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Brandenburg
Wo Eichhörnchen wieder aufgepäppelt werden

Nicht nur Landwirten hat der trockene Sommer zugesetzt: Auch viele Tiere haben darunter gelitten. Weil etwa Haselnüsse und Bucheckern dieses Jahr zu früh von den Bäumen gefallen sind, sind zahlreiche Eichhörnchen geschwächt. Ein Verein in Teltow macht sie deshalb fit für den Winter.

Von Vanja Budde | 09.10.2018
    Ein Eichhörnchen knabbert an einer Nuss.
    Der kommende Winter wird den Eichhörnchen schlimm zusetzen, glauben die Mitglieder des Vereins 'Eichhörnchen-Hilfe Berlin/Brandenburg'. Sie helfen den Tieren. (picture alliance / dpa)
    "Griselda" geht es gar nicht gut. Dehydriert und halb verhungert wurde das aus dem Nest gefallene Eichhörnchen hier in der Pflegestation abgegeben. Deren Leiterin Tanya Lenn vom Verein 'Eichhörnchen-Hilfe Berlin/Brandenburg' stöbert in einem halben Dutzend verschiedener Futtertüten: Es gilt ein möglichst nahrhaftes Menü zusammen zu stellen.
    "Jetzt mache ich hier gerade die Futternäpfe für das Hörnchen fertig. Dass es lauter verschiedene Sachen kriegt. Nüsse und Mais, denn dieses Hörnchen ist ein ganz Geschwächtes."
    In der Küche eines Einfamilienhauses in Teltow stapeln sich Futterspenden: Tüten und Säcke mit Nüssen, Samen und Körnern, Sonnenblumen, gesammelte Baumhasel. Neben der Spüle steht eine ganze Batterie von Glasfläschchen mit homöopathischen Globuli. Auf die würden die kranken Eichhörnchen gut ansprechen, meint Lenn.
    "In das Wasser kommt eine Lösung rein, die das Wasser schmackhafter macht und die auch noch ein bisschen Nährstoffe enthält."
    Auf Futterspenden angewiesen
    Der Verein ist auf Spender angewiesen, zusätzliche Helfer wären dem zwölfköpfigen Team um Tanya Lenn auch willkommen, denn es herrscht Hochbetrieb.
    Im Krankenzimmer nebenan stehen die geschwächten Neuzugänge unter besonderer Beobachtung: Die klapperdürre "Griselda" hängt matt am Gitter ihres Käfigs, hilflos rudert der rechte Arm in der Luft herum.
    "Es ist eins der Hörnchen, die wir immer öfter bekommen, die mit dem Bewegungsapparat Probleme haben. Das stellen wir so seit zwei, drei Jahren vermehrt fest, dass die Hörnchen sich verändert haben, dass die wesentlich andere Krankheiten haben, dass die geschwächter sind als früher."
    Seit 18 Jahren kümmert sich Tanya Lenn um Eichhörnchen in Not. Aber so viele Knochenbrüche wie derzeit hat die 54-Jährige noch nie gesehen: Die Hörnchen könnten nicht mehr richtig klettern und stürzten ab, erzählt sie.
    "Und viele Kollegen machen das auch schon fast 20 Jahre und so etwas hat man noch nicht erlebt, es ist wirklich auffällig. Es gibt auch Mutationen bei Hörnchen: dass die ein ganz anderes Fell haben, dass die keine Zähne mehr haben."
    Umweltgifte Ursache für immer mehr kranke Eichhörnchen?
    Tanya Lenn vermutet Umweltgifte als Ursache. Für "Griselda" sieht es gar nicht gut aus. Anderen hier geht es schon besser: Die Türen ihrer Käfige stehen offen und die etwa drei Monate alten Nager springen ohne Scheu mit dem buschigen Schwanz als Steuerruder auf die Schultern der Besucher, klettern ihre Beine hoch, suchen nach Futter. Tanya Lenn verteilt Haselnüsse, die ihre kleinen Schützlinge schon wie die Großen zwischen den Vorderpfoten halten und aufknacken. Das Verhalten ist angeboren. Auch das Anlegen von Futter-Depots für den Winter muss nicht gelernt werden.

    Doch die Vereinsmitglieder sind sich sicher: Der kommende Winter wird den Tieren schlimm zusetzen. Einerseits sind wegen des trockenen, heißen Sommers viele Haselnüsse und Bucheckern leer, es wird also schwierig, Nahrungsvorräte für den Winter anzulegen. Dann sind die Wintermonate auch zu mild: Die Eichhörnchen halten darum keine Winterruhe mehr, was sie viel Energie kostet.
    Tanya Lenn vom Verein 'Eichhörnchen-Hilfe Berlin/Brandenburg'
    Tanya Lenn vom Verein 'Eichhörnchen-Hilfe Berlin/Brandenburg' mit einem ihrer Schützlinge (Deutschlandradio/Vanja Budde)
    Insgesamt betreut die Eichhörnchen-Hilfe Berlin-Brandenburg mit Unterstützung von 'Aktion Tier' derzeit 45 der Nager. 100 bis 150 sind es im Jahr, insgesamt 1.600 Eichhörnchen sind schon durch ihre Hände gegangen, erzählt Tanya Lenn.
    Hörnchen-Helfer fordern: Mehr Bäume und Hecken in Gärten und Parks
    Bis sie fit genug sind, um ausgewildert zu werden, toben und klettern die hellroten bis dunkelbraunen Tiere in einer 150 Quadratmeter großen Außenvoliere herum. An deren Drahtdecke baumeln Dutzende Schlafbeutel als Nestersatz.
    "Aber wir können noch so gute Arbeit leisten und uns noch so viel Mühe geben: Wenn draußen sich nicht was verändert, dann hilft das den Hörnchen nicht viel."
    Denn neben Klimawandel und Unkrautvernichtungsmitteln bedrohe auch die Veränderung ihrer Lebensräume die Eichhörnchen, klagt die Leiterin der Pflege-Station.
    "Indem unglaublich viele Bäume gefällt werden, indem die Gärten glatt gestaltet werden. Es gibt keine Bäume mehr, es gibt keine Hecken mehr, es gibt keine Natur mehr in den Gärten. Und wenn wir nicht anfangen, naturnäher wieder zu gestalten, dann wird das ganz, ganz schwierig."