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Bremen
Erstmals Frauen beim Eiswettfest

Seit 190 Jahren gibt es das Bremer Eiswettfest, eine Feier der Spitzen aus Wirtschaft und Gesellschaft in der Hansestadt. Nach einem Streit im letzten Jahr sind erstmals auch Frauen eingeladen. Die Mitglieder des Bremer Senats hingegen stehen dieses Mal nicht auf der Gästeliste.

Von Felicitas Boeselager | 17.01.2020
Das Alte Rathaus ist Amtssitz des Bürgermeisters von Bremen, daneben der Roland.
Ein traditionsreiches Fest sorgt für Diskussionen in Bremen (dpa)
"Ich freu mich sehr auf den Tag, ich finde das ganz toll dabei zu sein und freu mich sehr", sagt Bankerin Sabine Niemeyer, sie gehört zu den ersten 30 Frauen, die am Samstag beim Bremer Eiswettfest mitfeiern dürfen. Sie darf dabei sein, weil Männer in vergleichbaren Positionen auch eine Einladung bekommen haben.
Auf der Gästeliste: 30 Damen und 770 Herren
"Ich find’s zeitgemäß, ich hab da kein Gefühl ‚na endlich‘, oder wurde auch Zeit. Ich glaube es ist einfach wieder ein Moment, wo man merkt, dass die Frau heute wieder in einer anderen Rolle in unserer Gesellschaft ist, das ist also insofern einfach folgerichtig, dass das passiert."
Die Eiswette - eine Tradition, die vielen Menschen außerhalb Bremens gänzlich unbekannt ist, hat hier im vergangenen Jahr die Emotionen hoch kochen lassen:
"Also es ist ja ein offener diplomatischer Affront gewesen, und ich meine, also der Präsident der Eiswette kann sich im Grunde genommen sonst wohin begeben, aber wirklich nicht mehr in unsere Stadtgesellschaft. Doch! Das ist eine einzige Frechheit", konnte man da zum Beispiel bei einer Rede in der bremischen Bürgerschaft, also immerhin im Landesparlament, hören.
Streit über stellvertretende Bürgermeisterin im letzten Jahr
Die Eiswette gibt es seit 1828. Damals wetteten bremische Kaufleute, ob die Weser zufriert oder befahrbar bleibt. Daraus ist ein großes Spektakel geworden: Inzwischen wird an jedem 6. Januar vor tausenden Zuschauern die gleiche Wette abgeschlossen, auch wenn die Weser seit Jahren nicht mehr zufriert. In den Wochen danach findet dann das Eiswettfest statt. Einladungen dazu sind heiß begehrt: Hier trifft sich das Who‘s Who der Bremer Stadtgesellschaft, sammelt Geld für einen guten Zweck, lädt Gäste aus ganz Deutschland und honorige Redner ein, trägt Smoking und isst Grünkohl mit Pinkel. Und dieses Who’s Who war bis zu diesem Jahr ausschließlich männlich.
"1829 war die Gesellschaft eine andere als 1929, oder 1960, oder 1980, oder 2000, oder jetzt. Und heute spielen Frauen in der Gesellschaft in der wir einladen, also in der Spitze der Gesellschaft, in gehobenen Positionen in Unternehmen eine ganz andere Rolle. Das ist ganz natürlich und normal, dass sie heute auch auf den Chefsesseln sitzen, wie woanders auch", erklärt der Präsident der Eiswette Patrick Wendisch die Entscheidung, nun auch Frauen einzuladen. Das ist der gleiche Präsident, den die Rednerin bei der Bürgerschaftsdebatte vergangenes Jahr aus der Stadtgesellschaft ausschließen wollte. Wie es dazu kam? Der Bürgermeister hatte seine Teilnahme am Fest absagen müssen und schlug vor, dass stattdessen seine Stellvertreterin komme könne. Aber weil Frauen vergangenes Jahr noch nicht erwünscht waren, kam es zum Eklat. Wendisch ließ sich zu dem Wort "Gendergaga" hinreißen.
Alles nur "Gendergaga"?
Dem Eiswettfest wurde Sexismus vorgeworfen, es wurde bundesweit berichtet und ein Senatsmitglied boykottierte das Fest*. In diesem Jahr nun also zeigt sich die Eiswett-Gesellschaft aufgeschlossener gegenüber Frauen. Nicht allerdings gegenüber der Regierung: Ein Jahr nach dem Streit ist kein einziges Senatsmitglied bei der Eiswette eingeladen, nicht mal der Bürgermeister. Eine billige Retourkutsche?
Wendisch bemüht sich um Deeskalation: "Ich versteh auch so ein bisschen die Aufregung nicht. Bremen ist die Stadt der kurzen Wege und da sollte man besser miteinander reden als übereinander und das finde ich eigentlich viel besser." Mehr will er dazu nicht mehr sagen. Schließlich seien Senat und Eiswette jahrzehntelang freundschaftlich verbunden gewesen.
Eiszeit im Verhältnis zum Senat
"Es wird sowieso, wenn ich das ergänzen darf viel zu ernst genommen von der Öffentlichkeit, wir sind ja eigentlich nur ne große Party, wir sind ein großes Fest."
Aber eben ein Fest mit einer großen Außenwirkung und der Gelegenheit, bei gutem Bordeaux Geschäfte anzuleiern. Auch Sabine Niemeyer will die Bedeutung der Eiswette nicht überbewerten, aber "natürlich ist so ein Eiswettfest mit seiner Bedeutung über die Stadtgrenzen hinaus, auch ein wunderbarer Punkt für Netzwerk, da muss man sich ja nichts vormachen, es kommen ja ganz viele bedeutende Menschen aus Wirtschaft etc. und insofern ist das eine schöne Gelegenheit, und dabei sein ist schön."
* An dieser Stelle haben wir die Formulierung zum Senat korrigiert.