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Brandenburg in den Arm nehmen

In seinen letzten Tagen als Ministerpräsident reist Matthias Platzeck noch einmal durchs Land und spricht mit den Bürgern. Sie schätzen seine besonnene Art. Viele werden ihn vermissen.

Von Axel Flemming | 01.08.2013
    Matthias Platzeck kommt im kurzärmeligen graublauweißen Hemd auf den Hof der Staatskanzlei, das Jackett hat er im Auto gelassen. Vor dem Einstieg in den Bus zögert er für seine Verhältnisse ungewöhnlich lange als ich frage, ob Abschiedstour das richtige Wort sei.

    "Na ja, dass das alles ein bisschen was mit Abschied zu tun hat ist ja auch klar. Das ist jetzt die elfte Tourismusfahrt und da ist schon sowohl die eben angesprochene Wehmut mit dabei und es ist auch ein Stück Abschied, keine Frage. Aber ich meine ich bleibe a) im Lande, b) will ich auch weiterhin ein bissl was machen und c) ist es also mit Elementen des Abschieds verbunden - aber nicht nur. Ja, los jetzt."

    Es geht in die Prignitz. Platzeck besucht die Region, um den Tourismus dort wieder anzukurbeln. Nach der Elbeflut wurde das Ziel von der Lausitz im Südosten kurzfristig in den Nordwesten Brandenburgs umgeplant. Aber immer wieder geht es um den Abschied aus dem Amt. Auf der Burg Lenzen erinnert er sich an die Zeit als er nach kurzem Intermezzo als Abgeordneter in der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer der DDR frisch in die aktive Regierungspolitik Brandenburgs einstieg - als Umweltminister im Kabinett von Manfred Stolpe.


    "Und nun kann man auch nicht sagen, dass damals das Vertrauen zum Naturschutz schon so groß war, wie es heute ist – was soll denn das jetzt – Naturschützer kam gleich nach Wessis aber Naturschützer und Wessi in einem das war …"

    Mit Platzecks Abgang geht nun eine Ära für Brandenburg zu Ende. Auf der Busfahrt macht der Pressespiegel der Landesregierung die Runde, einer der Kollegen, der darin liest, ist Torsten Metzner der für den Berliner Tagesspiegel und die Potsdamer neuesten Nachrichten schreibt. Er war auf fast allen Sommerreisen Platzecks dabei und hat eine Analyse geschrieben, die den relativ lautlosen Übergang im Lande erklärt.

    "Es spricht doch einiges dafür, dass Herr Platzeck a) Vorsorge getroffen hat, obwohl der Termin jetzt natürlich schneller kam als er es auch selber dachte, das die wichtigsten Dinge geregelt waren aber das auch die brandenburgische SPD ein sehr geschlossener Landesverband ist."

    Platzeck kennt Land und Leute wie kein anderer Brandenburger. Spötter behaupten, die Bürgerinnen und Bürger werden langsam knapp, die Platzeck noch nicht umarmt hat. Wie viele fehlen denn noch?

    "Na wir wissen nicht, fünf oder sechs."

    Zu den Umarmten gehört auch der Koch der Burg Lenzen, Knut Jessen, der Platzeck bürgernah und echt findet.

    "Er ist eine starke Persönlichkeit und schwer zu ersetzen. Darf man das sagen – cooler Typ, er versteht mit Leuten umzugehen und er weiß, wovon er redet. Platzeck, ganz einfach Platzeck."

    Jan Schormann vom BUND, Leiter des Biosphärenreservats Elb-Talaue im Storchendorf Rühstädt.

    "Also er ist ja auch ganz verbunden gewesen dem Naturschutz und hat hier sehr viel initiiert und freuen uns natürlich, dass er auch nach seiner Rücktrittsankündigung uns hier in der Prignitz besucht und wir wünschen ihm weiterhin alles Gute und hoffen, dass er auch mal vielleicht auch als entspannter Tourist, Urlauber bei uns vorbei schaut und wir würden ihn immer willkommen heißen hier bei uns."

    Und mit etwas mehr Abstand auch der politische Gegner wie der langjährige Landrat der Prignitz, Hans Lange, CDU.

    "Wie soll ich ihn charakterisieren? Er ist jemand, der natürlich auch den Ausgleich sucht, ich denke, er ist ein besonnener Mensch, er kann aber auch ein spontanes Gefühl zeigen, dann nachher. Aber in der Regel ist er ein besonnener Mensch und er versucht natürlich auch, die Menschen zu überzeugen und nicht ihnen unbedingt eine harte Ansage zu machen."

    Platzeck, der von seinem Schlaganfall wieder genesen ist, dem die Ärzte aber dingend ein Kürzertreten empfohlen haben, fährt die zehn Kilometer auf dem Elbdeich bis nach Krummlosen ohne große Mühe. Als er die Dorfkirche betritt, spielt der Organist "Freude schöner Götterfunken". Wieder draußen gibt Platzeck ein weiteres Mal politische Statements ab auch über seinen designierten Nachfolger Dietmar Woidke, der noch Innenminister ist, dem er aber keine Tipps geben will.

    "Also erstens arbeiten wir seit zwei Jahrzehnten zusammen, wir arbeiten zunehmend in den letzten Jahren eng zusammen und deshalb braucht es da überhaupt keinen einzigen Rat und ich freue mich auf Dietmar Woidke, ich freue mich auf ihn in diesem Amt. Ich weiß, er wird dem Land gut tun. Er wird mit den Menschen zusammen dieses Land weiter gut voranbringen und deshalb hat er überhaupt keinen Rat nötig. Und wenn ich einen hätte, würde ich ihn Ihnen nicht sagen."

    Nach einem Besuch in Wittenberge, in dem zur Flut der regionale Katastrophenstab tagte, geht es wieder zurück nach Potsdam. Platzeck fährt im Dienstwagen, Journalisten und Touristiker im Bus. Busfahrer ist Günther Anger, der Chef des Unternehmens, der die Abschiedstour für den Chef des Landes gern persönlich begleiten wollte.

    "Mir tut es leid, dass er geht. Ich verstehe das natürlich völlig. Sein Leben eintauschen gegen die Politik würde wohl keiner machen aber trotzdem tut es mir leid. Ganz ehrlich eben. Auch wenn er mitunter andere Ansichten hat als der andere, das merkt er, bodenständig, wie man es sagt, und das war eben mit der Ausschlag wo ich gesagt habe, ok wenn’s dann das letzte mal ist, fährst du die Tour auf jeden Fall."