Mittwoch, 24. April 2024

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Brand im Zoo
VdZ: Artgerechte Tierhaltung wird in Krefeld umgesetzt

Der Anspruch in der Tierhaltung steige stetig - das werde auch im Krefelder Zoo umgesetzt, sagte Julia Kögler vom Verband der Zoologischen Gärten im Dlf. So habe man dort schon vor dem Unglück ein neues Schimpansenhaus geplant. Neben ausreichend Platz sei auch wichtig, den Tieren Anregung zu bieten.

Julia Kögler im Gespräch mit Georg Ehring | 03.01.2020
Die Reste des abgebrannten Affenhauses.
Das Affenhaus nach dem Brand, bei dem über 30 Affen gestorben sind. (Revierfoto)
Georg Ehring: Ein schrecklicher Unfall in der Silvesternacht: Mehr als 30 Tiere starben im Zoo von Krefeld, darunter acht Menschenaffen. Über den Brand selbst haben wir ausführlich berichtet, er hat auch eine Debatte über Tierhaltung in Zoos überhaupt ausgelöst.
Dabei geht es gerade um Affen, die sind schließlich unsere nächsten Verwandten im Tierreich. Ist es eigentlich in Ordnung, so intelligente Tiere in Gefangenschaft zu halten? Diese Frage habe ich Julia Kögler gestellt, sie ist stellvertretende Geschäftsführerin des Verbandes der Zoologischen Gärten.
Julia Kögler: Guten Tag! Ich gebe Ihnen erst mal recht. Affen sind oder gerade Menschenaffen sind natürlich hochintelligente Säugetiere, und dementsprechend haben die zoologischen Gärten, die wissenschaftlich geleitet werden, jedenfalls die, die in unserem Verband organisiert sind, ihre höchsten Ansprüche an die Tierhaltung. Wir sind natürlich der Meinung, dass man Menschenaffen artgerecht halten kann. Es ist ein Ersatzlebensraum, der aber so gut strukturiert ist für die Tiere und ihnen ausreichend Platz bietet und auch dafür sorgt, dass sie ihre Sozialstruktur, wie sie in der Natur vorkommt, dort ausleben können. Dementsprechend ist der Anspruch in der Tierhaltung natürlich auch stetig gestiegen. Das sieht man jetzt auch daran, dass der Zoo Krefeld zum Beispiel auch schon vor diesem Unglück jetzt ein neues Affenhaus geplant hatte, um die Tiere dort artgerecht unterzubringen. Zum anderen muss man natürlich sagen, dass artgerechte Tierhaltung in Deutschland alleine schon durch das sehr strenge Tierschutzgesetz befürwortet wird. Natürlich unterliegen unsere zoologischen Gärten und damit auch die Menschenaffenhaltung in unseren Zoos strengen Auflagen durch das Tierschutzgesetz und natürlich einer entsprechenden stetigen behördlichen Kontrolle.
Enrichment - Beschäftigung für die Tiere
Ehring: Wie viel Platz brauchen denn Affen? Gehört da auch ein Freigelände auf jeden Fall dazu?
Kögler: Ich glaube, es ist gar nicht eine Frage des Platzes. Das wird immer so sehr gerne darüber definiert. Ich glaube, eine gute artgerechte Tierhaltung ist natürlich zum einen ausreichender Platz, aber was viel wichtiger ist, ist natürlich auch die Strukturierung der Gehege, das Enrichment, was wir anbieten, um die Tiere auch mental fit zu halten.
Ehring: Was muss ich mir darunter vorstellen unter Enrichment?
Kögler: Entschuldigung, Enrichment ist sozusagen Beschäftigung für die Tiere, das heißt, die werden versucht mental anzuregen, dadurch, dass die natürlichen Verhaltensweisen der Tiere angeregt werden, zum Beispiel über die Futtersuche. Menschenaffen sind ja in der Natur ein Großteil der Zeit damit beschäftigt, ihr Futter zu suchen, und da ist man natürlich inzwischen auch schon davon weg, vielleicht wie vor langer Zeit gemacht wurde immer, ich sage mal, zum Beispiel das Futter an der gleichen Stelle auszugeben. Natürlich wird das verstreut, das wird in Kästen ausgegeben, es wird sozusagen mit Knobelaufgaben ausgegeben. Das heißt, Menschenaffen werden auch dazu angeregt, zum Beispiel Futter aus Holzstangen raus zu angeln und ihre natürliche Intelligenz zu benutzen, so wie es in der Natur auch passiert.
"Wir bieten artgerechte Ersatzlebensräume für die Tiere"
Ehring: Es gibt ja Zoos, die setzen darauf, Lebensräume nachzubauen, nicht ein Affengehege, sondern eine Landschaft für Tiere des Urwaldes, der Savanne. Ist das der Trend der Zukunft in der Affenhaltung auch?
Kögler: Ja, das ist gar kein Trend, sondern das wird schon seit langer Zeit umgesetzt. Natürlich bieten wir Ersatzlebensräume. Wir können natürlich nicht die Natur in der Gänze imitieren, aber wir bieten artgerechte Ersatzlebensräume für die Tiere, die angepasst sind, je nachdem, wie die Tiere in ihrem natürlichen Vorkommensgebiet leben, und dazu gehört natürlich auch, dass man sich heutzutage Gehege natürlich ganz anders strukturiert, als man das vielleicht vor einiger Zeit noch gemacht hat.
Ehring: Nun gibt es ja Affenhäuser, die sind auch was älter. Das in Krefeld war ja auch nicht gerade neusten Datums. Kann man die dann nachrüsten, und passiert das auch?
Kögler: Also der Zoo Krefeld ist ja ein gutes Beispiel dafür, die hatten ja schon jetzt vor der Brandkatastrophe Pläne und auch ein Spendenaufruf, sozusagen für ein neues Schimpansenhaus. Nebenan ist noch ein modernes Gorillahaus. Das heißt, das zeigt ja, dass sich die Tierhaltung in unseren Zoos stetig verbessert und dass auch die Anlagen modernisiert werden je nach technischem Stand. Es gibt ja heutzutage auch neue technische Möglichkeiten oder auch Baumaterialien, mit denen man die Gehege noch natürlicher gestalten kann. Das wird natürlich in Krefeld, aber auch in anderen Zoos stetig umgesetzt.
"Zoos sind wichtige Bildungsorte"
Ehring: Warum ist es aus Ihrer Sicht denn sinnvoll, Affen überhaupt in Gefangenschaft zu halten?
Kögler: Also, wir halten Affen in menschlicher Obhut, weil das sich zum Beispiel um eine bedrohte Tier…, also jetzt in dem Fall von Krefeld, das sind Schimpansen und Orang-Utans, beide Affenarten, Menschenaffenarten, also unsere nächsten Verwandten – das muss man sich mal verbildlichen – sind unmittelbar von der Ausrottung bedroht, und sie stehen, die Tiere in Zoos, sozusagen dafür als Vertreter für ihre wilden Artgenossen. Wir haben in Deutschland über 35 Millionen Zoobesucher jedes Jahr. Das zeigt also, dass eine hohe Akzeptanz da ist, diese Tiere auch anzugucken, und Menschen haben das Bedürfnis, Wildtiere zu erleben, und zwar mit allen Sinnen und nicht nur am Fernseher. Bei uns in Zoos können sie die Tiere hören, sehen, riechen, teilweise spüren, also wirklich unmittelbar erleben. Insofern sind Zoos wichtige Bildungsorte. Auch international zählen sie mit zu den größten und bedeutsamsten Artenschutzakteuren. Da ist nicht nur die Erhaltungszucht zum Beispiel, wie wir jetzt mit diesen Menschenaffenarten das haben, die europaweit oder sogar weltweit koordiniert werden, sondern sie sind ja auch vor Ort tätig und unterstützen tatkräftig und mit sehr viel Geld und Aufwand Artenschutzprojekte vor Ort, denn der Artenschutz vor Ort ist natürlich auch für uns oberste Maxime. Aber zum Beispiel, um die Leute für so etwas zu begeistern und um eine Begegnungsstätte, also Mensch-Wildtier-Begegnungsstätte zu schaffen, da sind Zoos natürlich einzigartig und bedeutsam in der Gesellschaft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.