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"Braune Vergangenheit ungeschönt aufgeschrieben"

Das Buch "Basketball - ein deutscher Spätstarter" beschreibt die Entwicklung des Basketballs in Deutschland bis 1945. Ausgerechnet der US-Sport überzeugte damals NS-Funktionäre.

Von Erik Eggers; Hans Dieter Krebs | 25.08.2012
    Buchcover: "Basketball - Ein deutscher Spätstarter"
    Buchcover: "Basketball - Ein deutscher Spätstarter" (DBB)
    Basketball und SS, das ging eigentlich nicht. Einerseits das körperlose, "weiche Spiel", entstanden 1891 an einer YMCA-Hochschule in Springfield, Massachusetts, erdacht als sportlicher Beitrag zur christlichen Erziehung und Missionierung im Geiste Jesu. Andererseits das Terrorinstrument der Nationalsozialisten, das alles eliminierte, was von der NS-Ideologie abwich. Diese irritierende Mixtur existierte jedoch. Die SS habe, berichtet der Publizist Hans-Dieter Krebs im spannendsten Kapitel seines Buches zur Frühgeschichte des deutschen Basketballs, den US-Sport ohne Bedenken instrumentalisiert, "obwohl Basketball keineswegs den Grundprinzipien des NS-Sports von Härte und Durchsetzungskraft entsprach".

    Nicht vor dem Olympischen Basketballturnier 1936 in Berlin, aber danach habe der deutsche Basketball
    "von bisher übersehenen Impulsen der Sportprogramme der Polizei und der SS bzw. Waffen-SS" profitiert, resümiert Krebs. Verantwortlich dafür macht er einerseits den Einsatz von SS-Brigadeführer Richard Herrmann. Als Chef des Fachamtes 4, worunter Basketball seit 1936 neben Handball organisiert wurde, habe Herrmann als "Basketball-Führer" das Spiel "germanisiert".

    Die Basis für die Verbreitung des Basketballs im schwarzen Korps legte mit Rüdiger Weitzdörfer einer der deutschen Pioniere. Weitzdörfer hatte zwischen 1931 und 1933 ein zweijähriges Stipendium in Springfield genossen, dem Geburtsort dieses Sports. Nach seiner Rückkehr bekam er eine Anstellung in den SS-Verfügungstruppen, einer Vorgängerorganisation der Waffen-SS, und wirkte ab 1935 als Sportoffizier an der Junkerschule in Braunschweig. Hier sorgte Weitzdörfer für die Aufnahme von Basketball in den sportlichen Lehrplan der SS-Führerschule – die Basis für mindestens 17 Mannschaften in SS-Sportgemeinschaften, die Krebs nachgewiesen hat. Auch der Sportjournalist Hugo Murero, der bis 1942 als Nationaltrainer wirkte, war laut Krebs "völkisch gesinnt" und wirkte als Mitarbeiter im Amt für Leibesübungen im SS-Hauptamt.

    Krebs beschreibt all das mit schonungslosem und unbestechlichem Blick – verblüffend vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Auftragsarbeit des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) handelt. Auch die vielen anderen Fragmente, die Krebs nach mühseliger Suche für die Zeit bis 1945 gefunden hat, etwa die wirklich interessante Vorgeschichte des Berliner Basketballturniers, ordnet er mit ähnlicher Unaufgeregtheit und Souveränität ein. Zudem ist das Buch handwerklich hervorragend gestaltet, also auch für Bibliophile ein Genuss.

    Und auch in einer anderen Hinsicht ist dieses Werk ein Vorbild dafür, wie Sportgeschichte präsentiert werden kann. Einen Anspruch auf Vollständigkeit hat Krebs nicht. Und er stellt viele intelligente Fragen. Zum Beispiel die, ob die SS den Basketball auch dann in ihren Sportkanon eingeführt hätte, wenn das Spiel schon in den 1930er-Jahren von den Schwarzen dominiert worden wäre.

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    Der Publizist Hans Dieter Krebs hat vier Jahre an dem Buch "Basketball - ein deutscher Spätstarter" geschrieben. Im Gespräch mit Tobias Oelmaier beschreibt er die umfangreiche und teils schwierige Arbeit. Viele Zeitzeugen seien mittlerweile verstorben, Orginaldokumente schwer zu finden. Über die Verbindung des Basketballs mit den Nationalsozialisten sagt Krebs: "Der Deutsche Basketball-Bund hat sich gefreut, dass sich jemand um die braune Vergangenheit kümmert und hat meine Vorlage genau so gedruckt."

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    Krebs, Hans-Dieter: Basketball – ein deutscher Spätstarter. Eine Chronik der deutschen Frühgeschichte 1896-1945. Herausgegeben vom Deutschen Basketball-Bund, Hagen 2012, 163 Seiten, 19,90 Euro.