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Borkenkäferplage
Waldbauern fordern finanzielle Hilfen

Sie sind klein, aber sehr schädlich: Schon 2018 vernichteten Borkenkäfer Millionen Kubikmeter Holz. Betroffen sind vor allem Fichten. Nach dem trockenen und heißen Sommer drohen auch in diesem Jahr wieder enorme Schäden. Waldbauern hätten dann alle Hände voll zu tun.

Von Doris Pundy | 21.03.2019
Nordrhein-Westfalen, Hagen: Ein Borkenkäfer krabbelt über die Unterseite einer Fichtenrinde an einem Hang bei Hagen. Nach dem heißen und trockenen Sommer hat sich der Borkenkäfer in den Wäldern explosionsartig ausgebreitet.
Nach dem heißen und trockenen Sommer hat sich der Borkenkäfer in den Wäldern explosionsartig ausgebreitet (picture alliance / Roland Weihrauch)
Maximilian Graf von Nesselrode bleibt nicht mehr viel Zeit, um möglichst viele Fichten zu finden, in denen Borkenkäfer überwintert haben. In wenigen Wochen schwärmen die Insekten aus und befallen gesunde Bäume. Auf seinem über 3000 Hektar großen Waldgut im Bergischen Land bedeutet das: Sisyphusarbeit. Nesselrode und seine Mitarbeiter müssen sich also auf Wanderschaft begeben.
"Wenn sie in den Wald reingucken, sehen sie die, die schon tot sind. Das sind diese rötlichen Fichten. Und sie sehen die, die grün sind. Und bei denen die grün sind, muss man ganz genau hinsehen, drangehen und gucken, sind sie schon befallen oder sind sie es nicht."
Findet der Waldbesitzer nicht alle befallenen Bäume, droht ihm ein ähnlicher Schaden wie im Vorjahr. Jede dritte bis vierte Fichte fiel dem Schädling zum Opfer. Die befallenen Bäume müssen gefällt und entrindet werden.
Milder Winter hat Großteil der Borkenkäfer überleben lassen
Der Borkenkäfer ist Teil des heimischen Ökosystems und nur wenige Millimeter groß. Trotzdem brauchen die Insekten mitunter nur wenige Wochen, um eine Jahrzehnte alte Fichte zu töten. Die Tiere legen Hunderte Eier unter die Baumrinde, von der sich die Larven ernähren bis der Baum tot ist. Bis zu vier Mal pro Jahr vermehren sich Borkenkäfer. In der Masse werden die winzigen Tiere zur Gefahr. Im Vorjahr machte es das Wetter den Insekten besonders leicht, sagt Doktor Mathias Niesar von Wald und Holz NRW:
"Die Kombination aus Dürre, also wenig Niederschlag, und hohen Temperaturen ist unangefochten. Der absolute Spitzenreiter, dieses Jahr 2018. Und das hat zu einer massiven Schwächung der Fichten geführt, was eben von den Borkenkäfern gnadenlos ausgenutzt wurde."
Ohne ausreichend Regen können Fichten kein Harz produzieren - das natürliche Insektizid der Bäume. Die Konsequenz: Abermilliarden Borkenkäfer in deutschen Wäldern. Und der Großteil kam gut durch den Winter. Nur etwa ein Käfer von zehn überlebte nicht, schätzt Niesar. Der Grund: Die meiste Zeit war es im Winter eher warm. Auch die Trockenheit ist weiterhin ein Problem, sagt Waldbesitzer Graf von Nesselrode.
"Nachdem es doch einigermaßen viel geregnet hat, haben wir immer noch, wenn sie mit dem Spaten in den Boden graben, nach 30, 40, 50 cm staubtrockenen Boden. Das heißt, wir brauchen zuerst einmal eine richtige Durchsättigung des Bodens mit Wasser. Und diese Durchsättigung werden sie nicht erzeugen, indem es jetzt noch 30 Millimeter Sturzregen gibt. Sondern indem wir schöne, lange, bergische Landregen haben."
Holz-Überangebot drückt die Preise
Im Vorjahr vernichtete der Borkenkäfer alleine in Nordrhein-Westfahlen über zwei Millionen Fichten. Vor über siebzig Jahren soll es das letzte Mal einen vergleichbaren Befall gegeben haben. Fichtenholz wird in der Bauwirtschaft geschätzt. Der Schädlingsbefall führt zu einem Überangebot. Für Waldbauern hat das wirtschaftliche Folgen.
"Das ist eine Sache, die wird ganz viele Waldbesitzer in NRW immens belasten in den nächsten Wochen, Monaten und wahrscheinlich auch Jahren. Weil wir die Situation haben, dass jeder Fichtenpin, den wir jetzt verkaufen für maximal die Hälfe, eher darunter, des Preises über den Ladentisch geht. Und das sind dann Preise bei denen sich das Aufarbeiten, dass Herausrücken aus dem Wald nicht mehr lohnt."
Mit dem Fällen der Bäume ist es nicht getan. Danach muss aufgeforstet und nachgepflanzt werden. Am besten Mischwald, sagen Experten, um sicher zu sein, dass Baumarten darunter sind, die für zukünftige Klimaszenarien und Krankheiten gewappnet sind. Das kostet Geld, das Waldbauern erst in Jahrzehnten erwirtschaften können, da der Rohstoff Holz nur langsam nachwächst. Graf von Nesselrode fordert daher unbürokratische finanzielle Hilfe - vor allem für kleine und mittlere Betriebe - und ein Umdenken der Politik:
"Die Steinkohle, wenn sie sozusagen abgestellt wird, bekommt sechzig Milliarden Euro an Geldern bereitgestellt. Verschiedene Unternehmen, wenn sie kurz davor sind, Pleite zu gehen, kriegen jede Menge Geld bereitgestellt. Und die Forstwirtschaft, die extrem viel für die Allgemeinheit tut und zwar für lau, wird im Augenblick nicht ernstgenommen." Seine Zuversicht will sich Waldbesitzer Graf von Nesselrode trotz der großen Herausforderung nicht nehmen lassen. Er hofft, dass er in seinem Wald mit guter Forstarbeit den Borkenkäferbefall eindämmen kann.