Donnerstag, 28. März 2024

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Boote aus Biomaterialien
Das gute Gewissen der Bootsbranche

Naturschützer verweisen gerne auf die umweltschädliche Unterwasserlacke, mit denen Wassersportler ihre Boote schützen. Eine Versöhnung zwischen Sport und Natur will eine kleine Werft in Bremen erreichen. Dort will man nachhaltige Boote bauen.

Von Almut Knigge | 09.06.2017
    Talje am Segelschiff
    Im Aussehen gibt es keinerlei Unterschiede zu einem konventionellen Segelboot. (imago/blickwinkel)
    Ein Kleingartengebiet im Bremer Stadtteil Schwachhausen, zwischen Uni und Innenstadt, durchzogen von ein paar Kanälen. Sie führen aus der Stadt auf die große Wümme und von dort geht es auf die Lesum. Natur-Idylle pur. Hier liegt eine der innovativsten Werften Deutschlands, sagen die Fans. Nicht viel größer als eine Doppelgarage. "Das ist alles?", fragt die Reporterin und bekommt zu hören: "Das ist alles, hier hinten sind noch ein paar Maschinen und so, aber das ist alles". Der Chef ist noch nicht da. Er musste zum Baumarkt, Material kaufen. Azubi Tim zeigt derweil die Werkstatt.
    Das grüne Gewissen der Branche
    Da kommt er, 31 Jahre, riesengroß und schlaksig. Mit Vollbart wird das Klischee des Seebären erfüllt. Man nennt ihn mittlerweile auch das grüne Gewissen der Branche. Er baut Boote, die bei der Produktion 80 Prozent weniger Energie benötigen und bei der Entsorgung zu 90 Prozent weniger CO2 produzieren als herkömmliche Kunststoff-Boote. Für die Produktion von Glasfaser, bei der rarer Quarzsand bei 300 Grad Celsius geschmolzen wird, brauche man fünf Mal so viel Energie wie für Herstellung einer Flachsfaser.
    Und die ist das Geheimnis, sagt der Chef: "Wir haben jetzt hier wirklich nur natürliche Rohstoffe für die Bauweise verwendet, das heißt, wir haben statt Glasfasern oder Kohlefasern Flachsfasern verwendet und statt einem herkömmlichen Kunststoffschaum nehmen wir Kork als Sandwich, und das Ganze ist wiederum mit einem Epoxit-Harz getränkt, der eben nicht wie ein herkömmliches Epoxit-Harz auf Erdöl basiert, sondern auf Leinöl".
    Ein Bio-Boot aus Flachs
    Leinöl – das, was man in den Quark tut und der Verdauung hilft. Was Friedrich Deimann hier in 30 Sekunden erklärt, hat sechs Jahre Entwicklungsarbeit gekostet. Holz 2.0 nennt er seine Entwicklung. Flachsfasern entstehen aus einer Pflanze, die auch die Grundlage für Leinen darstellt. Der Kork kommt unter anderem aus Resten und Überschüssen der Weinindustrie. Den Materialtest hat das "Holz der Zukunft" im Bionik-Innovationszentrum der Hochschule Bremen bestanden. Hier tüftelt Friedrich Deimann auch schon an neuen Entwicklungen. Ein Bio-Boot aus Flachs. Nur auf den Kompost kann es noch nicht: "Ne, das geht leider nicht. Ein Boot soll langlebig sein. Das ist auch dieser nachhaltige Aspekt. Deswegen ist man da immer so ein bisschen im Zwiespalt, dass eben ein Boot sich nicht anfängt zu zersetzen. Deswegen wird man wahrscheinlich immer so einen gewissen Prozentsatz an erdölbasierenden Materialien damit eingebaut haben".
    Nach seiner Lehre als Holzbootbauer war der gebürtige Bochumer mehr als fünf Jahre angestellt und baute konventionelle Kunststoffboote. "Das war auch super, das zu lernen", räumt er ein, "und total interessant, wie man da in Serie fertigen kann und wie leicht die Materialien sind und dass man absolute Formfreiheit hat, es gibt da keine Grenzen, und die Glasfasern und den Materialien kann man in jegliche erdenkliche Form bringen. Aber was ich einfach gestört hat, sind die Materialien".
    Keine Unterschiede zu einem konventionellen Segelboot
    20.000 Euro Startkapital, eine Idee, sechs Jahre und viele Unterstützer später war sie dann fertig: die Green Bente. Deimann erinnert sich: "Die GLS-Bank hat uns unter anderem da unterstützt, wir haben von allen unseren Lieferanten da Unterstützung bekommen, das heißt, die Firmen, die uns die Lacke, die Fasern, die Harze liefern, die haben uns alle unterstützt, zum Teil durch extrem lange Zahlungsziele und Nachlässe, der Kork wurde uns komplett gesponsert, die Lackierung wurde uns gesponsert, dadurch konnten wir das ganze Projekt erstmal in Gang bringen".
    Der Rumpf hat einen warmen braunen, natürlichen Ton. Sieht fast wie gehäkelt aus. Ansonsten gibt es keinerlei Unterschiede zu einem konventionellen Segelboot: "Man sieht tatsächlich, was unter dieser Lackschicht verborgen ist, man sieht es unter dieser Faser, um auch zu zeigen, was wir da anders gemacht haben." Und das hat noch seinen Preis. "Letztendlich hat das 100.000 Euro gekostet, und wir hätten natürlich eigentlich 200.000 Euro dafür haben müssen."
    Sein Stand hat auf der "Boot" Aufsehen erregt
    Das erste Exemplar hat er im letzten Jahr auf der "Boot" in Düsseldorf verkauft. An einen Arzt. Weitere sind bestellt. Sein Stand hat Aufsehen erregt, freut sich Deimann: "Die finden das alle super interessant. Grundsätzlich ist die Branche relativ konservativ, aber dadurch, dass die ganzen Wassersportler sich eben auch einfach in der Natur bewegen, haben die ein Bewusstsein dafür. Also gibt es auf jeden Fall Leute, die bereit sind tatsächlich das Doppelte für so ein Boot auszugeben".
    Wenn das Ganze in Serie geht, wird es deutlich günstiger und schneller. Zehn Monate hat Friedrich Deimann mit einem kleinen Team am Prototypen gebaut. "Das ist immer ein bisschen schwierig. Natürlich will man dass das Ganze weitergeht, und man hat natürlich auch den Anspruch oder findet das super, wenn auch andere Firmen so produzieren, aber andererseits ist das natürlich auch das Baby, was man sich so erarbeitet hat und was man natürlich auch nicht so weggeben kann. Für mich sind das natürlich auch sechs Jahre, die ich dann mal so verschenke, wenn ich das Know-how so rausgebe."
    "Das ist auch patentiert"? "Ich habe einen Gebrauchsmusterschutz da drauf". Daraus sind jetzt auch erste Stand-up Paddelboards entstanden. Eine Art Surfbrett zum Draufstehen. "Es wird spannend, wie sich das jetzt weiter entwickelt", meint Deimann. Die Paddelboards unterscheiden sich im Preis inzwischen auch kaum noch von ihren Kunststoffvorbildern.