Freitag, 19. April 2024

Archiv

Brandenburgs Kampf gegen den Ausstieg
Die letzte Bastion der Braunkohle

Ein konkretes Datum für den Braunkohle-Ausstieg soll laut Koalitionsvertrag eine Kommission entscheiden. Eigentlich will die Politik wegen der Folgen des Klimawandels schnellstens auf fossile Energieträger verzichten - doch viele Menschen in der Lausitz sehen das anders.

Von Vanja Budde | 17.05.2018
    Blick in den Braunkohletagebau Jänschwalde der LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG) am 07.01.2018 unweit der Ortschaft Grießen (Brandenburg).
    Braunkohletagebau in Jänschwalde - rund 130 Dörfer sind den Baggern geopfert worden, etwa 30.000 Menschen wurden umgesiedelt. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Die größte bewegliche Maschine der Welt kauert wie ein gigantisches Raumschiff am Grund der Grube: Die Förderbrücke F60, der "liegende Eifelturm", ein Meisterwerk der DDR-Ingenieurskunst aus grauem Stahl. 650 Meter lang und 30 Meter hoch.
    Der Tagebau Jänschwalde bei Cottbus in der Brandenburger Lausitz: Die Kohlebagger wirken winzig neben dem mächtigen Mutterschiff. Die F60 kriecht auf Schienen langsam durch den Tagebau. Mit mächtigen Schaufeln befördert sie den Abraum aus der Tiefe über 15 Förderbänder hinauf an den Rand der Grube. Der Tagebau versorgt das gleichnamige Braunkohlekraftwerk Jänschwalde.
    Eines der klimaschädlichsten Kraftwerke in Europa
    Deutschlands drittgrößtes Kraftwerk verschlingt bei Volllast rund 80.000 Tonnen Braunkohle am Tag. Damit wird genug Strom erzeugt, um fast sechs Millionen Haushalte zu versorgen. Doch Jänschwalde vor den Toren von Cottbus stößt auch fast 24 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr aus. Es gehört damit zu den klimaschädlichsten Kraftwerken in ganz Europa.
    Über eine schmale, stählerne Trittleiter geht es hinauf zur Steuerkanzel der F60. Ein Gang nur für Schwindelfreie. Hier oben hat eine kleine Frau mit grauen Filzpuschen an den Füßen das Kommando: Maschinistin Sabine Fassmann, aschblonde Kurzhaar-Frisur, ruhige, kluge Augen. Sabine Fassmann ist seit 1977 in der Braunkohle tätig - und stolz darauf:
    "Bei uns war, ist nur Landwirtschaft und das war nicht so mein Ding. Die haben dann Werbung gemacht in den Schulen und so bin ich hierher gekommen. Das ist schon ein großes Gefühl, ich sage mal, als der große Motor hier für alle da zu sein und alles zu steuern. Denn wenn hier oben nichts läuft, dann läuft das andere auch nicht."
    Herrin über den Abraum
    Auf acht Monitoren überwacht Sabine Fassmann die Förderbänder. Die Maschinistin blickt aus den Fenstern ihres Leitstandes auf die mehrere Kilometer lange und bis zu 90 Meter tiefe Grube des Tagebaus. Auf den Bildschirmen rieselt der Abraum: Kein Korn märkischer Sandboden bleibt auf dem anderen, die Landschaft wird wie von Riesen umgekrempelt. Rund 130 Dörfer sind den Baggern geopfert worden, etwa 30.000 Menschen wurden umgesiedelt. Doch ein Ausstieg aus der Braunkohle-Industrie? Wovon sollen die Menschen hier dann leben, fragt Maschinistin Fassmann. Etwas ratlos zuckt sie mit den Schultern.
    "Für die Jugend ist das schon sehr wichtig, dass die Kohle hier bleibt. Es gibt ja Felder, die noch nicht erschlossen sind und die noch die Möglichkeit haben, wo noch Kohle gefördert wird. Das wäre für die Jugend schon wichtig, dass es bleibt."
    Wenn die Kapelle das "Steigerlied" anstimmt, dann stehen handfesten Bergmännern Tränen der Rührung in den Augen. Der Braunkohle-Abbau hat in der Lausitz 120 Jahre Tradition. Das Revier ist das zweitgrößte in Deutschland - nach dem Ruhrgebiet. "Ich bin Bergmann - wer ist mehr?", hieß es selbstbewusst zu DDR-Zeiten. Bis heute ist der Betreiber, der Vattenfall-Nachfolger LEAG, der mit Abstand größte Arbeitgeber der Region. LEAG steht für Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG.
    Streit um den Rest der einst blühenden Industrie
    "Sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich möchte mich heute stellvertretend für viele andere bei Ihnen und Ihrem Unternehmen bedanken."
    Holger Kelch, Oberbürgermeister von Cottbus, der größten Stadt der Lausitz und mit 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Brandenburgs. Kelch ist in der Region aufgewachsen, vor der Wende war er selbst Signaltechniker im Tagebau.
    "Über 7.000 Beschäftigte, hunderte Auszubildende und viele Arbeitsplätze in Zuliefererbetrieben haben den radikalen Strukturwandel der letzten Jahrzehnte abgefedert."
    17 Tagebaue waren zu Wendezeiten aktiv, heute sind es noch vier. Worum jetzt gestritten wird, ist nur noch der Rest der einst blühenden Braunkohle-Industrie - und doch das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Ein Industriezweig, der ähnliches zu bieten hat, der sei für die Lausitz weit und breit nicht in Sicht, erklärt der immer etwas übernächtigt aussehende Oberbürgermeister Holger Kelch in seinem Büro im Rathaus.
    "Das Bergbauunternehmen ist auch ein großer Auftraggeber. Ca. eine Milliarde Euro werden im Jahr an Dienstleistungsaufträgen in die Region reingegeben, davon sind wieder 21.000 Arbeitsplätze abhängig von vielen Zulieferern, ob in Görlitz bis hier nach Cottbus hoch. Und insofern ist das schon eine Wirtschaftsmacht hier vor Ort und leider auch nur eine."
    Geflutete Kohlengruben locken Touristen an
    Darum sorgt die Debatte um den Ausstieg aus der Braunkohle bei vielen hier für Angst und Schrecken. Tausende Menschen bangen um ihre Jobs.
    "Bis 1990 waren circa 60.000 Menschen in der Braunkohlenindustrie, also zu DDR-Zeiten, hier beschäftigt. Und da gab es dann schon mal einen Schlag als reihenweise die Tagebaue hier dicht gemacht worden sind in der Lausitz. Sicherlich sind viele schöne Seen jetzt entstanden, aber diese Arbeitsplätze, die sind an keiner Stelle wiedergekehrt und darunter hat die Lausitz bis heute zu leiden."
    Blick vom 34 Meter hohen Aussichtsturm am zukünftigen Ufer des Cottbuser Ostsees nahe Merzdorf. 
    Blick vom 34 Meter hohen Aussichtsturm am zukünftigen Ufer des Cottbuser Ostsees nahe Merzdorf. Am 1. November 2018 soll die Flutung starten. (imago / Rainer Weisflog)
    Die gefluteten Kohlegruben locken als künstliche Seenlandschaft durchaus Touristen an. Aber damit kann sich die Region nicht über Wasser halten. Doch der SPD, die im fernen Potsdam in einer Koalition mit der Linken regiert, fehle eine Zukunftsvision und eine Strategie, nicht nur für die Lausitz, sondern für ganz Brandenburg, meint der CDU-Politiker Holger Kelch.
    "Ich sage mal ein positives Beispiel: Franz-Josef Strauß in Bayern, der im Prinzip aus einem Agrarland ein hochmodernes Industrieland geschaffen hat. Solche Strategien, die würde ich mir auch von einer Landesregierung wünschen."
    Bei der Wahl wurde die AfD zweitstärkste Kraft in Brandenburg
    Bei der Bundestagswahl im vergangenen September verlor die CDU in Brandenburg acht Prozentpunkte und kam auf knapp 27 Prozent. Die SPD landete bei kümmerlichen 17,2 Prozent. Zweitstärkste Kraft im Land wurde mit 20,2 Prozent die AfD. Bundestags- sind keine Landtagswahlen, deren nächste steht erst Ende 2019 an. Und doch - in Potsdam ist man alarmiert. Der Einsatz der Brandenburger Sozialdemokraten für den Erhalt der Lausitzer Braunkohle-Industrie ist auch ein politisches Geschenk an Kumpel und Zulieferer.
    In Cottbus brodelt es: Von fremdenfeindlichen Kräften organisierte Demonstrationen gegen Flüchtlinge ziehen tausende Menschen an. Die AfD mischt ebenso mit, wie Rechtsextremisten und gewaltbereite Hooligans. Aber auch ganz normale Bürger. Viel von ihrer Unsicherheit und Unzufriedenheit wurzelt in dem Strukturwandel in der Region.
    "Ich glaube, es wird auch in den kommenden Jahrzehnten so sein, dass Bergbau, Energie im Zentrum der industriellen Aktivitäten in der Lausitz stehen wird. Das ist auch gut so."
    "Wir Konventionelle werden noch viele Jahrzehnte brauchen"
    Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke empfängt in der Staatskanzlei in Potsdam mit einem überdurchschnittlich kräftigen Händedruck. Woidke ist stets bemüht, die Ängste vor einem schnellen Kohleausstieg zu verstreuen.
    "Für Deutschland muss eines klar sein: Wir wollen die Energie, die wir selber verbrauchen, selber erzeugen. Wenn das die Grundlage der Diskussion ist, dann ist die Herausforderung klar, nämlich dass wir diese Zuverlässigkeit der Erneuerbaren herstellen müssen. Ich sage mal hier, so wie ich hier sitze: Ich glaube, das wird noch einige Zeit brauchen. Und erst dann, wenn ich rund um die Uhr Stromversorgung aus Erneuerbaren in Deutschland garantieren kann, kann ich darüber nachdenken, Konventionelle aus dem Netz zu nehmen. Und vorher ist alles Spökenkieckerei. Ich glaube, wenn es so weitergeht, werden wir Konventionelle noch viele Jahrzehnte brauchen."
    Riss durch Gemeinden, Familien, Freundeskreise
    Die Lausitz ist tief gespalten in Kohle-Befürworter und -Gegner. Der Riss geht quer durch Gemeinden, Familien, Freundeskreise. Die Kohlekritiker sind der Meinung, es sei nicht von Interesse, wie das Überleben der Brandenburger Braunkohle möglichst lange gesichert werden könne, sondern, was getan werden muss, damit die Stromversorgung ohne sie auskommt. Denn nur so seien Deutschlands Klimaschutzziele zu erfüllen.
    Maschinen für den Braunkohleabbau stehen im Braunkohletagebau Welzow Süd nahe Welzow (Brandenburg).
    Braunkohletagebau Welzow Süd in Brandenburg (picture alliance/ dpa/ Patrick Pleul)
    Brandenburgs Kohle-Kritiker kritisieren die geplante Zusammensetzung der Kohlekommission der Bundesregierung. Als Vorsitzender ist unter anderen Brandenburgs früherer SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck vorgeschlagen. Platzeck habe zu seiner Zeit als Regierungschef einseitig Partei für die Kohleindustrie ergriffen, zürnen hiesige Umweltschützer. Wer ihn an die Spitze des Gremiums berufe, wolle den Kohleausstieg auf die lange Bank schieben. Die von den Tagebauen Betroffenen müssten einen Sitz in der Kommission bekommen, fordern die Grünen im Potsdamer Landtag.
    Widerstand gegen den Abriss von Dörfern
    Anwohner und Aktivisten protestieren seit vielen Jahren am ersten Januarwochenende gegen die Tagebaue, gegen die Pläne des Betreibers auch in Zeiten des Klimawandels neue Tagebaue zu erschließen. Dafür wären mehrere Dörfer abgebaggert worden. Das aktuelle Revierkonzept der LEAG sieht das nicht mehr vor: Wegen der Energiewende in Deutschland lohnen sich neue Gruben nicht mehr.
    Die LEAG ist ein Tochterunternehmen der tschechischen EPH. Diese Holding aus Prag hat 2016 die gesamte ostdeutsche Braunkohlesparte des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall übernommen. Nur der Tagebau Nochten auf der sächsischen Seite der Lausitz soll erweitert werden. Dafür muss der Trebendofer Ortsteil Mühlrose den Baggern weichen, 200 Einwohner werden umgesiedelt. Alle anderen Ausbau-Pläne wurden auf Eis gelegt; 400 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben in der Erde. Dennoch geht der Widerstand weiter. Aus zwei Gründen, erklärt René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus:
    "Das eine ist, dass die Menschen hier solidarisch sind mit denen, die nach wie vor betroffen sind von Abbaggerungsplänen, in Proschim zum Beispiel durch den Tagebau Welzow Süd. Und der zweite Grund sind die Probleme, die der laufende Tagebau Jänschwalde hier in der Region verursacht."
    Kohlendioxid-Ausstoß und Umweltschäden
    Neben dem klimaschädlichen Ausstoß von Kohlendioxid verursache die Braunkohle-Industrie nämlich noch jede Menge andere Umweltschäden, beschwert sich Demonstrant Karl-Heinz Neumann aus dem Nachbarort Grabko.
    "Zum Beispiel die Problematik der Grundwasserabsenkung und der gesamten Wasserstände hier in der Umgebung. Wir liegen mit unserem Dorf Grabko kilometermäßig sehr nah dran an dem jetzigen Tagebau Jänschwalde Nord und spüren die Einflüsse schon mehrere Jahre."
    Die LEAG pumpt mit Tausenden von Brunnen jährlich hunderte Millionen Kubikmeter Grundwasser ab, um die Braunkohle fördern zu können. Dadurch entsteht ein Absenkungstrichter, in den Grundwasser nach sickert.
    "Und unsere Seen in der Umgebung, die schon seit der letzten Eiszeit hier, so über 40.000 Jahre bestanden haben, sinken jetzt ganz zufällig ab, seit ein paar Jahren."
    "Massive Eingriffe in die Natur, Landschaft, Heimat"
    Weil Seen und Feuchtgebiete austrocknen, sinken Grundstücke ab, an Häusern und in Straßen zeigen sich Risse. Dazu kämen der Lärm und die Luftverschmutzung aufgrund von Feinstaub, sagt die aus Brandenburg stammende Grüne Bundestagsabgeordnete und neue Parteichefin, Annalena Baerbock.
    "Es geht darum, darauf aufmerksam zu machen, dass auch die aktiven Tagebaue massiv Eingriffe in die Natur, in die Landschaft, in die Heimat der Bevölkerung haben, und dass man davor nicht die Augen verschließen darf, sondern diese Eingriffe unterbinden muss und vor allem alles dafür tun muss, dass die Schäden von dem, der sie verursacht hat, nämlich den Kohlebetreibern, auch angegangen werden."
    Wasserdampfschwaden steigen vor Sonnenaufgang in den farbigen Morgenhimmel aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde der LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG) hinter einem Karpfenteich in Peitz (Brandenburg). 
    Braunkohlekraftwerk in Brandenburg. (Patrick Pleul/dpa)
    Viel zu lange habe die rot-rote Landesregierung diese massiven Umweltprobleme ignoriert, kritisiert die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Heide Schinowsky, die auch im Zug mitläuft. Sie war auch schon mal stellvertretende Pressesprecherin des Bundesverbandes der Grünen.
    "Inzwischen hat ja auch das Umweltministerium eingeräumt und zugegeben, dass der Tagebau sehr wohl Ursache dafür ist, insofern sind wir da jetzt endlich einen Schritt weiter. Als nächstes muss nun geklärt werden, zu welchem Anteil der Bergbau daran schuld ist und entsprechend die Kostenfrage klären."
    Finanzgebaren der Holding "undurchsichtig"
    Denn im Bergbau gilt zwar das Verursacherprinzip: Wer Umweltschäden anrichtet, muss auch dafür aufkommen. Das gilt auch für die Rekultivierung ausgekohlter Tagebaue. Schätzungsweise zwischen drei und zehn Milliarden Euro wird es kosten, die Gruben später zu fluten oder zu begrünen, wenn der letzte Kohlezug ausgefahren ist.
    Doch die Kohlegegner plagt eine üble Vorahnung: Als die tschechische Holding EPH das Geschäft mit der ostdeutschen Braunkohle vor zwei Jahren übernahm, wollte Vattenfall die image-schädliche Sparte dringend loswerden. Der Kaufpreis für die vier Tagebaue und drei Kraftwerke der Lausitz soll nur ein "Symbolischer" gewesen sein, wird gemunkelt. Um die ungeliebte Braut aufzuhübschen, hat Vattenfall dem neuen Eigentümer rund anderthalb Milliarden Euro überlassen. Das Geld war für die Renaturierung der Tagebaue vorgesehen, doch das Finanzgebaren der Holding sei undurchsichtig, sagen die Kritiker des Deals. Sie fragen, wo ist das Geld jetzt - und wird es reichen?
    Die EPH sei eine Heuschrecke, nur am schnellen Profit interessiert. Es drohe die Gefahr, dass am Ende der Steuerzahler für die milliardenteure Rekultivierung der noch aktiven Tagebaue der Lausitz aufkommen muss. Denn nach derzeitigem Stand muss die EPH nicht für ihre Tochter LEAG haften.
    "Ein erpresserisches Szenario"
    Diese Vorhaltungen wurde lauter, als der EPH-Manager Jan Springl Ende 2017 der Zeitschrift "Capital" ein Interview gab. Zitat: "Wenn die Politik uns die Garantie gibt, dass sie die Rahmenbedingungen unseres Geschäfts nicht ändert, sind wir bereit über eine Patronatserklärung zu reden." Wenn die Bundesregierung also auf einen kurzfristigen Ausstieg aus der Braunkohle verzichtet.
    "Das ist ein erpresserisches Szenario, wo jetzt die Landesregierung gefragt ist, dem entgegen zu treten. Und die hat die Möglichkeit: Nach geltendem Bergrecht kann in den entsprechenden Plänen festgesetzt werden, dass dafür Geld sicher festgelegt wird. Und das muss die Landesregierung jetzt machen. Um zu sichern, dass das nicht der Steuerzahler zum Schluss bezahlen muss."
    EPH-Vorstand Jan Springl. Die LEAG ist Teil des tschechischen EPH-Konzerns, der Ende September das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall übernommen hatte. 
    EPH-Vorstand Jan Springl. Die LEAG ist Teil des tschechischen EPH-Konzerns, der Ende September das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall übernommen hatte. (imago/ Rainer Weisflog)
    Sorge, dass am Ende der Steuerzahler aufkommen muss
    Wie die Grünen-Politikerin Heide Schinowsky befürchtet auch René Schuster von der Umweltgruppe, dass die undurchsichtigen Strukturen der tschechischen Holding es ihrer Tochter LEAG als Betreiber dereinst ermöglichen, sich um die Folgekosten des Bergbaus herum zu drücken. Potsdam hätte von Anfang an Sicherheiten für die Kosten der Rekultivierung verlangen müssen, fordert auch Schuster auf dem Protestmarsch nach Taubendorf.
    "Da hat sich die Landesregierung Brandenburg einfach über den Tisch ziehen lassen. Sie hat dem Verkauf zugestimmt und Stimmung für den Verkauf an EPH gemacht. Und das Ergebnis könnte sein, dass wenn EPH sich zurückzieht aus dem Revier, die Folgekosten der Tagebaue durch das Land zu tragen sind. Also durch den Steuerzahler."
    Expertise über Rücklagen kommt im Spätsommer
    Das Potsdamer Energieministerium ist dagegen optimistisch, dass der Betreiber zu seinen Verpflichtungen stehen wird. Dennoch lässt Minister Albrecht Gerber derzeit noch einmal durchrechnen, ob die LEAG aus dem unsicheren Geschäft mit der Braunkohle genug Rücklagen für die Rekultivierung schaffen kann. Die mit Spannung erwartete Expertise soll im Spätsommer vorliegen.
    "Wir müssten einen Ausstiegsplan für die Kohle haben, der mindestens so zügig und so entschlossen sein müsste wie der Atomausstiegsplan."
    "SPD hat eine mutigere politische Entscheidung blockiert"
    Der Landtag in Potsdam. Pressekonferenz. Auf dem Podium sitzt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Ausgerechnet im Land der Braunkohle hat das PIK seinen Sitz, eine der weltweit renommiertesten Forschungseinrichtungen in Sachen Klima. Schellnhuber beobachtet den Kohle-Lobbyismus der Landesregierung mit Grausen. Konkret wirft er den Politikern auf einer Pressekonferenz im Landtag vor, den Deutschen Klimaschutzplan torpediert zu haben. Der hatte nämlich ursprünglich zum Ziel, weitere Investitionen in den fossilen Energieträger zu verbieten.
    "Da wissen wir, dass das Land Brandenburg keine konstruktive Rolle gespielt hat, ganz im Gegenteil. Der Ministerpräsident hier hat entsprechend interveniert, sodass die SPD hier letztendlich eine mutigere politische Entscheidung blockiert hat."
    "Es geht darum, ob wir den Planeten versenken oder nicht"
    Der 67 Jahre alte Schellnhuber mit den schmal geschnittenen Augen und dem spärlichen weißen Haarkranz ist langjähriges Mitglied des Weltklimarates. Auf dem Podium der Landespressekonferenz beugt sich der Wissenschaftler angespannt nach vorn, streift mit seinem dunklen Jackett das Tisch-Mikrofon. Für Schellnhuber steht angesichts der Erderwärmung das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel.
    "Insofern geht es wirklich darum, ob wir den Planeten Erde versenken oder nicht."
    An der Kurzsichtigkeit von Politikern könnte der Klimaforscher manchmal verzweifeln. Statt die Zukunft zu retten, das schmutzige Kraftwerk Jänschwalde so schnell wie möglich abzuschalten, klammere die Landespolitik sich an die Vergangenheit.
    "Die einzige Chance, langfristig qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen, auch in Brandenburg, ist natürlich die Modernisierung, die Transformation. Und es kann ja gerade nicht sein, dass man die schafft, wenn man im Modernisierungswettbewerb sich in die allerletzte Schlange stellt. Nicht nur in der Verantwortung für den Klimaschutz, sondern vor allem in der Verantwortung für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land, muss ein Kohleausstiegsplan so bald wie möglich auf den Tisch."
    Jänschwalde sollen bis 2033 weiter rumpeln
    Doch stattdessen rückt Brandenburg von seinen selbst gesteckten Klimazielen ab: Bis zum Jahr 2030 sollten eigentlich 72 Prozent Kohlendioxid weniger als 1990 ausgestoßen werden. Stattdessen strebt Minister Gerber in der neuen "Energiestrategie" nur noch ein Minus von 55 bis 62 Prozent an. Denn: Das größte Braunkohlekraftwerk der Lausitz soll ein paar Jahre länger am Netz bleiben. Die haushohen Kohlemühlen in Jänschwalde sollen bis 2033 weiter rumpeln.