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Borussia Dortmund
Vergebliche Löscharbeiten

Für Borussia Dortmund hält der Februar viele wichtige Partien parat. Diese Woche übten Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Trainingsgelände den demonstrativen Schulterschluss mit BVB-Trainer Thomas Tuchel. Doch reicht das, um die vielen Kontroversen rund um die Transferpolitik und die zuletzt durchwachsenen Leistungen zu beenden?

Von Daniel Theweleit | 04.02.2017
    BVB-Trainer Thomas Tuchel vor dem Spiel gegen RB Leipzig im Dortmunder Stadion.
    BVB-Trainer Thomas Tuchel kämpft um seine Position im Verein. (imago sportfotodienst)
    Natürlich sind die Verantwortlichen von Borussia Dortmund stolz auf die Ergebnisse, die das Internationale Zentrum für Sportstudien im Januar veröffentlichte. Das in der Schweiz ansässige Institut hat anhand von Leistungsdaten, Alter und Vertragslaufzeiten ein Ranking der wertvollsten Fußballer Europas erstellt.
    Und der am besten platzierte Bundesligaspieler ist BVB-Angreifer Ousmane Dembélé. Nach den mathematischen Berechnungen ist der 19-Jährige rund 70 Millionen Euro Wert. In der Winterpause haben die Dortmunder nun den noch jüngeren Alexander Isak verpflichtet, dem eine ähnliche Wertsteigerung zugetraut wird. Große Coups. Thomas Tuchels Meinung über die Spieler war den Strategen um Sportdirektor Michael Zorc dabei nicht so wichtig. Es gebe eben
    "Transfers wie zum Beispiel jetzt von Alex Isak, wo natürlich das Scouting und Michael Zorc die große Vorarbeit leisten, das heißt einfach mal den Spieler auch kennen und auf dem Schirm haben, weil ich den Spieler nicht gekannt habe", hat der BVB-Trainer Ende Januar erzählt.
    Zerwürfnis zwischen Tuchel und Klubführung?
    Die Sache hatte hohe Wellen geschlagen. Verschiedene Medien betrachteten den Vorgang als belastbares Indiz für den Wahrheitsgehalt der schon länger kursierenden Gerüchte über ein grundlegendes Zerwürfnis zwischen Tuchel und der Klubführung. Zumal der als eigenwillig geltende Trainer berichtete, dass seine Meinung auch bei den Transfers von Dembélé oder Emre Mor erst sehr spät abgefragt worden sei. Hans-Jochim Watzke erklärte solche Geschichten jedoch umgehend zu einer Erfindung von Journalisten.
    "Thomas ist ein hervorragender Trainer, und ich glaube, in den eineinhalb Jahren haben wir niemandem auch nur im Ansatz das Gefühl gegeben, dass es zwischen uns irgendwo nicht passt. Es gibt nicht eine Aussage von einem Offiziellen des BVB, der in einer Weise darauf hindeuten würde."
    sagte der Geschäftsführer jüngst auf "kicker.tv". Und Tuchel versicherte, "dass wir sehr professionell und auch freundschaftlich miteinander arbeiten", räumte aber zugleich ein, "dass ich natürlich um meine Positionen kämpfe, und dass jeder um seine Position kämpft auch in inhaltlichen Diskussionen. Dass da auch nach eineinhalb Jahren ein Prozess der Annäherung stattfindet, halte ich für völlig normal."
    Kampf um Tuchels Position offenbar erbittert geführt
    Aus Tuchels Umfeld wird allerdings gestreut, dass dieser Kampf um die eigene Position zwischenzeitlich ziemlich erbittert geführt wurde. Und dass die Klubführung den Wünschen und der Expertise des Trainers nicht besonders Beachtung schenkt. Im vorigen Sommer war Tuchel tief enttäuscht, weil sein hinreißend spielendes Erfolgsteam auseinander brach. Und die verlorenen Führungskräfte Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan nicht nach seinen Vorstellungen ersetzt worden waren.
    "So eine Mannschaft ist ein sehr sensibles Gebilde, das muss man immer pflegen und das liegt natürlich auch auf den Schultern vor allem solcher Spieler. Da fehlen uns auf jeden Fall Säulen, die dieses instabile Gefüge stabilisiert haben und maßgeblich getragen haben",
    beschrieb Tuchel bereits im Juli sein Dilemma. Und er war sauer. Denn eigentlich hatte Watzke nicht nur gegenüber dem Trainer, sondern auch öffentlich versichert, dass er nach Hummels und Gündogan nicht auch noch Mkhitaryan verkaufen werde. Als Hummels-Ersatz wünschte der Trainer sich den routinierten Leverkusener Kapitän Ömer Toprak und bekam Marc Bartra von der Bank des FC Barcelona. Mit André Schürrle kam immerhin ein Wunschspieler des Trainers, vor allem jedoch wurden Talente verpflichtet, die viel Entwicklungszeit brauchen.
    Talentschuppen statt Erfolgsteam?
    Hat die Klubführung also einen Kader zusammengekauft, den der Trainer allenfalls in Teilen so haben wollte? Einen Talentschuppen mit traumhaften Wertsteigerungspotenzialen, aber ohne die für schnelle Erfolge nötige Ausgewogenheit? An solchen Fragen scheiden sich die Geister. Watzke jedenfalls ist überzeugt, dass die Qualität der Mannschaft ausreiche.
    "Ganz klare Zielsetzung, wir wollen direkt in die Champions League. Es ist ja nicht so, wir haben nicht nur 18-Jährige in der Mannschaft. Die Mannschaft muss sich zusammenfinden, das ist völlig normal, wir sind aber der Meinung, das müsste jetzt so langsam aber sicher auf die Zielgerade kommen."
    Das ist eine deutliche Forderung. Wobei schnell vergessen wird, dass Spieler nicht alleine aufgrund ihres Alters zu Persönlichkeiten mit Führungsqualitäten werden. Kapitän ist der stille Marcel Schmelzer, sein Vertreter der meist mit sich selbst beschäftigte Marco Reus. Andere routinierte Profis wie Götze, Castro, Sokratis, Kagawa oder Piszczek sind bisher nie als meinungsstarke Wortführer in Erscheinung getreten. Dabei könnte der auf internationalem Terrain noch ziemlich unerfahrene Tuchel in schwierigen Momenten selbst konstruktive Hinweise aus dem Mannschaftskreis gebrauchen. Auch angesichts des medialen Sturms, der rund um seine Person tobt.
    Tuchel empfindet es als "Prüfung", gelassen zu bleiben
    "Die Prüfung, die ich für mich empfinde ist, gelassen zu bleiben, konzentriert zu bleiben, und fokussiert zu bleiben, auf die Dinge, die ich tatsächlich beeinflussen kann. Und die sind glasklar: Das ist meine Arbeit, meine Leistung, meine Bindung zur Mannschaft und meine Verbindung zum Trainerteam und natürlich auch privat und familiär da bei mir zu bleiben und all diese Dinge in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist der Lernprozess für mich",
    sagte Tuchel jüngst. Dass er Watzke und Zorc nicht als Ansprechpartner nennt, ist sicher kein Zufall. Es ist eine verworrene Situation. Der als größtes deutsches Trainertalent gehandelte, im Umgang allerdings anstrengende Tuchel will schnellen Erfolg, arbeitet aber unter einer Klubführung, die eine in die Zukunft gerichtete Transferpolitik betreibt. Und die nach sieben Jahren mit Jürgen Klopp vergessen zu haben scheint, dass große Trainer nicht selten hoch sensible Wesen sind, deren Eigenwilligkeiten irgendwie akzeptiert und moderiert werden müssen.
    Die Gladbacher haben das einst brillant mit Lucien Favre hinbekommen, die Münchner mit Pep Guardiola und auch Leverkusen verfolgt diesen Weg mit Roger Schmidt. In Dortmund hingegen sind zwischenmenschliche Störungen entstanden, die zwar abgestritten werden, zwischen den Zeilen aber unüberhörbar sind. Längst wird über eine Trennung im Sommer spekuliert.