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Der Bienenforscher Robert Paxton

Bienen sind nützliche Tiere. Ohne ihre Bestäubung wäre zum Beispiel der Obstanbau fast unmöglich. Auch deshalb erhält die Honigbiene viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Zu den Top-Adressen in Sachen Bienenforschung gehört die Universität Halle-Wittenberg. Dort hat der Biologe Robert Paxton sein Labor.

Von Joachim Budde | 09.10.2018
    Professor Robert Paxton von der Universität Halle/Saale
    Spitzenforschung auf dem Feld der Honigbiene: Der Brite Robert Paxton von der Universität Halle/Saale (Joachim Budde)
    Wenn Professor Robert Paxton sein Labor an der Universität in Halle betritt, informiert er sich rasch über den Stand der Projekte mit den Hummeln und Bienen. Seine Doktorandin Delphine Panziera ist Französin. Anja Tehel kommt aus Deutschland. 20 Menschen aus acht Nationen arbeiten in Paxtons Gruppe. Selbstverständlich ist Englisch hier die Umgangssprache.
    Robert Paxton ist ein drahtiger Mann, dem nicht anzusehen ist, dass er auf die 60 zugeht. Nur einzelne graue Strähnen hellen seine schwarzen Haare auf. Er geht zu Anja Tehels Tisch. Die Doktorandin sammelt gerade frisch geschlüpfte Honigbienen von einem Rähmchen mit Brutwaben aus dem institutseigenen Bienenstock. Die Nachwuchsforscherin testet, wie sich Viren, die Honigbienen krank machen, auf Hummeln auswirken.
    Forschung an der Erdhummel
    Robert Paxton öffnet einen Klimaschrank, nimmt einen Papp-Würfel heraus und klappt ihn auf. "Bombus terrestris auf Deutsch die Erdhummel. - Thank you Delphine! - Und drinnen sehen wir in der Mitte eine große Königin und nebenan verschiedene kleinere Arbeiterinnen, die Töchter der Königin, und Brut, Puppen und Larven ..."
    Diese Hummeln bleiben ihr Leben lang in dem Karton. Draußen könnten sie sich Krankheitserregern einfangen. Das könnte die Tests mit den Viren verfälschen. Die Hallenser Biologen haben zwei Infektionswege getestet. Robert Paxton: "Wenn wir sie füttern: Keinen Einfluss hat sie gefunden beim Füttern. Und wenn wir sie injizieren. Und da sehen wir eine große Wirkung."
    Wenn die Biologen die Viren spritzen, simulieren sie das, was die Varroa-Milben den Bienen antun: Die Parasiten saugen Blut. Dabei übertragen sie die Erreger und verursachen schwere Schäden. Hummeln bleiben bislang von der Milbe verschont. Zum Glück, denn sie haben keine Imker, die ihnen gegen die Milbe helfen könnten, und wären dem Untergang geweiht. Und mit ihnen gerieten viele Pflanzen in Schwierigkeiten, die Hummeln als Bestäuber brauchen.
    Bestäubung in der Stadt funktioniert besser
    Diese sogenannten Ökosystemdienstleistungen sind überlebenswichtig. Deshalb untersuchen Robert Paxton und sein Team, wie gut Bestäuber in der vom Menschen geprägten Umwelt zurechtkommen. Intuitiv würde wohl jeder vermuten, dass das auf dem Land besser funktioniert als in der Stadt. Robert Paxton: "Wir haben das Gegenteil gefunden. Wir haben gefunden, in der Stadt findet die Bestäubung - experimentell gemessen - besser statt als auf dem Land. O goodness me! Auf dem Land hätte ich erwartet, dass mehr Wildbienen und Hummeln vorhanden sind, das waren naturnahe Habitate voll mit Blumen. Für mich ist es keine gute Perspektive für die Landwirtschaft."
    Heute befasst sich Robert Paxton viel mit solch praktischen Fragen. Während seiner Doktorarbeit über Evolutionsstrategien und Geschlechterverhältnisse an der Universität Sussex Anfang der 1980-er Jahre interessierte er sich eher für die Grundlagen der Biologie. Ihn faszinierte das soziale Miteinander der Bienen und ihre Fähigkeit, Staaten zu bilden. Er wollte wissen: Wie ist diese Sozialität im Laufe der Evolution entstanden?
    "Ich habe angefangen mit Bienen wegen dieser Fragestellungen, und jetzt, da ich zurück in Deutschland bin, habe ich die Möglichkeit die Frage noch mal richtig zu beantworten." Die Professur in Halle ist bereits seine zweite wichtige Station in Deutschland. Er habilitierte sich im Jahr 2000 an der Universität Tübingen. "Das hat mir gut gefallen. Was schwierig ist in Deutschland, ist, eine feste Stelle als Professor zu kriegen. Und vielleicht ist es kein Wunder, dass sich diese nur im Vereinigten Königreich gefunden hatte. Deshalb bin ich nach Belfast gegangen, weil die Verträge in Deutschland waren alle befristete Verträge."
    Zurück zu den eigenen Wurzeln
    Mit der Professur in Nordirland im Rücken bewarb er sich im Jahr 2008 auf die Professur an der Universität Halle: "Ich habe Erfolg gehabt. Auf Englisch würde ich sagen: ‚I have not looked back.’ Ich habe das nicht bereut." Auf der anderen Seite des Ärmelkanals ist die Freude hingegen nicht ungeteilt. Professor Mark Brown von der Royal Holloway University of London hat seit dem Jahr 2000 immer wieder mit Robert Paxton zusammen geforscht. Er sieht dessen Wechsel nach Deutschland mit gemischten Gefühlen:
    Mark Brown: "Für Deutschland ist es großartig. Und wäre Großbritannien nicht dabei, die EU zu verlassen, wäre es auch für uns keine große Sache, weil grenzüberschreitende Forschungszusammenarbeit in Europa fantastisch funktioniert. Aber weil wir wahrscheinlich den Brexit kriegen, ist es ein großer Verlust. Seine Arbeit zu Bestäubern und zur Bestäubung, aber auch über den Einfluss von Viren und anderer Krankheitserreger auf Honigbienen ist wirklich Spitzenforschung in diesem Feld."
    In Halle fühlt sich Robert Paxton wohl. Auch wenn die Sprache ihm schwerer fällt als vielleicht nötig. Denn er hätte sie schon als Kind lernen können. Seiner Mutter war Deutsche, lernte hier seinen Vater kennen und ging mit ihm 1947 nach Schottland. "Ich kann mich erinnern, meine Mutter - das war in den 60er Jahren -, dann hab ich hab ich mit ihr Englisch gesprochen. Und ich habe gesagt: ‚Sollen wir deutsch sprechen?‘ – ‚Nein‘, hat sie gesagt. ‚Wir sind von Deutschland weg. Ich denke, du gehst nie wieder zurück nach Deutschland.‘ Und guck, was passiert ist! Jetzt bin ich in Deutschland."