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Bologna Prozess
Master-Studium für alle

Hat man an einer Uni einen Bachelor-Abschluss gemacht, ist die Aufnahme in den Masterstudiengang noch lange nicht gesichert. Bayerische Studenten wollen das nicht länger hinnehmen und protestieren in Würzburg.

19.11.2013
    Manfred Götzke: Die Erfinder des Bachelor-Master-Systems haben sich das ja so schön überlegt: Wir schaffen die ewig langen Diplomstudiengänge ab und ersetzen sie durch ein sechssemestriges Bachelorstudium! Dann bekommt die Wirtschaft wie gewünscht junge Fachkräfte, dann sparen die Länder Geld, und auch die Rentenkasse, die freut sich, denn die Bacheloristen zahlen ja auch länger in die Rente ein. Ach ja, und wer unbedingt weiterstudieren will, der kann ja noch einen Master machen, da hat man so mit 30 Prozent der Studenten gerechnet. – Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. 80 Prozent der Studis wollen nach dem Bachelor weitermachen, und schon jetzt zeichnet sich ab: Wenn die doppelten Abi-Jahrgänge in den Master drängen, fehlen Plätze. Studenten in Bayern protestieren dagegen seit heute per Aktionswoche. Vor ein paar Minuten hat in Würzburg die Demo „Master für alle“ begonnen. Organisiert hat sie Falk Bräcklein, Germanistikstudent im fünften Semester. Ich habe ihn vor der Sendung gefragt, ob er sich schon mal vorsorglich für einen Masterplatz beworben hat!
    Falk Bräcklein: Nein, noch nicht. Ich werde sehen, dass ich das Grundstudium beende, und dann werde ich entscheiden, ob ich den Master noch anhänge oder nicht.
    Götzke: Sie nennen das Bachelorstudium ein Grundstudium?
    Bräcklein: Ja, weil, in meinen Augen ist es kein berufsqualifizierender Abschluss. Das, was damals das Vordiplom war, damit ist man nicht unbedingt ausreichend qualifiziert für einen späteren Beruf. Dementsprechend ist der Bachelor nicht in dem Stellenwert, dass man was damit anfangen könnte.
    Götzke: Ist das denn tatsächlich so? Das wichtigste Argument, das Sie jetzt auch wieder genannt haben, der Bachelor ist nicht berufsqualifizierend … Die Wirtschaft hat das ja widerlegt, die nimmt die Bachelorabsolventen ja ganz gerne.
    Bräcklein: Da muss man aber sehen, diese berühmte Generation Praktikum, von der immer geredet wird, wenn man eben befristet einstellt und das zu niedrigen Löhnen, und man kann dann nicht wirklich von einem Einstieg ins Berufsleben reden. Das führt zu unterbrochenen Erwerbsstrukturen und da kann eigentlich auch frisch von der Uni weg niemand was mit anfangen. Nach ein paar Praktika vielleicht, aber auf jeden Fall nicht direkt.
    Götzke: Das sehen ja 80 Prozent Ihrer Kommilitonen ganz genauso, die wollen weiterstudieren. Warum sieht man das unter den Studierenden nicht auch als Chance, zum Beispiel nach dem Bachelorabschluss ein paar Jahre zu arbeiten und sich dann noch mal zu entscheiden, entweder ich studiere weiter oder eben nicht?
    Bräcklein: Die Möglichkeit würde es geben, wenn der Bachelor wirklich qualifizierend genug wäre. Es gibt einfach viele Bereiche zum Beispiel in der Psychologie, wo man einfach damals das Diplom gebraucht hat, und da braucht man heute seinen Master. Bei vielen Studiengängen stellt sich die Frage gar nicht, weil die einfach mit dem Bachelor nicht qualifiziert genug sind, um angenommen zu werden. Also, eine der Flexibilisierungsschritte im Bologna-Prozess sollte eben sein, den Bachelor vorzuschalten, um die Abbrecherquoten zu senken, aber im Endeffekt ist es kein Abschluss, der wirklich für die Berufswelt tauglich ist.
    Götzke: Sie fordern jetzt tatsächlich Master für alle. Sind Sie denn sicher, dass tatsächlich alle einen Master machen wollen?
    Bräcklein: Es geht darum, dass alle Interessierten den an ihrer Universität, an der sie auch den Bachelor gemacht haben, aufnehmen können. Man wird sicherlich keine 100-prozentige Übergangsquote haben, da sich eben viele dann beruflich umorientieren oder es auch Fachbereiche gibt, in denen der Bachelor ja auch wirklich anerkannt ist, das muss man auch mal dazu sagen. Aber ich glaube schon, dass die breite Masse an ihrer Universität den Master zu Ende machen will. Und deswegen müssen einfach die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das zu ermöglichen.
    Götzke: Sie haben das jetzt zweimal betont, dass es an derselben Universität sein soll. Aber liegt nicht auch eine Chance darin, dass man mit einem Bachelor an Uni X dann möglicherweise auch viel leichter an die Uni Y gehen kann und dann noch mal was anderes, was Neues kennenlernt?
    Bräcklein: Es ist nicht sonderlich leicht, auch auf einer anderen Universität in den Master reinzukommen, weil eben zu wenig Plätze da sind. Wenn die Leute direkt nach dem Bachelor weggehen, der Universität fehlen ja dann auch einfach die ausgebildeten Fachkräfte. Der Master ist ja die Voraussetzung für die Promotion, und wenn dann einfach junge, gut ausgelernte Menschen die Stadt verlassen nach dem Bachelor, das hilft auch dem Hochschulstandort nicht weiter.
    Götzke: Wenn Ihre Forderungen tatsächlich gehört werden sollten, wer soll denn dann so viele gut ausgestattete echte Studienplätze anbieten können? Anders gefragt: Könnte am Ende ein Schmalspurmaster dabei herauskommen mit mittelmäßigen Dozenten und überfüllten Hörsälen auch im Masterstudium?
    Bräcklein: Die Rechtsgarantie kann es natürlich nicht geben ohne eine Aufstockung der Mittel. Die Ausbauplanung muss natürlich dementsprechend angepasst werden.
    Götzke: Aber selbst wenn man die Mittel gibt, hat man ja möglicherweise keine qualifizierten Dozenten oder Professoren!
    Bräcklein: Ich vertraue da eigentlich soweit auf unser Bildungssystem, dass sich da genug fähige Menschen finden. Sofern die Planstellen da sind, wird man die auf jeden Fall auch besetzen können. Ich denke nicht, dass das unbedingt die Lehre im Masterstudium einschränken würde oder verschlechtert.
    Götzke: Sagt Falk Bräcklein an der Uni Würzburg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.