Samstag, 20. April 2024

Archiv


Bremse für Biosprit

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Beimischung von Biosprit zum Normalbenzin und -diesel auf fünf Prozent zu begrenzen. Über diese Idee soll nun der Umweltausschuss im EU-Parlament entscheiden. Denn mittlerweile wächst die Kritik am Kraftstoff aus Mais, Soja und Co.

Von Stephanie Rohde | 10.07.2013
    Der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor sollte bis 2020 zehn Prozent betragen. Der Weg dahin führt auch über den verstärkten Einsatz von Bio-Sprit. Doch mittlerweile wachsen die Bedenken. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments soll nun entscheiden, wie es mit dem Bio-Kraftstoff weitergeht.

    Im Kern geht es um die Frage, wie viel Biosprit im europäischen Verkehr eingesetzt wird. Lieber weniger als mehr, findet die EU-Kommission. Sie hat sich auf ein Limit von fünf Prozent Beimischung von Biosprit zum Normalbenzin und -diesel geeinigt.

    Der Biosprit wird aus Raps, Mais, Weizen, Zuckerrohr oder Soja hergestellt. Über den Kommissionsvorschlag entscheidet nun der Umweltausschuss. Sozialdemokraten und Grüne im Ausschuss wollten wie die Kommission, dass Biokraftstoffe aus Nahrungsmitteln nur maximal fünf Prozent am Gesamtanteil des Energiemixes im Verkehrssektor bis 2020 ausmachen. Warum man den Biokraftstoff dann nicht gleich abschafft, begründet der Sozialdemokrat Jo Leinen aus dem Umweltausschuss so:

    "Wir wollen die Investitionen schützen, die bereits getätigt worden sind, im Vertrauen auf die Gesetzgebung, die die EU vor einigen Jahren gemacht hat. Wir wollen aber nicht dazu ermuntern, weiter so zu machen wie bisher, weil sich gezeigt hat, dass "bio" nicht automatisch gut ist für das Klima."

    Die konservative Europäische Volkspartei wollte den Anteil des Biosprits am Gesamtenergiemix ursprünglich auf mindestens 6,5 Prozent anheben.

    Ihr Argument: Nur mit mehr Biosprit erreicht die EU ihr Ziel von zehn Prozent erneuerbaren Energien im Verkehrssektor bis zum Jahr 2020. Dennoch hat sich die EVP heute auf einen Kompromiss mit den anderen Fraktionen eingelassen: Der Anteil des Biosprits soll auf 5,5 Prozent begrenzt werden. Der Kritik der Biosprit-Industrie hält Jo Leinen entgegen:

    "Es gibt natürlich eine immense Lobby hinter einer bereits gewachsenen Biokraftstoffindustrie, die natürlich um ihre zukünftigen Investitionen bangt, aber es wird ja nicht verboten. Im Gegenteil, wir brauchen die Biomasse als Teil des Portfolios der erneuerbaren Energien, aber wir lernen aus den Fehlern der Vergangenheit: Schlechte Kraftstoffe werden nicht mehr subventioniert, sondern nur noch die guten."

    Die Rechnung hinter dem Kraftstoff ist einfach: Das Kohlendioxid der Autoabgase soll von den angebauten Pflanzen in der Fotosynthese neutralisiert werden. Treibhausgasemissionen könnten reduziert werden, so die Idee. Doch Experten wie Gesche Jürgens von Greenpeace warnen seit längerem, dass Biosprit gar nicht CO2-neutral ist:

    "Mittlerweile hat die Wissenschaft nachgewiesen, dass die meisten Agrotreibstoffe überhaupt nicht dem Klimaschutz dienen, sondern im Gegenteil manchmal noch eine schlechtere Klimabilanz haben als fossile Kraftstoffe, vor allem wenn für deren Produktion Regenwald gerodet wird."

    Für den Anbau von Soja und Zuckerrohr werden in Lateinamerika wertvolle Naturlandschaften wie der Cerrado und der Regenwald in Brasilien gerodet. Greenpeace berichtet auch von Rodungen in Indonesien für die Palmölgewinnung. Hinzu kommt: Die Weltbevölkerung wächst, damit auch der Bedarf an Nahrungsmitteln. Man sollte diese also nicht verknappen, in dem man sie in den Tank statt den Teller wirft, argumentiert Greenpeace.

    "Selbst die 5 Prozent sind noch zu viel, weil einfach die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion bestehen bleibt."

    Morgen bei der offiziellen Abstimmung wird sich der Umweltausschuss voraussichtlich auf den Biosprit-Anteil von 5,5 Prozent einigen. Strittig ist noch, inwieweit bei den einzelnen Rohstoffen die CO2-Emissionen auf die Klimabilanz angerechnet werden, die durch die Veränderungen der Naturlandschaften entweichen – die sogenannten ILUC-Faktoren.

    Der Umweltausschuss muss außerdem klären, ob der Biosprit aus Pflanzenabfällen mit einem Mehrfachfaktor angerechnet werden soll, weil er als effizienter gilt als herkömmlicher Biodiesel aus Raps beispielsweise.