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Bremsen für die Umwelt

Umwelt. - Der Vorschlag aus Brüssel, in Deutschland ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einführen, um Kohlendioxidemissionen zu senken, stößt hierzulande auf Zweifel. Je nach Standpunkt werden offenbar unterschiedliche Zahlenwerke zugrunde gelegt.

Von Volker Mrasek | 13.03.2007
    Veraltete Daten und seit Jahren keine Untersuchungen mehr zu möglichen Klimaschutz-Effekten eines Tempolimits - das ist die Situation in Deutschland. Ganz anders sieht es da in England aus. Noch im letzten Jahr legten Experten des britischen Energieforschungs-Zentrums eine neue Untersuchung vor. Es ist die zurzeit aktuellste Studie in diesem Feld. Und sie lässt erkennen: Eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen würde sehr wohl zu spürbaren Kohlendioxid-Reduktionen führen - ganz anders, als es derzeit in der öffentlichen Debatte in Deutschland den Anschein hat. Hauptautorin der Studie ist Jillian Anable. Die Verkehrswissenschaftlerin lehrt zugleich an der Universität von Aberdeen in Schottland:

    "Wir haben herausbekommen, dass man zu sehr bemerkenswerten Einsparungen beim Kohlendioxid käme. Bis 2010 könnte der Verkehr in Großbritannien etwa zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid vermeiden, wenn ein striktes Tempolimit auf Autobahnen und zweispurigen Strassen eingehalten würde. Das entspricht über fünf Prozent der gesamten Verkehrsemissionen. Der Effekt ist also nicht zu vernachlässigen."

    Anable und ihre Kollegen unterstellten dabei, dass auf Autobahnen nicht schneller als 60 Meilen pro Stunde gefahren werden darf. Das entspricht ungefähr Tempo hundert. Auch bei 70 Meilen - das sind knapp 115 Kilometer pro Stunde - zeigte sich noch ein positiver Klimaeffekt. Dann, so die Forscher, könne der Verkehr seinen Treibhausgas-Ausstoß immerhin noch um knapp drei Prozent drosseln. So viel Kohlendioxid, sagen sie, werde nicht einmal durch die Beimischung von Bio-Kraftstoffen zu normalem Benzin und Diesel eingespart. In Großbritannien existiert bereits ein generelles Tempolimit von 70 Meilen pro Stunde. Das Problem ist nur: Es wird nicht unbedingt befolgt. Jeder Zweite fährt nach aktuellen Verkehrsdaten schneller. In Deutschland gibt es noch nicht mal eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Und auch keine Daten darüber, wie schnell die Leute tatsächlich unterwegs sind ...

    "Es würde mich sehr interessieren, wie hoch die Durchschnittsgeschwindigkeit in Deutschland ist. Vermutlich liegt sie viel höher als in Großbritannien. Ich nehme an, dass man mit einem Tempolimit deshalb noch größere Kohlendioxid-Einsparungen erzielen könnte als bei uns. Jedenfalls ist es erstaunlich, dass dazu in Deutschland keine aktuellen Zahlen vorliegen sollen. Das britische Verkehrsministerium veranlasst jedes Jahr Studien, die darlegen, auf welchen Straßen wie schnell gefahren wird."

    Ihre Studien-Ergebnisse hält Jillian Anable auf jeden Fall für übertragbar. Die britische PKW-Flotte unterscheide sich nicht großartig von der deutschen. Und überhaupt würden bei solchen Untersuchungen europäische Emissions-Kennwerte benutzt. Tempolimits hält die Verkehrsforscherin generell für eine brauchbare - und noch dazu billige - Klimaschutz-Option:

    "Wenn der Verkehr sich beim Klimaschutz nicht einbringt, dann müssen andere Sektoren umso mehr tun, zum Beispiel die Industrie oder Haushalte. Zumindest in Großbritannien wird es das sicher nicht geben. Und deshalb denke ich: Beim Verkehr müssen wir alle Chancen zur Reduktion von Kohlendioxid nutzen, die sich uns bieten. Und je schneller, desto besser."

    Auch Otto Normalfahrer darf man die Studie zur Lektüre empfehlen. Sie verdeutlicht nämlich sehr anschaulich: In dem Moment, in dem man das Gaspedal durchtritt, geht die Kohlendioxid-Emission erst richtig in die Höhe. Ein Zahlenbeispiel macht das deutlich: So produziert ein großer Diesel-PKW schon bei Tempo 120 mehr als 200 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Bei Tempo 145 sind es sogar über 300 Gramm: eine Steigerung um 50 Prozent. Und auch das sollte man nicht außer acht lassen: Wer langsamer fährt, spart Sprit und Geld. Und wer schneller fährt, kommt nicht unbedingt schneller an – höchstens am nächsten Stauende.