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Brexit-Debatte
Ein Spiel auf Zeit

Mit ihrem Plan B für den Brexit konnte die britische Premierministerin Theresa May das Unterhaus nicht überzeugen. Parlamentarier aller Fraktionen ergreifen deshalb selbst die Initiative, um zumindest eine Verschiebung des Austrittsdatums zu erreichen.

Von Jörg Müchenberg | 23.01.2019
    Anti-Brexit-Proteste vor dem Parlament in London
    Anti-Brexit-Proteste vor dem Parlament in London (dpa/ picture alliance/ London News Pictures)
    Schenkt man den aktuellen Umfragen Glauben, dann ist das britische Volk genauso gespalten wie die verantwortlichen Politiker. Nach einer Erhebung der Universität von Strathclyde in Schottland hat keiner der derzeit diskutierten Optionen – Referendum, harter Brexit oder Neuverhandlungen mit Brüssel – eine klare Mehrheit.
    May hält an Plan A fest
    Doch gefragt ist zunächst die Politik – und im britischen Unterhaus wächst der Unmut über die britische Premierministerin Theresa May, die letztlich an ihrem Plan A festhält. Also Verabschiedung des bereits ausgehandelten Scheidungsvertrages mit der EU, erweitert um die Komponente, noch einmal mit Brüssel über den umstrittenen "backstopp" nachverhandeln zu wollen, den der Juniorpartner, die nordirische DUP, aber auch die Hardliner in den eigenen Reihen strikt ablehnen.
    Allerdings gilt diese Strategie angesichts der kompromisslosen Haltung der EU bei den meisten Abgeordneten im Unterhaus als wenig erfolgversprechend: "Die Zeit wird knapp. Deshalb werden sie die Geduld mit der Regierung verlieren, es sei denn, die Regierung hat wirklich einen Plan B denn eine Wiederholung von Plan A."
    Sagt der Staatsrechtler Robert Hazell von der University of London. Doch offenkundig versucht May, den Druck auf die Kritiker in den eigenen Reihen, aber auch die Opposition weiter zu erhöhen. Am 29. März muss Großbritannien die EU verlassen – die Opposition will aber einen No-Deal-Brexit unbedingt verhindern, während die Hardliner einen Verzicht auf den Brexit fürchten. Zusammengenommen, so das mutmaßliche Kalkül der Premierministerin, könnte das doch für eine Zustimmung zum jetzigen Deal reichen.
    "Es kann keinen Austritt aus der EU ohne Deal geben"
    Doch das Parlament wehrt sich. Für die Abstimmung am kommenden Dienstag gibt es zahlreiche Anträge und Initiativen. Sie reichen von einem Verzicht auf einen harten Brexit, einer Verschiebung des Austrittsdatums, der Einsetzung eines zweiten Referendums bis hin zu diversen Probeabstimmungen zur Auslotung eines tragfähigen Kompromisses. Denn unter dem Strich, so der Labour-Abgeordnete Jack Dromey, gebe es im Unterhaus weiter eine Mehrheit gegen einen drohenden harten Brexit:
    "Ich bin zuversichtlich, für alle Parteien und das Parlament: es kann keinen Austritt aus der EU ohne Deal geben."
    Unklar ist derzeit, welcher Antrag Chancen auf eine Mehrheit im Parlament hat. Genau darüber dürfte es in den Tagen eifrige Verhandlungen hinter den Kulissen geben. Aber auch der Speaker John Bercow wird eine entscheidende Rolle spielen – denn er entscheidet, welche Anträge zugelassen werden und welche nicht. Bercow hat aber mit seinen Entscheidungen wiederholt deutlich gemacht, dass das Parlament beim Brexit eine entscheidende Rolle spielen muss. So sieht es letztlich auch Staatsrechtler Hazell: "Es ist wirklich schwer zu sagen, wie diese Abstimmungen ausgehen werden. Aber meine eigene Vermutung ist, dass am 29. Januar mindestens ein Antrag, vielleicht aber auch mehrere angenommen werden".
    Was dann aber auch die Regierung nicht mehr ignorieren könnte.