Die ehemalige Werkhalle der Berthier-LKW-Fabrik, die als Ausweichquartier das Odeon-Theater beherbergt, hat kahle betongraue Wände. Entlang dieser Wände und neben der offenen Bühne stehen ein paar Stühle und einiges an theatralischem Beiwerk - in der Mitte ragt Luccio Fantis Dekor auf: Zwei in konzentrischen Schienen laufende runde Kulissen, aus denen man ein Modell der römischen Colosseumsruine herauslesen kann. Das ist ein Dekor, das sich zwischen den Szenen verschiebt, wobei sich die Durchgänge der Rundbögen zueinander öffnen und schliessen.
Gefährlich sieht das aus, wenn derweil die Menschen hindurchgehen, wie durch eine Zerkleinerungsmaschine. Architektur als Schneidwerkzeug für Verstümmelungen jeder Art. Wieder hat der italienische Bühnenbildner eine unentschieden zwischen Innen- und Außenraum changierende Welt errichtet und wiederum hat er damit einer Inszenierung das gedankliche Territorium vorgegeben. Zu Beginn kommen die Figuren der Titus-Andronikus-Nachdichtung laut diskutierend von einem Seiteneingang auf die Bühne.
Dieses verkommene Rom ist eine offene theatralische Versuchsanordnung und kein hermetisch in sich geschlossenes Blut- und Greuelmärchen. Rings um den kapriziösen Herrscher Saturnin, den Marcial di Fonzo Bo als labilen Neurotiker spielt, der auch seine reichsgefährdende Liebschaft mit der Goten-Königin Tamora als eine schicke Party-Marotte zu erleben scheint, versammelt sich ein disparater Hofstaat. Tatsächlich inszeniert Bondy, ansonsten immer ein Regisseur geschlossener theatralischer Erzählformen, hier schon einen Bruch. Ein Schauspieler nach dem anderen kommt in einen Lichtkegel an der Vorderbühne und befragt sich zu seiner Rolle, bis hin zur Figur einer Regisseurin, die sich zum Sinn ihrer Arbeit an der Titus-Andronikus-Nachdichtung befragt.
Was die extremen Grausamkeiten der Figuren mit unserem Leben zu tun haben, fragt sich die erfundene Regisseurin, der ansonsten nicht, wie sie sagt, an einer coolen Inszenierung gelegen ist. Und tatsächlich inszeniert Bondy zum Beispiel die Vergewaltigung und Verstümmlung der Titus-Andronicus-Tochter Lavinia durch zwei Söhne der Gotenkönigin Tamora mit bedrückender Detailliebe zwischen Müllcontainern. Aber warum nur bleiben diese Theaterbilder ohne Verbindung zu den erschütternden zeitgenössischen Berichten einer wachsenden Grausamkeit und Gewaltbereitschaft unserer Medien.
Vielleicht hätte es darum gehen müssen, die Herrschaft der Brutalitäten als einen gesellschaftlichen Verfallsprozess, auch aus der Dekadenz der politischen Kultur zu erklären. Hier aber bleibt die Aufführung blass und unentschieden. Eben nur wo es darum geht, den Horror des Privaten zu bebildern, gelingen Bondy bedrückende Szenen. So setzen sich Vergewaltigung und Verstümmelung der Lavinia im Leiden unter dem fühllosen Vater fort. Die Vergewaltigung auf anderer Ebene ist nunmehr seelische Grausamkeit. Das Dekor hat sich nun, im zweiten Teil des langen Theaterabends zunehmend zur Salonwelt geschlossen, einer Welt in der das makabre Diner stattfindet, in dem Titus sich an der Gotenkönigin Tamora rächt, indem er ihr den eigenen Sohn als Ragout vorsetzt. Gérard Desarthe spielt den Feldherrn, den Heimkehrer in eine marode Zivilgesellschaft mit dem Charme eines aus alter Vorzeit in die Gegenwart gestolperten Patriarchen, Christine Boisson die fremde Frau als kalte Karrieristin der Erotik, als hemmungslos von Macht über Männer Besessene.
Ganz am Ende kommen wir dann doch noch einmal ins gewohnte Strauß-Bondy-Land der Geschlechterkämpfe. In diesem Trio verkörpert Dörte Lyssewski die stumme Tochter in ihrer verzweifelten Rebellion gegen die väterlichen Fühllosigkeiten. Indem sie an Sehnsucht und Begierde als etwas eigenem, nicht auf dem Markt der Mächte Verhandelbarem festhält, auch nach der grausamen Erfahrung der Vergewaltigung, ist sie allein Gegengewicht zur Gesellschaft der Brutalos, für die Mord und Folter vor allem mit Machtgier zu tun haben. Deren politische Einfärbung bleibt unklar. Die Aufführung verharrt, wie die Folterbilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib an der Oberfläche gruseliger Phänomene, und erklärt eben wenig von den dies erst ermöglichenden und fördernden Hierarchien. Sie zeigt wenig vom verordneten Terror, aus dem sich dieser römischer Untergang speist. Und deshalb ist hier schönes Theater eigentlich nur da zu haben, wo Botho Strauß und Luc Bondy, für die politische Gruselgeschichten ohnehin nichts sind, immer schon überzeugten: Im vertrauten Salon, und beim abschließenden Diner for two.
Gefährlich sieht das aus, wenn derweil die Menschen hindurchgehen, wie durch eine Zerkleinerungsmaschine. Architektur als Schneidwerkzeug für Verstümmelungen jeder Art. Wieder hat der italienische Bühnenbildner eine unentschieden zwischen Innen- und Außenraum changierende Welt errichtet und wiederum hat er damit einer Inszenierung das gedankliche Territorium vorgegeben. Zu Beginn kommen die Figuren der Titus-Andronikus-Nachdichtung laut diskutierend von einem Seiteneingang auf die Bühne.
Dieses verkommene Rom ist eine offene theatralische Versuchsanordnung und kein hermetisch in sich geschlossenes Blut- und Greuelmärchen. Rings um den kapriziösen Herrscher Saturnin, den Marcial di Fonzo Bo als labilen Neurotiker spielt, der auch seine reichsgefährdende Liebschaft mit der Goten-Königin Tamora als eine schicke Party-Marotte zu erleben scheint, versammelt sich ein disparater Hofstaat. Tatsächlich inszeniert Bondy, ansonsten immer ein Regisseur geschlossener theatralischer Erzählformen, hier schon einen Bruch. Ein Schauspieler nach dem anderen kommt in einen Lichtkegel an der Vorderbühne und befragt sich zu seiner Rolle, bis hin zur Figur einer Regisseurin, die sich zum Sinn ihrer Arbeit an der Titus-Andronikus-Nachdichtung befragt.
Was die extremen Grausamkeiten der Figuren mit unserem Leben zu tun haben, fragt sich die erfundene Regisseurin, der ansonsten nicht, wie sie sagt, an einer coolen Inszenierung gelegen ist. Und tatsächlich inszeniert Bondy zum Beispiel die Vergewaltigung und Verstümmlung der Titus-Andronicus-Tochter Lavinia durch zwei Söhne der Gotenkönigin Tamora mit bedrückender Detailliebe zwischen Müllcontainern. Aber warum nur bleiben diese Theaterbilder ohne Verbindung zu den erschütternden zeitgenössischen Berichten einer wachsenden Grausamkeit und Gewaltbereitschaft unserer Medien.
Vielleicht hätte es darum gehen müssen, die Herrschaft der Brutalitäten als einen gesellschaftlichen Verfallsprozess, auch aus der Dekadenz der politischen Kultur zu erklären. Hier aber bleibt die Aufführung blass und unentschieden. Eben nur wo es darum geht, den Horror des Privaten zu bebildern, gelingen Bondy bedrückende Szenen. So setzen sich Vergewaltigung und Verstümmelung der Lavinia im Leiden unter dem fühllosen Vater fort. Die Vergewaltigung auf anderer Ebene ist nunmehr seelische Grausamkeit. Das Dekor hat sich nun, im zweiten Teil des langen Theaterabends zunehmend zur Salonwelt geschlossen, einer Welt in der das makabre Diner stattfindet, in dem Titus sich an der Gotenkönigin Tamora rächt, indem er ihr den eigenen Sohn als Ragout vorsetzt. Gérard Desarthe spielt den Feldherrn, den Heimkehrer in eine marode Zivilgesellschaft mit dem Charme eines aus alter Vorzeit in die Gegenwart gestolperten Patriarchen, Christine Boisson die fremde Frau als kalte Karrieristin der Erotik, als hemmungslos von Macht über Männer Besessene.
Ganz am Ende kommen wir dann doch noch einmal ins gewohnte Strauß-Bondy-Land der Geschlechterkämpfe. In diesem Trio verkörpert Dörte Lyssewski die stumme Tochter in ihrer verzweifelten Rebellion gegen die väterlichen Fühllosigkeiten. Indem sie an Sehnsucht und Begierde als etwas eigenem, nicht auf dem Markt der Mächte Verhandelbarem festhält, auch nach der grausamen Erfahrung der Vergewaltigung, ist sie allein Gegengewicht zur Gesellschaft der Brutalos, für die Mord und Folter vor allem mit Machtgier zu tun haben. Deren politische Einfärbung bleibt unklar. Die Aufführung verharrt, wie die Folterbilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib an der Oberfläche gruseliger Phänomene, und erklärt eben wenig von den dies erst ermöglichenden und fördernden Hierarchien. Sie zeigt wenig vom verordneten Terror, aus dem sich dieser römischer Untergang speist. Und deshalb ist hier schönes Theater eigentlich nur da zu haben, wo Botho Strauß und Luc Bondy, für die politische Gruselgeschichten ohnehin nichts sind, immer schon überzeugten: Im vertrauten Salon, und beim abschließenden Diner for two.