Donnerstag, 28. März 2024

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Bosbach (CDU) zum Verschleierungsverbot
"Es wäre ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal"

Zur kulturellen Tradition Deutschlands gehöre es nicht, dass man sich in der Öffentlichkeit vollverschleiert bewege, sagte Wolfgang Bosbach im DLF. Der CDU-Politiker hält ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum für richtig, wenn es verfassungskonform geregelt wird.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Martin Zagatta | 16.08.2016
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach spricht am 21.02.2014 zu Beginn der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages in Berlin zu den Journalisten.
    Auch vor Gericht hätten Burka und Niqab nichts zu suchen, sagte der Unions-Politiker Wolfgang Bosbach im DLF. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Martin Zagatta: Will die Union, so wie Innenpolitiker das fordern, ein sogenanntes Burkaverbot nun tatsächlich doch auf den Weg bringen, obwohl Thomas de Maizière, der Bundesinnenminister das ja schon abgelehnt hat, offenbar mit Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD?
    Bericht von Frank Capellan: Vorstoß zum Burka-Verbot bleibt weiter umstritten
    Und mitgehört hat Wolfgang Bosbach, Innenpolitiker der CDU, der sich gerne auf den gesunden Menschenverstand bezieht. Guten Tag, Herr Bosbach!
    Wolfgang Bosbach: Ich hoffe, das tun wir alle, guten Tag, Herr Zagatta!
    Zagatta: Das wollen wir jetzt auch tun. Ich frage es deshalb und erwähne es deshalb, weil ich Sie schon fragen will: Sind denn Burkas in Deutschland überhaupt ein Problem? Die sind doch in Deutschland tatsächlich gar nicht so oft zu sehen, die muss man ja suchen, wie es in dem Bericht eben hieß.
    Bosbach: Dann empfehle ich mal einen Besuch in Bad Godesberg oder gerade um diese Jahreszeit in München, da werden Sie nicht lange suchen müssen. Und wenn gesagt wird, das sind ja nur 200 oder 300 von Frau Kaddor, die muss man ja suchen, das wäre unverhältnismäßig, dann frage ich zurück: Ab wie vielen wäre es denn nicht mehr unverhältnismäßig? Das ist ja nicht nur eine Frage der Zahl, sondern das ist vor allen Dingen eine Frage der Einstellung zur Vollverschleierung der Frauen und zu dem, was wir unter einer liberalen, toleranten, offenen Gesellschaft verstehen. Damit wir keine Debatte führen, die wir nicht führen müssten, für mich hat das auch viel mehr mit dem Thema Integration zu tun als mit dem Thema innere Sicherheit.
    "Diese Form der Vollverschleierung hat nichts mit Deutschland zu tun"
    Zagatta: Und beim Stichwort Integration. Wie ist Ihre Position da, sind Sie für ein Verbot der Vollverschleierung?
    Bosbach: Die Debatte führen wir ja schon seit Jahren, die ist ja jetzt nicht neu. Ich kenne die verfassungsrechtlichen Bedenken, die herrschende Meinung unter Juristen, jedenfalls unter Verfassungsrechtlern geht auch dahin, dass es nicht verfassungsgemäß wäre, ein Totalverbot – jetzt kommen wir zu einem wichtigen Punkt – des Tragens einer Vollverschleierung im öffentlichen Raum. Und dennoch wäre es ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal, wenn wir sagen würden, nein, diese Form der Vollverschleierung hat nichts mit Deutschland, mit unserer toleranten, liberalen, offenen Gesellschaft zu tun. Wer nach Deutschland kommt, um hier auf Dauer zu leben, aus welchen Gründen auch immer, der möge sich bitte auch der kulturellen Tradition des Aufnahmelandes anpassen und sein Gesicht zeigen. Es gehört nicht zur kulturellen Tradition, zur Identität unseres Landes, dass wir uns in der Öffentlichkeit vollverschleiert bewegen. Ich glaube, darüber gibt es auch keine zwei verschiedenen Meinungen in der Union. Auf dem vorletzten Bundesparteitag haben wir das ja auch sehr intensiv diskutiert, Thomas de Maizière hat ja nicht mit diesem Argument widersprochen, sondern er hat eben Zweifel an einer Verfassungsmäßigkeit - einer Regelung des Bundes. Da spielt ja auch die Frage eine Rolle, wer hat eigentlich die Gesetzgebungskompetenz in diesem Punkt.
    Zagatta: Haben Sie diese Zweifel auch?
    Bosbach: Sie werden unter Juristen niemanden finden, der jetzt nicht sagt, ich habe aber eine abweichende Meinung. Es ist wohl so, dass es schon in Zweifel steht, ob der Bund überhaupt eine Regelungskompetenz für alle Bereiche hätte. Ich weiß aber, dass auf dem vorletzten Bundesparteitag auch schon über bereits spezifische Regelungen gesprochen wurde. Ich nehme mal ein ganz praktisches Beispiel: Auch vor Gericht hat Burka, Niqab nichts zu suchen. Wenn dort jemand als Zeuge aussagt – diesen Fall hatten wir in München vor wenigen Monaten –, da geht es nicht nur um den Inhalt der Zeugenaussage, da geht es auch um Mimik und Gestik der Zeugin, die dort vernommen wird. Das gehört alles zusammen zur Frage, wie glaubwürdig ist die Aussage, wie glaubwürdig ist die Zeugin. Da soll mir mal jemand erklären, wie man das feststellen will bei Niqab oder Burka.
    Zagatta: Aber das ist doch jetzt schon so geregelt?
    Bosbach: Nein, nein, da hat es ja gerade eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Im Amtsgericht musste die Zeugin die Vollverschleierung nicht ablegen, glücklicherweise hat sich dann der Richter in der nächsten Instanz, der Vorsitzende der Kammer nicht beeindrucken lassen, da musste sie dann die Vollverschleierung abnehmen.
    Zagatta: Welche Konsequenzen fordern Sie jetzt, was fordern Sie konkret, wie ist da Ihre Position?
    Bosbach: Bei welcher Frage, sind wir jetzt bei der Burka oder sind wir beim Thema innere Sicherheit oder sind wir beim Thema Staatsangehörigkeit?
    Zagatta: Also, wir wollten uns auf das Thema Burka mal konzentrieren, wir sind nach wie vor beim Thema Burka.
    Bosbach: Das hatte man mir im Vorgespräch ganz anders gesagt. Man hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, ein Interview zu geben zum Thema innere Sicherheit und zu dem, was dieser Tage diskutiert wird. Ich bin dafür …
    Zagatta: Das hängt damit zusammen, der Vorschlag kommt ja jetzt auch von Innenpolitikern, insofern ist das glaube ich gar kein Missverständnis, wenn wir vielleicht so auch angefragt haben, Herr Bosbach.
    Bosbach: Ja, nein, nein.
    Zagatta: Das ist ja jetzt von den Innenpolitikern wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden.
    Bosbach: Das ist ja keine Kritik, ich möchte nur Missverständnisse vermeiden. Nicht alles, was von den Innenpolitikern auf die Tagesordnung gesetzt wird, muss auch innere Sicherheit betreffen. Zu unserem Themenfeld gehört ja auch Integration. Deswegen auch das Thema doppelte Staatsangehörigkeit, was ja auch umstritten ist. Aber ich halte, wenn es denn verfassungskonform geregelt werden kann – da wird es auf den Gesetzeszweck ankommen, da wird es auf die Gesetzesbegründung ankommen –, ein Verbot der Vollverschleierung auch im öffentlichen Raum für richtig.
    Zagatta: Weil Sie München angesprochen haben, weil Sie Bad Godesberg angesprochen haben, das sind ja nun in der Regel, soweit ich das überblicken kann, nicht unbedingt Frauen, die dann vor Gericht landen, sondern es sind meistens ja die Ehefrauen oder Begleiterinnen eines Scheichs, die dann in teuren Geschäften dort für sehr viel Geld, in München zumindest, Luxusartikel einkaufen. Wollen Sie da etwas dagegen unternehmen oder wie muss man sich das konkret jetzt vorstellen?
    Bosbach: Also, man muss sich das vor allen Dingen so vorstellen, dass ein gesetzliches Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob die Trägerin teure Gegenstände einkauft oder preiswerte.
    "Man soll auch jetzt nicht so tun, als gäbe es das in ganz Europa nicht"
    Zagatta: Aber ich verstehe Sie dann schon richtig: Sie sagen, wenn dann Frauen in Vollschleier in München auftauchen – die Zahl spielt ja dann auch keine Rolle –, dann hat die Polizei nach Ihren Vorstellungen, wenn man solche Gesetze verabschiedet, dann hat die Polizei einzuschreiten?
    Bosbach: Oder die Ordnungsbehörde. Man könnte es auch als Ordnungswidrigkeitstatbestand einstufen, das würde dann dem Opportunitätsprinzip unterliegen, nicht dem Legalitätsprinzip. Dann haben wir zwei Behörden, die zuständig wären für eine Ahndung, das wäre einmal die örtlich zuständige Ordnungsbehörde oder aber die Polizei. So wie das in anderen Ländern auch ist, man soll auch jetzt nicht so tun, als gäbe es das in ganz Europa nicht. Wir haben drei Länder, die alle drei Mitgliedsländer der Europäischen Union sind, dort gibt es ein Trageverbot im öffentlichen Raum. Und dort ist auch behauptet worden, das sei mit den jeweiligen Verfassungen dieser Staaten nicht vereinbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat anders entschieden, aber – das gestehe ich sofort zu – bei uns ist alleine das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland der relevante Prüfungsmaßstab, wenn es dann zu einem Klageverfahren in Karlsruhe kommen sollte.
    Zagatta: Also, Sie sagen, das müsste man prüfen, ob das mit unserem Grundgesetz machbar ist. Ist es denn mit der Opposition machbar beziehungsweise auch mit Ihrem Koalitionspartner? Die SPD ist ja, soweit ich das überblicke, da voll dagegen. Also ist es praktisch ja gar nicht umzusetzen?
    Bosbach: Die Befürchtungen habe ich genau wie Sie. Das gilt übrigens auch für das Thema doppelte Staatsangehörigkeit. Ich glaube nicht, dass sich der Koalitionspartner da bewegen wird, zumal es ein wichtiges Anliegen war – jetzt sind wir wieder bei der doppelten Staatsangehörigkeit –, die Optionspflicht abzuschaffen. Dafür hat ja die Union ihre Hand gereicht zu Beginn dieser Wahlperiode, die SPD hat sich bei diesem Thema festgelegt. Aber das sollte die Union nicht daran hindern, ihre eigene Position in der Öffentlichkeit zu vertreten. Denn Koalition bedeutet ja nicht Fusion von Parteien. Und ich glaube nicht, dass wir uns selber einen Gefallen damit tun, wenn wir in der Union unsere unterschiedlichen Meinungen jeden Tag gegenüberstellen, sondern es wäre gut, wenn wir zu einer einheitlichen Haltung kämen. Deswegen scheint im Moment die Tendenz dahin zu gehen, dass man bereichsspezifische Regelungen anstrebt. Einen Bereich habe ich gerade genannt, ein anderer Bereich, da sind Sicherheitsbedenken ja evident, zum Beispiel beim Führen eines Kraftfahrzeuges. Selbstverständnis wird da das Sichtfeld einer Fahrerin eingeschränkt.
    Zagatta: Wolfgang Bosbach, der CDU-Innenpolitiker, Herr Bosbach, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!
    Bosbach: Ich danke Ihnen!
    Zagatta: Wir danken Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.