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Bremens Häfen
Zwischen Containern und Corona

Weniger Warenumschlag, weniger Umsatz: Bremens Hafenwirtschaft leidet unter der Corona-Krise. Dennoch sind die Häfen prinzipiell gut auf das Virus vorbereitet. Der Schutz vor neuen Krankheiten ist dort seit Jahrhunderten Thema.

Von Felicitas Boeselager | 19.03.2020
Containerkräne in Bremerhaven
Die Containerkräne in Bremerhaven könnten in der Corona-Krise noch öfter still stehen (Deutschlandradio / Ralf Krauter)
Häfen sind für die Exportnation Deutschland ein entscheidender Teil der Infrastruktur. Ebenso wichtig sind sie für den Import. Sehr wahrscheinlich war ein Großteil unserer Konsumgüter war, bevor wir ihn irgendwo gekauft haben, auf einem Schiff. Vor allem die Städte Hamburg und Bremen sind mit ihren Häfen deshalb für unsere Wirtschaft entscheidend. Jetzt bricht wegen der Corona-Krise der Umschlag auf den Häfen ein und das hat Auswirkungen auf alle Betriebe in den Häfen. Felicitas Boeselager hat für uns einen Logistikunternehmer in Bremerhaven getroffen.
"Es ist schon ruhiger, ich war gestern gerade noch im Hafen und habe gesehen, dass der Besuch – in Anführungsstrichen – von Schiffen schon stark zurückgegangen ist", berichtet Siegward Glomb. Er ist Geschäftsführer einer Containerdienst-Firma in Bremerhaven.
"Gestern lagen deutlich weniger Schiffe an der Kaje, als ich das üblicherweise kenne. Man erkennt das immer an den Containerbrücken, die die Schiffe entladen. Wenn die Ausleger hochgeklappt sind, die Brücken also nicht arbeiten, dann kann man immer schon sehen, wenn man die Kaje entlang guckt, da sind wenige Brücken, die arbeiten."
"Für uns ist es der Gau, wenn jemand infiziert ist."
Als Glomb das erzählt, sitzt er im Home-Office und übt sich dort in sozialer Distanz, weshalb er dieses Interview am Telefon gibt. Sein Bruder Matthias Glomb, der ebenfalls Geschäftsführer der Firma ist, ist hingegen im Büro.
"Also es sind immer so 30 bis 40 Prozent nicht im Büro, die entweder von zu Hause arbeiten oder in Bereitschaft stehen. Das ist unsere Reservebank, weil es für uns der Gau ist, wenn jemand im Büro infiziert ist und die Mitarbeiter behördlich dazu gezwungen werden das Büro nicht mehr zu betreten."
Glombs Firma transportiert Container, die in den europäischen Häfen ankommen, zu ihren Bestimmungsorten auf dem Land. In seinem Büro hat er rund 75 Mitarbeiter, zusätzlich sind 80 LKW-Fahrer bei ihm angestellt. Sie spüren die Auswirkungen der Corona-Krise schon seit einer Weile:
"Wir haben in den letzten Wochen zunächst leichte, dann etwas stärkere Rückgänge verspürt. Das begann zunächst vornehmlich im Export, also Container, die in Deutschland beladen und verschifft werden, insbesondere nach China. Exporteure haben gesagt, nein, wir warten ab, wir schicken die Ware jetzt nicht auf den Weg, weil tausende Container in China in den Häfen standen und nicht abgeholt werden konnten, wegen der Corona-Krise und dort unter Umständen auch Waren verdorben sind."
Die Corona-Krise betrifft Import und Export
Deshalb hätten viele seiner Kunden die Lieferungen gestoppt. Inzwischen betrifft die ausbleibende Ladung aber auch den Import. Containerschiffe aus China brauchen sechs Wochen bis sie in Deutschland ankommen, das heißt, dass sich der chinesische Stillstand jetzt langsam in den europäischen Häfen bemerkbar macht. Und das hat wiederum Auswirkungen auf den Export: Denn die Container, die voll bepackt aus China ankommen, werden schließlich in Deutschland geleert, neu beladen und dann weiter verschifft. Das heißt den Häfen fehlen jetzt Leercontainer. Für Glomb bedeuten all die Entwicklungen enorme Umsatzeinbußen.
"Ich habe in der letzten Woche in einem Interview schon mal gesagt, ich gehe von 30 Prozent aus. Mittlerweile fürchte ich aber fast, dass das eine positive Schätzung ist, es könnte noch mehr werden, aber es ist tatsächlich wirklich spekulativ."
Ein Frachtschiff mit Containern im Hafen von Quingdao in China am 9. Dezember 2019.
Krise mit Verzögerung: Sechs Wochen brauchen Containerschiffe von China nach Europa (picture alliance / Yu Fangping)
Mit ähnlichen Einbrüchen rechnet auch die bremische Hafenvertretung, 20 bis 30 Prozent werde der Umsatz sinken, heißt es dort in einer Pressemitteilung. Ein Interview dazu wollen weder die Terminal-Betreiber, noch die Hafenvertretung geben – die Situation sei zu dynamisch, was heute gelte, könne morgen schon wieder ganz anders sein. Glomb befürchtet noch stärkere Auswirkungen als in der Finanzkrise, die nach dem Crash der Banken auch den weltweiten Warenhandel in die Knie zwang.
Häfen gut auf Infektionskrankheiten vorbereitet
Abgesehen von den enormen ökonomischen Schäden sind Häfen aber generell gut vorbereitet auf Infektionskrankheiten und Epidemien. Als Tore zur Welt bargen sie seit Jahrhunderten die Gefahr, der Ankunftsort neuer, unbekannter Krankheiten zu sein, erklärt der bremische Hafenkapitän Andreas Mai:
"Das hat schon sehr früh dazu geführt, dass Gesundheitsvorschriften auf internationaler Ebene erlassen worden sind und in Vor-Vor-Vorzeiten auch Inspektionen auf den Schiffen durch medizinisches Personal stattgefunden haben, bevor die Menschen dann überhaupt von Bord durften beziehungsweise ein Austausch stattfinden konnte."
Auch Quarantäne ist hier kein unbekanntes Wort, im Gegenteil: Jedes Schiff hat eine sogenannte Quarantäneflagge, die es erst einholen darf, wenn die Behörde an Land es erlaubt. Dann erst darf das Schiff anlegen und die Besatzung von Bord gehen.
Neue Bestimmungen für Schiffsbesatzungen
Seit der Gefahr einer Infektion durch den Corona-Virus fordert der hafenärztliche Dienst nun eine zusätzliche Liste an: Sie führt auf woher die Besatzungsmitglieder kommen und wann sie wo an Bord des Schiffes gegangen sind. Im Zweifel waren sie so lange auf See, dass eine Infektion ganz ausgeschlossen werden kann. Andreas Mai:
"Diejenigen, die an Land müssen, zum Beispiel wegen Besatzungswechsel, bekommen eine Aussteigerkarte, die ja auch nach den Infektionsschutzregeln vorgeschrieben ist und auf den Flugzeugen im Flugverkehr jetzt ja auch gefordert wird, so dass also auch eine Nachverfolgbarkeit der Personen grundsätzlich möglich ist."
Im Übrigen hat auch jedes Schiff an Bord ein sogenanntes Hospital, das sich in eine Quarantäne-Station verwandeln lässt. Schließlich ist es wichtig, dass die Seeleute sich bei wochenlanger Fahrt über das Meer nicht gegenseitig anstecken.
Seeleute kommen nicht mehr in ihre Heimat zurück
Allerdings bringt die aktuelle Krise ganz neue Probleme mit sich. So können viele Seeleute durch die Grenzschließungen und Flugausfälle nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Der EU-Schiffseignerverband Ecsa und die Europäische Transportarbeitergewerkschaft ETF fordern inzwischen, dass Seeleute von den internationalen Reisebeschränkungen ausgenommen werden – damit die Crews auf den Schiffen ausgewechselt werden können und arbeitsfähig bleiben.
Diese Entwicklungen betreffen alle Gewerke des Hafens: Terminal-Betreiber, Reeder, Lotsen, Verpackungsbetriebe, Schlepperreedereien, Festmacher – die Liste ist lang. Deshalb fordert die bremische Hafenvertretung Hilfe vom Bund und den Ländern. Und Siegward Glomb versucht, trotz aller Hiobsbotschaften optimistisch zu bleiben.
"Wir versuchen, da möglichst positiv ranzugehen und wir sagen immer, naja, wir haben auch die Finanzkrise überstanden, auch das hat unser Unternehmen geschafft. Wir haben seit vierzig Jahren die ein oder andere Krise überlebt, aber das, was jetzt stattfindet, stellt uns auch vor eine ganz neue Herausforderung."