Donnerstag, 18. April 2024

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Bosnien und Herzegowina
Der mysteriöse Tod von David Dragicevic

Seit einem Jahr beschäftigt der Fall des Studenten David Dragicevic Bosnien und Herzegowina. Der 21-jährige Student war tot in einem Flussbett gefunden worden. Während die Polizei von einem Unfall im Drogenrausch spricht, vermuten Davids Eltern eine Vertuschung, die bis in die höchsten Sicherheitsebenen reicht.

Von Srdjan Govedarica | 19.03.2019
Suzana Radanovic küsste den Sarg ihres Sohnes David Dragicevic bei dessen zweiter Beerdigung in Wien. Noch immer ist unklar, wie der junge Student ums Leben gekommen ist.
Suzana Radanovic und Davor Dragicevic während der zweiten Beerdigung ihres Sohnes David in Wien (Borna Filic/PIXSELL )
Als Davor Dragicevic seinen Sohn David zum zweiten Mal zu Grabe trägt, steht ihm eine ungewöhnliche Mischung aus tiefer Trauer und trotziger Entschlossenheit im Gesicht geschrieben. Am offenen Grab überwiegt zunächst die Trauer. Mit versteinerter Miene und Tränen in den Augen küsst er den Sarg seines Sohnes noch ein letztes Mal. Doch dann ist die Entschlossenheit wieder da:
"Nichts wird vergessen oder vergeben."
David Dragicevic stirbt im März 2018 unter noch ungeklärten Umständen in Banja Luka, das ist die Hauptstadt der bosnischen Teilrepublik Srpska. Dort wird der damals 21-jährige Student auch begraben. Doch seine Eltern entscheiden sich zu einem drastischen Schritt.
Banja Luka, Anfang März. Davids Mutter Suzana am Grab ihres Sohnes. Das Grab ist geöffnet, Männer in weißen Schutzanzügen legen Davids Körper in einen frischen Sarg. 500 Kilometer weit weg von der Heimat soll er erneut beigesetzt werden, in einer kleinen Stadt neben Wien, wo seine Mutter Suzana wohnt. Für sie eine Entscheidung ohne Alternative:
"Weil dieser Staat und dieses System mein Kind getötet haben. Sie vertuschen ein Verbrechen, vernichten Beweismittel. Weder ich, noch sein Vater lassen es zu, dass unser Kind in einem solchen pervertierten Staat begraben bleibt."
Zufallsopfer eines Drogenkartells?
Davids Leiche wird im März 2018 in einem Abwasserkanal gefunden. Die Polizei verkündet schnell, David sei im Drogenrausch gestürzt und ertrunken. Davids Eltern glauben das nicht. Sie gehen davon aus, dass David Zufallsopfer eines Drogenkartells geworden ist, dessen Einfluss bis in die höchsten Ebenen des Sicherheitsapparats reicht. Davids Vater Davor formuliert es so:
"Ich kämpfe gegen Verbrecher aus den Institutionen dieses Staates, die auf ihren Funktionen sitzen. Das sind Mörder."
Inzwischen mussten die Behörden einige Ermittlungspannen einräumen. Sie gehen jetzt davon aus, dass David ermordet worden ist. Aufgeklärt haben sie dem Fall aber bis heute nicht. Davids Vater Davor - ein Veteran des Bosnienkrieges - beginnt vor gut einem Jahr Mahnwachen in Banja Luka abzuhalten. Daraus entsteht eine der größten Protestbewegungen in der Geschichte des Landes: "Pravda za Davida" – "Gerechtigkeit für David" treibt landesweit teilweise Zehntausende auf die Straßen.
Misstrauen in die Institutionen des Landes
Viele der etwa 250 Menschen, die zu Davids zweiter Beerdigung gekommen sind, tragen T-Shirts, Anstecker oder Transparente mit Symbolen der Bewegung. Allen gemeinsam ist tiefes Mitgefühl für Davids Eltern und ein nicht minder tiefes Misstrauen in die Institutionen des Landes Bosnien und Herzegowina. Das sagt auch Valentin Inzko, der sich als unerwarteter Gast der Trauergemeinde angeschlossen hat. Der österreichische Diplomat ist im Auftrag der Uno Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina:
"Da sind sich alle Bürger einig, ob Serben, Kroaten oder Bosniaken. Sie haben das Vertrauen verloren. Und auch in diesem Fall, bei David Dragicevic dauert es schon ein Jahr und wir wissen immer noch nicht unter welchen Umständen er gestorben ist."
Die Trauergäste in Wiener Neustadt stimmen einen Song an, den David als Jugendlicher geschrieben hat. Vater Davor umklammert bis zuletzt das Holzkreuz seines Sohnes. Auf der einen Seite des Kreuzes steht Davids Name, auf der Rückseite der Slogan "Gerechtigkeit für David". Diese Gerechtigkeit will Davids Vater jetzt mit einer Klage vor dem Obersten Gerichtshof in Bosnien und Herzegowina durchsetzen.