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Bosbach hält Regelung zum Bleiberecht für richtig

Wolfgang Bosbach hat das neue Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer gegen Kritik aus den Ländern verteidigt. Er halte den gefundenen Kompromiss für vertretbar, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. Zudem sei er Teil eines Gesamtpakets zum Ausländerrecht, das deutliche Verbesserungen etwa bei der Integration und im Kampf gegen den Terrorismus vorsehe und somit schnell in Kraft treten sollte.

Moderation: Friedbert Meurer | 23.02.2007
    Friedbert Meurer: Dieser Kompromiss, den die Große Koalition zum Bleiberecht zuletzt gefunden hatte, und an dem Sie beteiligt waren, wie gut finden Sie persönlich den?

    Wolfgang Bosbach: Ich halte den Kompromiss, den wir gefunden haben, für vertretbar, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kompromiss zum Bleiberecht Bestandteil eines Gesamtpaketes ist, das man auch insgesamt würdigen muss. Das ist zum einen die Umsetzung von elf Richtlinien der Europäischen Union zum Ausländerrecht in nationales Recht, das müssen wir ohnehin tun. Aber wir haben auch eine ganze Menge von zusätzlichen Maßnahmen vorgesehen, nämlich eine Verbesserung bei der Integration, vor allen Dingen bei den Sprachkursen, den Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen schon bei der Einreise beim Familiennachzug, das wird die Integration in Deutschland wesentlich verbessern, und auch bessere Vorschriften zur Gefahrenabwehr beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Also es wäre wirklich schade, wenn wir diese Maßnahmen in der Koalition nicht beschließen würden.

    Meurer: Der entscheidende Punkt, dass Ausländer länger Zeit jetzt bekommen, die im Moment geduldet sind, einen Arbeitsplatz zu finden, damit sie ein Bleiberecht erlangen, diese Chance für Ausländer, halten Sie die für richtig?

    Bosbach: Ich halte die getroffene Regelung für sinnvoll, insbesondere weil wir uns ja darüber einig sind, dass wir keine weitere Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme wollen. Betroffen sind Personen, die sich bereits seit vielen Jahren in Deutschland aufhalten, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, wo wir eine gute Integrationsperspektive feststellen. Das gilt insbesondere für die Kinder, die zu einem großen Teil hier bei uns in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, für die Deutschland ihr Heimatland geworden ist. Und wenn wir von diesen Personen aus guten Gründen verlangen, dass sie nicht nur ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen wollen, sondern auch durch eigene Arbeit tatsächlich verdienen, dann müssen wir ihnen auch eine Chance geben, hier in Deutschland Arbeit zu finden.

    Meurer: Wenn die Frist jetzt aber zwei Jahre länger läuft bis 2009, bedeutet das auch zwei Jahre mehr Bezug von Sozialhilfe, und daran stoßen sich offenbar die Länder.

    Bosbach: Das ist ein Kritikpunkt der Länder, wobei es ja nicht so ist, dass die Betroffenen zwei Jahre lang nichts tun müssen. Sie müssen sich um Arbeit bemühen, und in diesem Zeitraum müssen sie ja auch mindestens 15 Monate ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Arbeit verdient haben. Ich halte das auch für richtig, weil wir nicht wollen, dass wir eine weitere Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme haben, und die ersten Erfahrungen mit der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz von Mitte November in Nürnberg zeigen ja, dass Tausende auch in der Lage sind, in Deutschland Arbeit zu finden.

    Meurer: Dann ist es doch vielleicht ein Fehler, ihnen jetzt den Druck durch die Zeit zu nehmen.

    Bosbach: Ja, ich kann gut verstehen, dass die Landesinnenminister sagen, wir sollten zunächst einmal die Erfahrungen mit der jetzt schon geltenden Bleiberechtsregelung abwarten, wir stehen ja nicht unter Zeitdruck, diese Regelung läuft ja noch einige Monate. Der Bundesgesetzgeber könnte dann immer noch erörtern und entscheiden, ob er eine weitergehende Regelung treffen will oder nicht. Aber eine vernünftige Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit, und zu dieser Wirklichkeit gehört eben, dass das Bleiberecht Bestandteil eines gesamten Paketes zum Ausländerrecht ist und dass in diesem Gesamtpaket auch viele Vorschriften sind, die wirklich wichtig wären, wenn sie möglichst rasch in Kraft treten könnten. Das gilt insbesondere für eine verbesserte Integration, aber auch für den Kampf gegen Zwangsverheiratung von jungen Mädchen. Und ich glaube, dass gerade der Nachweis von Sprachkenntnissen schon bei der Einreise ganz wichtig wäre für eine bessere Integration hier in Deutschland.

    Meurer: Was ist denn eigentlich schiefgelaufen bei diesen Gesprächen, dass die Länder vielleicht nicht beteiligt wurden und jetzt Nein sagen? Was ist schiefgelaufen?

    Bosbach: Es ist richtig, dass die Länder das Gefühl hatten, sie seien bei diesen Verhandlungen nicht ausreichend beteiligt gewesen. Es wäre vielleicht auch sinnvoller gewesen, wenn Vertreter der Länder an diesen Verhandlungen mit teilgenommen hätten. Das war übrigens am Anfang der Fall, bei den letzten Verhandlungsrunden war das nicht mehr gegeben. Das lag daran, dass auch die Innenpolitiker nicht alleine entscheiden konnten. Wir brauchten für den Zugang zum Arbeitsmarkt auch die Zustimmung des Bundesarbeitsministers, so dass an den letzten Verhandlungsrunden auch immer Franz Müntefering persönlich teilgenommen hat.

    Meurer: Hätte der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, Ihr Parteifreund, früher die Landesminister einbeziehen müssen?

    Bosbach: Die Landesminister waren einbezogen. Es hat ja zunächst die Regelung der Innenministerkonferenz von Nürnberg gegeben, und auch in der Folgezeit sind die Innenminister immer über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden.

    Meurer: Was wird denn jetzt geschehen, erst einmal kein weiterer Beschluss, man lässt es so, wie es im November beschlossen ist, und die geduldeten Ausländer müssen jetzt erstmal abwarten und versuchen, bis zum 30.9. einen Arbeitsplatz zu finden?

    Bosbach: Ja, zunächst einmal gilt ja die Regelung der Innenministerkonferenz, das ist jetzt schon geltendes Recht. Viele Tausende haben ja auch bereits einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt. Viele von ihnen haben zwischenzeitlich auch Arbeit gefunden, und sie sind in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass das Thema Bleiberecht Bestandteil eines Gesamtpaketes ist. Hier sind wir nicht nur unter Erfolgsdruck. Hier sind wir auch unter Zeitdruck, denn mit der Umsetzung der elf EU-Richtlinien sind wir eigentlich schon in Verzug, so dass wir jetzt nicht monatelang warten können.

    Meurer: Es geht immerhin um 200.000 Personen. Wollen bestimmte Leute in Ihrer Partei einfach nicht, dass diese 200.000 Geduldeten auch hier bleiben dürfen?

    Bosbach: Nein, nein, also um 200.000 geht es nicht. 200.000 ist die Gesamtzahl der Geduldeten in Deutschland. Etwa die Hälfte davon erfüllt die Mindestaufenthaltszeit, die beträgt sechs Jahre bei Familien und acht Jahre bei Alleinstehenden, aber ich gebe zu: Es ist immer noch eine enorm große Zahl. Diejenigen werden unter keinen Umständen ein Bleiberecht bekommen, die den Staat in den vergangenen Jahren getäuscht und ausgetrickst haben, die sich also durch Täuschungshandlungen ihrer Ausreisepflicht entzogen haben. So etwas können wir ja nicht mit einem Bleiberecht prämieren. Aber einige Zehntausend könnten sicherlich in den Genuss einer Bleiberechtsregelung kommen. Dann allerdings müssen sie bereit und in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Und jetzt geht es noch um die Frage, wie viel Zeit wir ihnen lassen zur Arbeitssuche und zur Arbeitsaufnahme. Und ich kann verstehen, dass die Innenminister sagen, wir wollen sicher sein, dass zunächst einmal Arbeit gefunden und aufgenommen wird, bevor wir ein dauerhaftes Bleiberecht erteilen. Denn wenn einmal ein dauerhaftes Bleiberecht erteilt worden ist, dann könnte die Bereitschaft, sich auch um Arbeit zu bemühen, nachlassen.

    Meurer: Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion Wolfgang Bosbach bei uns im Studio. Schönen Dank für Ihren Besuch. Alles Gute, auf Wiedersehen.

    Bosbach: Danke Ihnen.