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Botaniker wurde über Nacht berühmt

Der Botaniker Julius Sachs interessierte sich vor allem für grundlegende Fragen: Wie bilden Pflanzen Wurzeln, wie schnell wachsen Stängel und Blätter? Atmen Pflanzen? Vor 140 Jahren hat Julius Sachs seine Erkenntnisse über die Photosynthese in veröffentlicht. Mit seinem ersten Buch landete er einen Coup - und wurde über Nacht berühmt.

Von Martin Winkelheide | 01.10.2005
    "Handbuch der Experimental-Physiologie der Pflanzen. Untersuchungen über die allgemeinsten Lebensbedingungen der Pflanzen und die Functionen ihrer Organe."

    Der Titel war Programm. Es ging dem jungen Forscher darum,

    "die allgemeineren Lebenserscheinungen der Pflanzen in ihre Einzelvorgänge zu zerlegen und sie auf ihre Ursachen zurückzuführen."Julius Sachs war der Begründer der modernen Pflanzen-Physiologie", so der Botaniker Michael Melkonian. Sachs beobachtete in seinem Labor, wie Pflanzen keimen, wachsen, blühen. Er stellte Fragen und versuchte, sie zu beantworten.

    "Er stellte das Experiment in der Vordergrund und damit unterschied er sich damals von fast allen anderen Pflanzenwissenschaftlern."

    Nach Sachs Ansicht "lagen die Entdeckungen damals am Wege, die Botaniker trieben andere Dinge."Man weiß ja, dass er 16 Stunden am Tag arbeitete, sieben Tage in der Woche, keine Ferien sich nahm. "

    Julius Sachs wurde 1832 in Breslau geboren. Sein Vater, ein Kupferstecher, starb 1848 an einem Schlaganfall, seine Mutter ein Jahr später an der Cholera. Der Prager Physiologe Johann Evangelista Purkinje nahm den Jungen auf. Er konnte das Abitur nachholen und ein Studium der Naturwissenschaften absolvieren. Sachs arbeitete für Purkinje als wissenschaftlicher Assistent und als Zeichner. Zeichnen, das hieß für Sachs zeitlebens: Beobachten und Fragen stellen. "Was man nicht gezeichnet hat, hat man nicht gesehen."

    Mit 24 Jahren promovierte Sachs. Als es ihm gelang, Pflanzen, ohne Erde, nur in einer Nährlösung - in "Wasserkultur" - groß zu ziehen, wurde die sächsische Akademie für Landwirtschaft in Tharandt auf den jungen Privatdozenten aufmerksam.

    "Das hat er eingeführt, aber doch nicht mit dem Hintergrund der Anwendung, sondern er war - das ist hoch interessant - interessiert an einer ganz einfachen Frage: Wie bilden sich an einer Wurzel Seitenwurzeln? Und um das zu studieren, musste die Wurzel raus aus dem Boden, damit man das sehen konnte."

    1861, mit 28 Jahren wurde Sachs an die Landwirtschaftliche Akademie Poppelsdorf in Bonn berufen. Diese Anstellung gab ihm die finanzielle Sicherheit, seine Prager Verlobte Johanna Claudius zu heiraten, und er konnte seine Experimente auf nahezu alle Gebiete der Pflanzenforschung ausdehnen.

    "Die Versuche waren aus der heutigen Sicht betrachtet natürlich einfach, aber sie waren genial. Sie sind in die Lehre der Botanik eingegangen und werden heute auch als exemplarische Versuche durchgeführt."

    So verfeinerte Sachs eine einfache Färbe-Methode, die so genannte Jod-Jod-Kalium-Probe, um Stärke, die von Pflanzen gebildet wird, nachzuweisen.

    "Man präpariert das Blatt und dann gibt es einen blauen Komplex, weil sich diese Jod-Kristalle in die Stärkemoleküle einlagern. Und diesen blauen Komplex kann man dann mit dem Mikroskop in den Chlorophyll-Körnern, in den Chloroplasten, sichtbar machen."

    Sachs schloss also: Die Stärke wird in den Organen der Pflanzen gebildet, die den grünen Pflanzenfarbstoff enthalten, das Chlorophyll. "Die Chlorophyllkörner sind das Assimilationsorgan der Pflanze."

    Sachs war bekannt, dass Pflanzen bei Licht Kohlendioxyd aufnehmen und Sauerstoff abgeben. Und er wusste: Pflanzen bilden Kohlenhydrate - also Stärke. Seine Experimente zeigten nun: beide Phänomene gehören zusammen.

    "Da hat er sehr geniale Versuche entwickelt, zum Beispiel kann man ein Blatt teilen und kann ein Hälfte belichten, die andere Hälfte abdecken und nur dort, wo das Licht hinkommt, kann er die Stärke nachweisen. Assimilation - also die Bildung von Kohlenhydraten insbesondere eben Stärke - das hat er in Zusammenhang gebracht mit dem Chlorophyll, dem Blattfarbstoff, dem Licht und dem Kohlendioxyd. Und das ist sicherlich eine der vielen fundamentalen Leistungen von Julius Sachs."

    Aus Kohlendioxyd und Wasser bilden Pflanzen bei Licht mit Hilfe des Chlorophylls Stärke und Sauerstoff. So wird seit dem 1. Oktober 1865, als Julius Sachs sein "Handbuch der Experimental-Physiologie der Pflanzen" veröffentlichte, das Grundprinzip der Photosynthese erklärt. Wie diese Reaktion im Detail abläuft, daran forschen Botaniker noch heute.

    "Wenn man das zusammenfassen möchte, was Sachs für die entstehende Pflanzenphysiologie geleistet hat, dann kann man sagen: Sachs hat das Gebäude gebaut und die anderen haben das Mobiliar reingestellt. "