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Bombenterror in Belfast

Am 21. Juli 1972 erschütterte eine Serie von Detonationen Belfast, innerhalb von weniger als eineinhalb Stunden explodieren 21 Bomben. Die Verwüstungen waren massiv, weil die katholische Untergrundirganisation IRA zu dieser Zeit eine besonders perfide Waffe für sich entdeckt hatte: Autobomben.

Von Georg Gruber | 21.07.2007
    Gleiche Rechte auch für die katholische Minderheit – mit dieser Forderung formierte sich in den 60er Jahren eine friedliche Bürgerrechtsbewegung in Nordirland. Katholiken waren dort damals vom politischen und ökonomischen Leben weitgehend ausgeschlossen. Die Protestanten, die auch die Regierung stellten, wollten keine Veränderung, die Polizei ging hart vor. Die IRA, die Irisch Republikanische Armee, die eigentlich kurz vor der Selbstauflösung stand, wurde wiederbelebt und profilierte sich als Wächterin der katholischen Gettos. 1969 schickte Großbritannien Soldaten nach Nordirland, um die Situation zu beruhigen.

    Am 30. Januar 1972 demonstrieren rund 15.000 Menschen in Londonderry für Bürgerrechte und gegen willkürliche Verhaftungen und Internierungen, die in den Monaten zuvor erfolgt waren. Britische Soldaten eröffnen das Feuer. 13 unbewaffnete Demonstranten sterben, darunter ein 15-jähriger Junge. Der Tag geht als "Bloody Sunday" in die Geschichte ein.

    "Well, what is force? If you’re being fired at, you return fire.”"

    Die britischen Soldaten seien angegriffen worden und hätten zurückgeschossen, erklärt danach Oberst Derek Wilford, der Kommandeur der Fallschirmjäger. Doch von Anfang an widersprechen Augenzeugen dieser Version. Der Bischof von Derry, Edward Daly:

    ""Niemand hat auf die Soldaten gefeuert, auf keinen Fall, die Leute sind doch vor den Soldaten davon gelaufen, als sie schossen."

    Der Bloody Sunday radikalisiert die katholische Minderheit, die IRA erhält danach großen Zulauf, auch von Leuten, die eigentlich eher friedlich eingestellt waren. In den Wochen darauf rächt sich die IRA mit Anschlägen in England und Belfast. Großbritannien, das sich in den 60er Jahren noch als Schlichter zwischen den Parteien verstanden hatte, ist nun Partei in einem blutigen Bürgerkrieg. Im März 1972 suspendiert die britische Regierung die Selbstverwaltung Nordirlands – und sucht sogar Kontakt zur IRA. Ein Ende Juni vereinbarter Waffenstillstand hält jedoch nur kurz.

    "Die Zahl der ausschließlich von maskierten Milizen beherrschten Sperrbezirke wächst auf beiden Seiten", schildert ein ARD-Korrespondent den Alltag in Nordirland, Anfang Juli 72. "Die IRA zerstört planmäßig das Geschäftszentrum von Londonderry. Und an jedem Tag dieser Woche wurden offiziell bis zu sechs Tote gemeldet."

    Der traurige Höhepunkt dieser Eskalation ist der "Bloody Friday": Am 21. Juli 1972 erschüttert eine Serie von Detonationen Belfast, innerhalb von weniger als eineinhalb Stunden explodieren 21 Bomben. Die Verwüstungen sind massiv, weil die IRA zu dieser Zeit eine besonders perfide Waffe für sich entdeckt hat: Autobomben.

    "Auf dem Höhepunkt der Bombenanschläge glich das Zentrum von Belfast einer Stadt unter Artilleriebeschuss; dichte Rauchwolken umhüllten die Gebäude, während eine Explosion auf die andere folgte und so fast völlig die hysterischen Schreie der panischen Menschen übertönt wurden."

    So beschreibt der irische Journalist Ed Moloney den Terroranschlag, durch den neun Menschen sterben und 130 verletzt werden. Der britische Premierminister Edward Heath appelliert danach an die Bevölkerung sich von den Gewalttätern zu distanzieren:

    "”British Government and the British people have a right to ask the people of Northern Ireland, to assert themselves against the means of violence, in the streets, towns, families, to frustrate their tactics, to refuse them sanctuary, to unite in order to defeat intimidation.”"
    "Sie müssen sich gegen die Gewalt in Ihren Straßen, Städten und Familien durchsetzen. Die Taktik der Terroristen muss durchkreuzt werden, man darf Ihnen keine Zuflucht gewähren. Schließen Sie sich zusammen, um jeder Einschüchterung zu begegnen."

    Die Anschläge waren von der IRA als eine Demonstration der Stärke gedacht. Wegen der vielen Toten und Verletzten verspielten die Terroristen allerdings viele Sympathien auch unter der katholischen Bevölkerung - auch wenn die IRA versuchte, sich von der Verantwortung für die Opfer frei zu sprechen. Man habe ja schließlich vor den Bomben gewarnt. 30 Jahre später, im Juli 2002, nahm die IRA den Jahrestag des Bloody Friday zum Anlass, um sich zu entschuldigen: Für alle Opfer, die der bewaffnete Kampf gefordert hat.