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Brexit
Sorgen der schottischen Wirtschaft nehmen zu

Jetzt macht die schottische Regierung also doch ernst: Ende 2018 oder Anfang 2019 soll es ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit geben. Das Erste im Jahr 2014 ging deutlich verloren. Aber der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon reißt jetzt der Geduldsfaden - wegen des Brexit.

Von Friedbert Meurer | 13.03.2017
    Das Bild zeigt Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon auf dem SNP-Parteitag am 15.10.2016 in Glasgow. Sie trägt ein rotes Kleid und winkt mit der rechten Hand den Delegierten zu. Hinter ihr geschrieben steht "Stronger Scotland - ein stärkerers Schottland".
    Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon auf dem SNP-Parteitag am 15.10.2016 in Glasgow (AFP / ANDY BUCHANAN)
    Die letzten Monate waren die Ruhe vor dem Sturm, jetzt wird es holprig, schrieb heute Morgen die "Times". Stürmische Zeiten, damit meinte das Blatt die anstehenden Verhandlungen mit der EU. Bevor die beginnen und bevor Theresa May vielleicht morgen schon den Antrag auf Austritt offiziell stellt, sorgte am Mittag Schottlands erste Ministerin Nicola Sturgeon für einen Paukenschlag.
    Die Schotten wollen ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit. Sie wollen nicht gegen ihren Willen aus dem EU-Binnenmarkt herausgeführt werden.
    "Ich werde nächste Woche unser Parlament darüber abstimmen lassen, dass wir uns mit der britische Regierung über die Details eines Referendums verständigen. Wir stimmen ab, wenn die Bedingungen des Brexits bekannt sind, aber bevor es zu spät für uns ist, also zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019."
    London warnt vor wirtschaftlichen Auswirkungen
    Die britische Regierung muss dem Referendum zustimmen. Ein Regierungssprecher in London bezeichnete Sturgeons Plan als schädlich für die Wirtschaft, er spalte das Land und sorge für Unsicherheit. Eine klare Kritik war das, aber keine explizite Absage.
    Sprecher der schottischen Wirtschaft äußerten sich wenig begeistert von den Aussichten auf ein neues Referendum. Die schottische Wirtschaft leidet unter dem niedrigen Ölpreis. Neben den Brexit-Verhandlungen kommt jetzt ein zweiter Unsicherheitsfaktor hinzu.
    Hauptsorge der britischen Wirtschaft insgesamt ist aber das Szenario, dass die Verhandlungen mit der EU platzen und Großbritannien ohne Vereinbarung die Europäische Union verlässt. Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin des Verbands der britischen Industrie, schlägt Alarm. "Die Angst der Wirtschaft davor, dass es keinen Deal gibt, ist sehr groß. Das würde für Chaos sorgen. Das wäre ganz schlecht für uns, aus der EU herauszustürzen."
    Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Diskussion
    Viel Ärger bei den Gesprächen mit der EU droht, wenn die EU-Kommission zum Beispiel tatsächlich den Briten eine hohe Austrittsrechnung präsentiert. Im Gespräch sind 50 bis 60 Milliarden Euro. Auch das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit wird wieder eine Rolle spielen. Die Einwanderung aus der EU einzudämmen, ist erklärtermaßen eines der wichtigsten Ziele von Premierministerin Theresa May.
    "Wir müssen über die Einwanderung qualifizierter und nicht-qualifizierter Arbeitnehmer reden. Über beides. Das ganze System muss einfach bleiben. Dass Betriebe wachsen, hängt damit zusammen, dass es so einfach ist, Arbeitskräfte aus der EU einzustellen."
    Bei einer Anhörung letzte Woche im Oberhaus hatte die Personalchefin der Sandwich-Kette "Pret a Manger" mitgeteilt, dass unter 50 Bewerbungen ein einziger Brite sei. Mehr Stundenlohn würde das nicht ändern. Brexit-Minister David Davis hatte unlängst bei einem Besuch in Estland erklärt, Großbritannien werde noch auf Jahre hinaus abhängig von Niedriglohnverdienern aus der EU bleiben.