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Brasilien
Der Rechtsradikale Jair Bolsonaro wird Präsident

Er gilt als ultra-rechts, beleidigt immer wieder Minderheiten und provoziert mit extremistischen Parolen: Und dennoch ist der Ex-Militär Jair Bolsonaro aus der brasilianischen Präsidentschafts-Stichwahl als Sieger hervorgegangen. Seine politischen Vorhaben bleiben vage.

Von Ivo Marusczyk | 29.10.2018
    Jair Bolsonaro beim Wahlkampf in Brasilien
    "Wer mag schon Schwule", "Ich bin für Folter", Wer verliebt sich schon in eine schwarze Frau? - Parolen von Jair Bolsonaro (picture alliance/dpa/Dario Oliveira)
    Brasilien über alles und Gott über allen. Das ist der neue Ton in Brasiliens Politik. Brasilien über alles hieß die Wahlplattform von Jair Bolsonaro und die ständige Berufung auf Gott ist ein Zugeständnis an die evangelikalen Pfingstkirchen - deren streng konservative Anhänger sind die wichtigsten Unterstützer des neuen Präsidenten. Mit 55 Prozent der Stimmen hat Jair Bolsonaro sich in der Stichwahl gegen Fernando Haddad, den Kandidaten der Arbeiterpartei durchgesetzt. Ein Politiker, dessen Positionen man mit rechtsradikal beschreiben muss. Tausende feierten am Strand von Barra de Tijuca, dem Vorort von Rio, wo Bolsonaro wohnt.
    Bolsonaro trat nur kurz vor die Mikrofone, um öffentlich mit einem evangelikalen Pastor zu beten. Danach schlug der gewählte Präsident neue Töne an. Bolsonaro bekannte sich ausdrücklich zu den Werten der brasilianischen Verfassung und der Demokratie.
    "Ihr seid meine Zeugen, diese Regierung wird die Verfassung verteidigen, die Demokratie und die Freiheit. Das ist ein Versprechen. Nicht das einer Partei oder eine leeres Versprechen eines Mannes. Das ist ein Schwur gegenüber Gott."
    Kein klares Programm
    Und das ist neu - denn bis jetzt hatte Jair Bolsonaro sich immer nur verächtlich über die Demokratie und ihre Institutionen geäußert. Als "Helden" hatte er dagegen die Verantwortlichen der Militärdiktatur bezeichnet. Fast 30 Jahre lang war Jair Bolsonaro ein rechtsradikaler Parlaments-Hinterbänkler, der ständig die Parteien wechselte. In dieser Zeit fiel er nur durch gelegentliche Ausfälle gegen Frauen, Schwarze und Schwule auf. Ab Januar wird Bolsonaro das fünfgrößte Land der Welt regieren. Sein Programm bleibt vage. In Anlehnung an Donald Trump verspricht er:
    "Wir sind ein großartiges Land, und jetzt wollen wir alle zusammen dieses Land in eine großartige Nation verwandeln."
    Die grassierende Gewalt will er durch Schusswaffen eindämmen, in der Wirtschaftspolitik setzt er auf einen rigiden Sparkurs.
    "Wir werden den Teufelskreis der steigenden Staatsverschuldung durchbrechen. Und werden ihn durch immer niedrigere Defizite ersetzen. Niedrigere Verschuldung und niedrigere Zinsen. Das wird die Investitionen stimulieren, das Wachstum und dadurch automatisch die Schaffung von Arbeitsplätzen."
    Bürgerrechte in Gefahr?
    Dabei gibt es schon jetzt deutliche Differenzen zwischen Bolsonaro und Paulo Guedes, seinem designierten Wirtschaftsminister. Guedes ist für Bolsonaro enorm wichtig, weil er ihm die Unterstützung der Wirtschaftskreise eingebracht hat. Unter anderem mit dem Versprechen von Privatisierungen. Deswegen sieht Fernando Haddad, der unterlegene Kandidat der Arbeiterpartei nicht nur die Bürgerrechte ganz allgemein in Gefahr, sondern besonders die Rechte der Arbeitnehmer. Die Aussicht, dass Bolsonaro bald in den Präsidentenpalast einzieht, mache vielen Menschen Angst, sagte Haddad.
    "Überall auf den Straßen Brasiliens habe ich eine Angst gespürt, und Angst, bei vielen Leuten, die unaufhörlich geweint haben. Habt keine Angst, wir sind hier, wir stehen zusammen, wir reichen uns die Hände, wir werden Eure Anliegen aufnehmen. Zählt auf uns."
    Die Wahlbehörde teilte mit, die Wahl sei absolut normal ohne Probleme verlaufen. Internationale Wahlbeobachter kritisieren allerdings, die gezielte Verbreitung von falschen Informationen über die sozialen Netzwerke habe ein nie gesehenes Ausmaß angenommen.