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Breitband auf eigene Rechnung

In Nordfriesland müssen sich bisher nicht wenige Menschen mit sehr langsamen Internetanschlüssen abfinden. Doch das könnte sich ändern. Beim Modell des Bürgerbreitbandnetzes werden die Einwohner selbst zum Eigentümer ihrer Internet-Infrastruktur.

Von Peer-Axel Kroeske | 04.02.2012
    Auch im Jahr 2012 surfen einige Nordfriesen noch mit ISDN. Schmalspur-DSL mit 0,4 Megabit ist die Regel. Der Datenaustausch über Mobil- und Satellitenfunk bereitet auch keine Freude. Abends gehen die Bandbreiten in die Knie, weil sich alle Nutzer die Kapazitäten teilen.

    "Ich bin Betriebswirtin. Ich könnte es beruflich benutzen, aber es geht nicht aufgrund des Anschlusses."

    "Dadurch verlangsamen sich die täglichen Bestellungen ungemein. Das kostet uns Zeit und dadurch auch sehr viel Geld."

    ""Das wird schon fast jetzt von der Schule vorausgesetzt, dass man Internet hat, um Hausaufgaben zu machen. Aber das ist schon schwer denn, zu Hause was zu machen."

    Und es geht inzwischen um mehr als schnelles Surfen, meint Hans Wolff, der Bürgermeister von Kotzenbüll, einer der vielen Gemeinden in der Region:

    "Wenn wir Wohnungen vermieten wollen, wenn wir Häuser verkaufen wollen, dann ist die Frage immer von potenziellen Mietern oder Erwerbern immer, inwieweit schon Internetverbindung ist. Die sagen: Nein, wir sagen diese Miete ab."

    Vor diesem Hintergrund erscheint eine Investition von 1000 Euro pro Haushalt überschaubar. Mit diesem einmaligen Betrag würden sich die Bürger am Bau ihres eigenen Glasfasernetzes unternehmerisch beteiligen. Hinzu kämen – wie überall - später monatliche Kosten. 40 Euro könnten es werden, Internet- und Telefon-Flatrate inklusive.

    "Ich sehe es als Investition in die Zukunft, und da bin ich gern bereit, 1000 Euro zu investieren."

    "Da muss was passieren, und wenn wir uns nicht zusammenschließen, passiert gar nichts."

    Und deshalb ist der Saal im 700-Einwohner-Dorf Löwenstedt, der Pilotgemeinde, zur Gründungsversammlung der Bürgerbreitbandnetz GmbH & Co KG, voll. Da Gewinnerwartungen hier keine Rolle mehr spielen, geht die Rechnung auf, ist Ute Gabriel-Boucsein überzeugt. Sie ist frisch ernannte Geschäftsführerin und hat in der Kommunalverwaltung schon viel Vorarbeit geleistet:

    ""Es ist so berechnet, dass es reicht, wenn die Bürger kommen, die Firmen kommen, die Kommunen kommen. Die Bürgerwindparks spielen da auch noch eine Rolle. Und wenn von allen ein gewisser Prozentsatz kommt, dann kommen wir zurecht."

    In jeder Gemeinde müssen die Bürger bis zu einem Stichtag entscheiden, ob sie sich beteiligen und damit einen Anschluss bekommen. Wenn 60 Prozent mitmachen, beginnt der Ausbau. Die Mehrkosten für die teuren Tiefbauarbeiten in Randlagen werden durch das Solidarprinzip aufgefangen. 20.000 Haushalte gilt es auf einer Fläche etwa so groß wie Berlin zu versorgen. Hinzu kommen Unternehmen und die erwähnten Windparkbetreiber, die ein besonderes Ziel verfolgen.

    "Einmal haben die Windmüller natürlich ein Eigeninteresse, wenn es später darum geht, 100 Prozent erneuerbare Energien gewährleisten zu können, dann müssen natürlich die Anlagen - Solar, Windparks etc. – miteinander kommunizieren können, und das möglichst schnell und sicher."

    Ulla Meixner berät das Projekt. Sie gehört zu einer Gesellschaft im angrenzenden Gebiet um Niebüll und Bredstedt, die dort ein Glasfasernetz ohne Bürgerbeteiligung plant. Hier geht die Initiative von den Windparkbetreibern aus. Wie fast überall gingen auch hier die Ideen zunächst Richtung geförderter DSL-Ausbau. Gut, dass es nicht so kam, meint Derek Meyer vom kommunal getragenen Breitband-Kompetenzzentrum Schleswig-Holstein.

    "In fünf bis zehn Jahren werden diejenigen merken, dass das, was sie da haben, einfach immer noch zu wenig ist. Und diesen Schritt hat man sich hier erspart."

    Wer den großen Wurf wagt, hat derzeit aber keine Chance auf EU-Förderung. Eigentlich paradox:

    "Es muss sozusagen das kostengünstigste Netz erst mal gebaut werden. Bei solchen Ausschreibungen gewinnen meistens Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, solche Erschließungen durchzuführen, natürlich eine Deutsche Telekom, oder andere, die das auch können, und die sind dann wesentlich günstiger im Ausbau als meistens diese teuren Hochleistungsnetze. Und so erhalten die den Zuschlag und die Förderung."

    Und damit blieb es vielerorts beim Kupferkabel. In Sachen Glasfaserausbau liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit hinten. Dabei gilt längst das nun in Nordfriesland praktizierte "Fiber to Home" – also Glasfaser direkt ins Haus - als Stand der Technik.

    "Alle Experten gehen davon aus, dass das die Technik der nächsten 50 Jahre sein wird. Wir kennen kein Medium, das schneller ist als Licht. Es gibt kein Teilen von Bandbreiten, sondern jeder Haushalt bekommt von uns eine einzelne Glasfaser."

    Im Sommer könnten die Arbeiten des Bürgerbreitbandnetzes in der Pilotgemeinde Löwenstedt beginnen. Bei dem privaten Partnerprojekt ist man schon weiter: In vier Gemeinden rollen bereits die Bagger. Die 60-Prozent-Quote wurde dort zum Teil deutlich übersprungen.

    "Das Solidarprinzip wird alle Leute mitreißen. Denn sie wissen: Dieses Glasfasernetz wird einmal angeboten. Und wenn die 60 Prozent in einer Gemeinde nicht zustande kommen, dann fährt der Breitbandzug auch weiter."

    Ein paar Jahre wird es noch dauern, bis das nordfriesische Festland komplett versorgt ist, vielleicht bis 2017. Dann aber könnte das dünn besiedelte Flachland deutlich besser in Sachen Internet versorgt sein, als so manche Großstadt.