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Boom in der Reisebranche
Tourismusbörse diskutiert über intelligente Besucherlenkung

Weltweit verreisen immer mehr Menschen. Die Anbieter auf der Internationalen Tourismusbörse ITB blicken deshalb optimistisch auf das Wachstum. Doch manche Reiseziele sind mittlerweile total überlaufen. Ein Vorschlag auf der ITB: Eintrittspreise für besonders beliebte Destinationen.

Von Dieter Nürnberger | 05.03.2019
Der Canal Grande in Venedig
Das Reiseziel Venedig muss mit immer mehr Touristen klarkommen (dpa, Hauke-Christian Dittrich)
Die Zahlen stimmen seit Jahren - da darf getrost von grenzenlosem Optimismus gesprochen werden. Allein bei den Übernachtungen in Deutschland ging es 2018 um vier Prozent nach oben und die Deutschen selbst machen mehr Urlaub denn je, sagt ein mehr als zufriedener Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, Michael Frenzel:
"Die Zahl der Reisetage der Deutschen stieg auf 1,71 Milliarden. Es wird plastischer, wenn man sagt, dass jeder Deutsche im Durchschnitt mehr als 20 Tage im Jahr unterwegs ist."
Pauschalreisen im Trend
Knapp 100 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für das Reisen aus, ein Plus von fünf Prozent. Und sie buchen wieder vermehrt Pauschalangebote.
Deren Anteil liegt inzwischen bei mehr als der Hälfte der Reisen - was für viele Experten überraschend sein dürfte, wurde doch vor Jahren die auf eigene Faust organisierte und die über das Internet individuell zusammengestellte Reise als die Zukunftsoption gehandelt.
Vergangenes Jahr waren weltweit 1,4 Milliarden Reisende unterwegs, 2030 sollen es 1,8 Milliarden sein. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, verwies heute darauf, dass bereits rund acht Prozent der globalen Schadstoffemissionen durch den Tourismus verursacht würden. Doch was tun, wenn es an vielen Orten immer voller wird? Overtourism heißt das Schlagwort - vor allem mit digitaler Technik sollen Besucherströme besser koordiniert werden, sagt BTW-Präsident Frenzel.
Intelligente Lösungen gefragt
"Man kann das über intelligente Lösungen versuchen: Intelligente Lösungsmöglichkeiten, wie man Besucherströme zeitlich und räumlich entzerren kann. Und nur ganz am Ende müssen dann auch Kontingentierungen stehen - Eintrittsgebühren für die eine oder andere Destination."
Für 2019 erwarten die Experten ein Plus von bis zu zwei Prozent. Etwas weniger als im Vorjahr. Die Branche fordert von der Politik deshalb auch ein Ende von Wettbewerbsverzerrungen: Dazu gehören beispielsweise die Abschaffung der Luftverkehrssteuer ebenso wie die von einigen Arbeitszeitauflagen in der Gastronomie.
Brexit als Unsicherheitsfaktor
Zu den Unsicherheitsfaktoren dieses Jahres gehört auch der noch unklare Brexit - doch immerhin habe man auf Seiten der EU bereits Übergangsregelungen getroffen, sagt Michael Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes:
"Auch für Fluggesellschaften, die wegen britischer Anteilseigner nach dem Brexit nicht mehr mehrheitlich in der Hand von Eigentümern aus der EU sind, wird eine Übergangsfrist eingeräumt. Damit sie weiter Flüge wie bisher anbieten können."
Die Reisebranche bekannte sich heute ausdrücklich zur Weltoffenheit und erteilte populistischen Strömungen und fremdenfeindlichen Tönen eine klare Absage. Großer Konsens - wäre da nicht der malaysische Tourismusminister gewesen. Das Land in Fernost ist offizieller, aber umstrittener Partner der ITB in diesem Jahr. Menschenrechtsaktivisten prangern dort die Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen an. Der Minister verweigerte dazu zuerst eine Antwort, und sagte schließlich "Wir haben keine Homosexuellen". Was bei vielen Kopfschütteln und Befremden auslöste. Nicht nur eitel Sonnenschein zu Beginn der weltgrößten Reisemesse.