - denn das, sagt Schultheis weiter ist nun gefordert, auch fachlich in die Studiengänge hinein zu wirken. Doch ganz so einfach ist das in Nordrhein Westfalen nicht. Die Hochschulen können frei entscheiden, sie sind durch das von der FDP voran getriebene Hochschulfreiheitsgesetz so gut wie gar nicht vom Wissenschaftsministerium abhängig. Trotzdem will Minister Andreas Pinkwart weiterhin einwirken, dass sich die Studiensituation verbessert:

    "Es ist unsere Aufgabe das entsprechend nachzuhalten, das in allen Hochschulen das sichergestellt ist. Das Qualitätsmanagement bedarf der externen Evaluierung. Und das sehen wir uns im Interesse der Hochschulen und der Studierenden auch in der Pflicht."

    Doch dann nur die Hochschulen zu ermahnen, Anwesenheit lockerer zu gestalten und Prüfungszahlen zu minimieren reicht nicht aus, sagt Student Castro. Er fordert mehr von dem Wissenschaftsminister. Das Problem von verschulten und überfüllten Studiengängen lässt sich nur mit mehr Geld vom Land lösen. Mehr Dozenten müssen her, mehr Seminare angeboten werden - sonst bleiben Bachelor und Master auch weiterhin Problemstudiengänge und Nordrhein Westfalen bleibt im Bundesvergleich weiterhin nur Mittelmaß in seiner Lehre:

    "Da gibt es einen Lehrplan, alle hören das selbe. Da gibt es keine Möglichkeit auszuwählen und das ist irgendwie ein Riesen Problem. Da halt viele Leute nicht mehr nach ihren Neigungen studieren können sondern nur noch den Einheitsbrei, den alle Studieren. Das bringt am Ende ihnen nicht, das bringt den Dozierenden nichts und zum Schluss niemanden etwas."

    Doch dies wird wohl noch Jahre dauern. Spürbar besser wird es so schnell wohl nicht. 3500 neue Wissenschaftler sollen zwar jetzt eingestellt werden. Aber ein Blick auf den Zeitraum, bis alle diese Stellen geschaffen sind, verrät, wie weit der Weg dann tatsächlich noch ist: In Zehn Jahren soll die Zahl erreicht sein.