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Boykott europäischer Klimaabgabe

Der Europapolitiker Karl-Heinz Florenz rechtfertigt die EU-Verpflichtung für Fluggesellschaften, sich am Emissionshandel zu beteiligen. Trotz Widerstands aus asiatischen Ländern und den Vereinigten Staaten sei es richtig, dass Europa vorangehe.

Karl-Heinz Florenz im Gespräch mit Jule Reimer | 06.02.2012
    Jule Reimer: Seit dem 1. Januar sind alle in Europa startenden und landenden Fluggesellschaften dazu verpflichtet, sich am Handel mit CO2-Zertifikaten zu beteiligen. Dagegen gab es schon vor der Einführung überall in der Welt Protest, China macht jetzt Nägel mit Köpfen - China boykottiert Klimaschutzabgabe für Airlines (MP3-Audio) und verbietet seinen Airlines, ohne Regierungserlaubnis an dem Emissionshandel teilzunehmen (MP3-Audio)

    Am Telefon ist jetzt Karl-Heinz Florenz, CDU-Politiker und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. Neben den Chinesen haben andere asiatische Staaten, darunter auch Schwergewichte wie Indien, Vergeltungsmaßnahmen gegen die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel angekündigt. Herr Florenz, holt sich die EU mit ihren Klimaschutzplänen jetzt eine blutige Nase?

    Karl-Heinz Florenz: Also das wäre ganz furchtbar, denn wir machen ja Klimaschutzpolitik nicht, um irgendwelche Sektoren zu verärgern, sondern wir machen Maßnahmen, damit wir den Klimawandel in den Griff bekommen, oder zumindest, dass der Klimawandel uns nicht in den Griff bekommt, und wir reden hier von Maßnahmen in einem Sektor, der bis 2020 sich verdoppeln wird und im letzten Jahr schon dramatische Steigerungen an Flugverkehr hat, was ich nicht kritisiere, aber es geht nicht an, dass jeder kleine Handwerker, jeder Spediteur, auch jeder Autofahrer im Übrigen und jede Industrieanlage sich um diesen Klimawandel, um die Zertifikate, um das CO2-Problem kümmern muss und ausgerechnet die am stärksten wachsende Gruppe, die ganz große Verschmutzer sind, die sollen wir befreien. Das kann einfach nicht richtig sein.

    Reimer: Nun konkurriert der Handwerker in Deutschland nicht notwendigerweise mit dem Handwerker in China, aber wohl die Fluglinien miteinander, und China argumentiert, dass die EU-Pläne nicht mit den gängigen Luftverkehrsabkommen übereingehen.

    Florenz: Also ich denke mir, dass irgendeiner weltweit anfangen muss. Wir haben mit den Amerikanern ja frühzeitig gesprochen und die haben sich auf diesem Ohr ja immer taub gestellt. Die Amerikaner hätten locker mit Europa dieses ECS für den Luftfahrtbereich machen können, aber sie wollten gar nichts und deswegen ist es richtig, dass Europa vorangeht. Ich bin in diesem Geschäft schon viele Jahre tätig, in dem Klimageschäft, und wir haben immer wieder gesehen, dass die Wettbewerbsverzerrungen relativ schnell durch andere Länder ausgeglichen worden sind, indem die gesagt haben, ja, wir müssen auch etwas tun. Indien und China und die Vereinigten Staaten können gar nicht anders, als in sehr kurzer Zeit auf solche Aktivitäten zuzugehen und vergleichbare Instrumente einzuführen.

    Reimer: Die US-Regierung will ebenfalls den Airlines verbieten, am Handel teilzunehmen, und es sind ganz konkrete Vergeltungsmaßnahmen auch angekündigt worden: Überflugverbote, andere Formen von Steuern oder Aufschlägen. Das klingt doch nach einer harten Auseinandersetzung.

    Florenz: Also man muss sich ja über die amerikanische Politik wirklich wundern. Obama ist angetreten, um transparent zu sein, und jetzt auf einmal in einer Frage, wo es um einen Flug von London nach New York geht - da reden wir über fünf oder sechs Euro -, da wollen sie mit harten Sanktionen und Flugverbot gegen Europa aufwarten. Die müssen sich wirklich überlegen, ob das die richtige Antwort auf moderne Klimapolitik ist. Das ist sie ganz sicher nicht!

    Reimer: Aber Sie haben ja ziemlich viele gegen sich in diesem Fall. Muss sich die EU eine Kompromisslösung überlegen, oder das ganze System abschaffen?

    Florenz: Also ich glaube, wenn wir jetzt anfangen würden, das auszusetzen, das wäre auch das vollkommen falsche Signal. Und im Übrigen: Wenn man einen Wettstreit begeht, dann haben sie alle gegen sich, und natürlich sind diejenigen, die sich dem Klimawandel nicht verschrieben haben, leichtfertig in dieser Frage. Ich glaube, Europa wäre falsch beraten, wenn wir jetzt, wie das einige Kollegen von mir fordern, den ETS-Handel aussetzen würden. Das Problem würde ja auch nicht gelöst. Der Klimawandel kann ja auch nicht ausgesetzt werden. Ich glaube sogar, dass solche Instrumente dazu führen, dass das zu noch viel saubereren Triebwerken führen wird, wir sind ja sowieso schon auf einem guten Weg. Also ich sehe da durchaus noch eine ökonomische Chance. Ich bestreite nicht, dass der europäische Luftfahrtbereich durchaus Wettbewerb hat, aber dieser Wettbewerb wird nicht entschieden an zwei oder vier oder fünf oder vielleicht in den entferntesten Distanzen auch 20 Euro, aber das sind die ganz weit entfernten. In Europa reden wir von zwei Euro.

    Reimer: Die Zeit läuft weg, danke an den Europaparlamentarier Karl-Heinz Florenz für dieses Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.