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Bosnien-Herzegowina
Die gelähmte Republik

Vor 20 Jahren sorgte das Abkommen von Dayton für Frieden in Bosnien-Herzegowina. Seitdem bemüht man sich um ein politisches Gleichgewicht aller ethnischen Volksgruppen - ein aufgeblähter Staatsapparat, die hohe Arbeitslosigkeit und gleich drei Präsidenten sorgen aber dafür, dass das Land politisch und wirtschaftlich kaum Fortschritte macht.

Von Karla Engelhard | 16.01.2015
    Eine Frau steht an der Gedenkstätte in Srebrenica in Erinnerung an die Opfer von Bosnien im Jahre 1995.
    Seit 1995 herrscht Frieden in Bosnien-Herzegowina, doch bis heute leidet das Land unter den Folgen des Bürgerkrieges. (picture-alliance / dpa / Fehiim Demir)
    Der türkische Präsident Erdogan begrüßt seinen bosnischen Amtskollegen Izetbegovic, der machte im vergangenen Sommer Wahlkampf für seinen mächtigen türkischen Freund und lobt ihn fast unterwürfig bei einer türkisch-bosnischen Livezuschaltung auf Großleinwand. Jubel auf beiden Seiten.
    Bakir Izetbegovic ist einer von drei Präsidenten Bosnien-Herzegowinas, die das Land abwechselnd vertreten. Im Abkommen von Dayton wurde von der internationalen Gemeinschaft ein nationaler Proporz festgelegt – gedacht als friedensstiftende Maßnahme. Die ehemalige jugoslawische Republik ist seitdem ethnisch durchdekliniert: Muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben und katholische Kroaten teilen sich die Macht und arbeiten meist nach Kräften gegeneinander. Der Politologe Asmir Mujkic analysiert:
    "Alle unsere politischen Eliten machen mit nationalistischen Ideologien ihre Politik, damit mobilisieren sie ihre Massen um Wahlen zu gewinnen. Im Wahlkampf benutzen sie eine nationalistische Hasssprache gegeneinander.
    Nach Außen reden sie von einem europäischen Weg, aber sie haben Angst davor. Denn durch die Einführung europäischer Standards würden sie ihre Macht und ihre Jobs verlieren. Sie wollen die Kontrolle über ihre nationalen Gebiete und keinen multikulturellen Staat Bosnien-Herzegowina. Solange das so ist, wird es bei uns keinen Fortschritt geben."
    Wenig Einwohner, viele Beamte
    Gut zwei Drittel der Einnahmen in Bosnien-Herzegowina verschlingt der aufgeblähte Staatsapparat. Das kleine Land hat die höchste Beamtendichte Europas. Posten werden nicht nach Fähigkeiten, sondern nach nationaler und familiärer Zugehörigkeit vergeben.
    Seit zwei Jahrzehnten ist der Staat der größte Arbeitgeber im Land. Die Bürokratie ist enorm und die Korruption im ansonsten armen Land allgegenwärtig. Für Reformen fehlt der politische Wille. Wirtschaftlich liegt Bosnien-Herzegowina am Boden. Die regierenden Parteien der Bosniaken, Serben und Kroaten liebäugeln mit dem Auseinanderfallen des Landes.
    In der Föderation Bosnien-Herzegowina zieht es den bosnischen Präsident Izetbegovic in Richtung Türkei und die Kroaten hoffen auf weitgehende Autonomie, wie sie die Serben bereits haben.
    Unterstützung aus Kroatien
    Unterstützung aus Kroatien scheint ihnen sicher, die neue national-konservative Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic kündigte ihren ersten Besuch ins Nachbarland bereits an.
    Die Serben haben zwei Präsidenten, einen pragmatischen in Sarajewo und einen nationalistischen in ihrer Republik Srpska. Letzterer, Milorad Dodik, wird nicht müde zu erklären, dass er ganz aus Bosnien-Herzegowina raus und zu Serbien gehören will, jüngst erklärte er in Belgrad:
    "Bosnien und Herzegowina funktioniert als einheitlicher Staat nicht. Er kann nicht überleben, es gibt keinen Konsens. Bosnien und Herzegowina hat bis jetzt nie etwas selbstständig verabschiedet. Auch das Dayton-Abkommen selbst wurde ihm aufgezwungen. Alle Lösungen in Bosnien und Herzegowina, auf allen Ebenen, wurden von der internationalen Gemeinschaft erzwungen. Sie ist genauso erfolglos, wie der Wunsch auf Fortschritt."
    "Wir brauchen Veränderung sofort"
    Die Europäische Union will auf die gesamtstaatliche Ebene setzten und falls es dort nicht funktioniert, will man einfach mit den drei Präsidenten Politik machen, um den Stillstand zu überwinden. Währenddessen laufen dem Land die Leute Weg. Deutschlernen liegt hoch im Kurs. Eine deutschlernende, angehende Juristin meint:
    "Wir brauchen Veränderung sofort. Wir brauchen junge Leute auf Positionen und etwas Neues für Bosnien-Herzegowina."