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Botanische Gärten
Horte der biologischen Vielfalt

In Deutschland gibt es 90 Botanische Gärten - und seit dem Wochenende einen weniger. Der Botanische Garten der Universität Saarbrücken wurde zu Monatsbeginn geschlossen. Die lebenden Pflanzensammlungen dienen aber längst nicht mehr nur der Forschung und Lehre, wie sich zum Beispiel bei einer Führung im Botanischen Garten in Mainz zeigte.

Von Anke Petermann | 04.04.2016
    Eine Titanwurz blüht im Botanischen Garten Kiel. Besucher bestaunen die Pflanze.
    Eine Titanwurz blüht im Botanischen Garten Kiel. (picture alliance / dpa - Christian Charisius)
    "Deshalb heute auch eine bisschen zornige Führung", so Ralf Omlor. Das Aus für das Pendant im Saarland sieht der Kustos des Botanischen Gartens der Uni Mainz als Tabubruch und Einschnitt ins Netz der universitären Forschungssammlungen. Von 300.000 Arten werden 100.000 in Botanischen Gärten weltweit kultiviert. "Also, ein Drittel der Pflanzenvielfalt der Erde ist in Botanischen Sammlungen – Lebendsammlungen, nicht nur getrocknet in Herbarien, sondern in Botanischen Lebendsammlungen, in Gärten, jederzeit für Forschung und Lehre abrufbar. Das ist der Grund, warum es auch Sinn macht, ein großes Netz von Botanischen Gärten aufrecht zu erhalten."
    Gärten sind Publikumsmagneten
    Weil sie gemäß regionaler Wachstumsbedingungen unterschiedlich spezialisiert sind. 8.000 Arten kultiviert die Mainzer Sammlung - vom ostafrikanischen Geweihfarn im tropischen Gewächshaus über die gelbgrün leuchtende alpine Palisaden-Wolfsmilch bis zum zarten Steppengras. Der einstige Wissenschaftsgarten der Gutenberg-Uni hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert zum öffentlichen Park und Zentrum der Umweltbildung für die gesamte Region fortentwickelt. Das Gärtnern mit Kindern in der Grünen Schule und die sonntägliche Elf-Uhr-Führung – Publikumsmagneten: mehr als hundert Interessenten allein bei der Jubiläumsführung, darunter Multiplikatoren vom Fach, wie die Mainzer Waldpädagogin Margun Schmitz.
    "Also, zur Umweltbildung, denke ich, trägt bei, dass ganz fantastische alte Baumarten da sind, die wir hier im Lenneberger Wald – die haben wir dort gar nicht – das ist hier Holzwirtschaft im Lenneberger Wald. Und hier sind noch Arten, die gepflegt werden, die noch gesund sind. Also, man kann hier Arten sehen, von denen man sonst nur liest."
    Zudem ist das Arboretum eine Augenweide mit weiß-gelb-violett blühenden verwilderten Kissenprimeln unter den Bäumen, später dann mit gelben Schlüsselblumen. Bevor man dort hinkommt, passiert man Naturlandschaften wie die Steppe. Ralf Omlor deutet auf das abgemähte Areal, wo im Sommer die seltene Sandlotwurz violett blüht, der Mainzer Sand ist der westlichste Standort dieser Steppenpflanze.
    Teil der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt
    "Und das machen wir dann zum Teil auch, dass wir Pflanzen in Zusammenarbeit mit dem NABU oder ähnlichen Organisationen, die Biotope betreuen und sagen, hier haben wir nur noch wenige Exemplare‘, dann machen wir eine Vermehrung im Botanischen Garten, wenn es klappt, und dann werden die so schnell wie möglich ausgepflanzt, um die Population dort zu stärken. Solche Aufgaben nehmen Botanische Gärten zunehmend wahr, seit vielleicht zehn, 15 Jahren, und das wird eine immer wichtigere Aufgabe." Insofern sind Zoologische und Botanische Gärten seit 2007 auch Teil der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt: als "Kompetenzzentren für Biodiversität" nämlich.
    "Was ist passiert? Haben wir mehr Geld gekriegt? Haben wir nicht. Nach wie vor kommt unser gesamtes Geld von der Universität." Die soll Forschung und Lehre leisten, nicht Naturschutz. Eigentlich, so meint der Mainzer Kustos, müssten die zuständigen Bundesländer ihren Botanischen Gärten die Mittel für diese Aufgabe sichern. Hessen zum Beispiel zahlt für seinen Frankfurter Botanischen Garten. In Rheinland-Pfalz wird soeben eine Ampel-Koalition ausgehandelt. Mit Grünen, die in der Vorgängerregierung Dreyer einige Millionen Euro für den Nationalpark Hunsrück-Hochwald als Hort für biologische Vielfalt locker machten. Und mit einer FDP, die stets betont, dass der Staat wieder Geld für seine Kernaufgaben aufbringen müsse. Ob die neue Landesregierung die Artenschutz-Aktivitäten eines Botanischen Gartens dazu zählt, bleibt aber vorerst offen. Das Saarland hatte die halbe Million Euro Jahresetat für sein lebendes Naturkundemuseum nicht aufbringen wollen.