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Brasilien zum Papstschreiben
Rolle rückwärts

In Brasilien gewinnen evangelikale Bewegungen Anhänger, während die katholische Kirche Gläubige verliert. Vom Papst fühlen sich viele mit im Stich gelassen, vor allem die Katholikinnen.

Von Anne Herrberg | 13.02.2020
Frauen aus der Amazonas-Region stehen während der Messe in den Kirchenbänken. Daneben: Geistliche und Messdiener.
Die "Amazonas-Synode" des Vatikan ist mit einer Messe im Petersdom eröffnet worden. (AFP / Tiziana Fabi)
Auf der Amazonas-Synode wurde der Weg zu einer vorsichtigen Reform bereitet, Papst Franziskus entschloss sich nun für einen Rückzieher – und damit hat er gerade die, um die es bei der Synode ging, tief enttäuscht, glaubt der in Brasilien lebende deutsche Theologe Paulo Suess.
"Er hat das Tor nicht geschossen"
"Ich habe das nicht gedacht, ich habe also wirklich gedacht, dass er den Ball, den man ihm da vor die Füße gelegt hat nimmt, um das Tor zu schießen. Er hat es nicht geschossen."
Ein Nein zur Z-Frage: Am Zölibat wird nicht gerüttelt. Und Frauen dürfen zwar Kraft und Zärtlichkeit spenden, wie Maria, so heißt es im Schreiben. Aber sie auch weiterhin keine Weihämter bekleiden. Auch nicht in Ausnahmefällen, auch nicht am Amazonas, wo die Kirche seit Jahren rasant an Einfluss verliert – schlichtweg weil ihr die Leute fehlen. Doch das Signal heißt nun: Rolle zurück, nur nicht nach vorn
"Je mehr Verantwortungen man übernimmt, in der Kirche oder der Gesellschaft, je größer werden auch die Erwartungen. Das ist, wie wenn man einen Baum hochklettert: Je höher man steigt, desto stärker der Wind und je schwächer die Äste. Vorsicht. Wenn man neue Verantwortungen übernimmt, wird es auch neue, starke Verpflichtungen geben."
So dagegen die Worte des brasilianischen Kardinal Claudio Hummes. Enger Vertrauter Franziskus und Generalrelator der Amazonas-Synode. Diese Positionen sind ein herber Schlag für Leute an der Basis. Wie Antonia Melo, die Katholikin kämpft seit Jahren an der Seite von Bischof Erwin Kräutler gegen die Umweltzerstörung in der Amazonasregion – sie ist so eine, die an die berühmten Grenzen geht. Dafür wurde sie angefeindet und bedroht, mehr Anerkennung bekommt sie von der Kirche nicht. Franziskus, der immer betonte, wie wichtig die Stimmen und Erfahrungen von vor Ort sind, habe ihre Forderungen gar nicht gehört, sagt Melo.
Die Konkurrenz schläft nicht
Sie sagt: "Das ist eine Enttäuschung für uns, dass diese Jahrtausende alte Kirche immer nur von Männern geführt wurde und weiterhin geführt werden soll. Warum dürfen wir Frauen nicht an die Macht? Ich sage stets- und ich sage es den Priestern ins Gesicht – warum habt ihr nur so viel Angst vor den Frauen?"
"Querida Amazonia", "Geliebtes Amazonien", das Lehrschreiben lese sich wie ein Liebesbrief, doch die Bereitschaft, auf die Geliebte zuzugehen, die sei nicht da, sagt auch Paulo Suess. Der Druck der konservativen Kräfte im Vatikan zu groß. Doch damit sägen sie am eigenen Ast, glaubt Suess. Denn die Konkurrenz schläft nicht. In ganz Lateinamerika verlieren die Katholiken Gläubiger an die Evangelikalen, die erzkonservativen Pfingstkirchen – die sind nämlich ausgerechnet bei der Frage der Weihämter sehr viel lockerer.
Suess sagt: "Wir haben wirklich diesen Evangelikalen zugearbeitet, ich kenne ja die Situation vor Ort. Denn die Gemeinden sagen, uns ist ein evangelikaler Pastor in der Hand lieber als ein katholischer Priester, der nur einmal im Jahr kommt, auf dem Dach."
Querida Amazonia, das erneute Bekenntnis zum Schutz der Amazonasregion, zum Kampf gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und auch gegen die damit verbundene soziale Ungerechtigkeit – all es sei von strukturellen Reformen nicht zu trennen, findet Suess. Schließlich gelten gerade die Evangelikalen als größte Unterstützer des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro – er setzt am Amazonas auf Ausbeutung und Abholzung. Und nicht auf die Wahrung der Schöpfung.